Wenn ich mich jetzt schon auf ein Debüt des Jahres festlegen müsste, dann würde ich wohl für „Schöner als überall“ von Kristin Höller stimmen.
Dieser Roman hat mich die letzten Tage sehr begeistern können und das, obwohl ich anfangs eher skeptisch war.
Der Ich-Erzähler Martin ist ein eher unscheinbarer Student, dessen ganzes Leben sich um seinen besten Freund Noah zu drehen scheint. Seit frühster Kindheit sind die beiden unzertrennlich und als der charismatische Noah das Heimatdorf verlässt, um in München Schauspieler zu werden, kommt Martin ganz selbstverständlich mit.
Doch bereits nach seinem ersten Film gerät Noahs Karriere ins Stocken. Weitere Filmangebote lassen auf sich warten, also stürzt er sich ins Münchner Nachtleben; immer mit Martin an seiner Seite.
Eines Nachts passiert dann etwas, was das Leben der beiden Freunde zunächst einmal ziemlich auf den Kopf stellt: als Noah versucht, völlig betrunken auf die Athene Statue am Königsplatz zu klettern, bricht ihr Bronzespeer ab. Er nimmt das massive Teil kurzerhand mit nach Hause, doch gleich am nächsten Tag wird Noah klar, was er da angerichtet hat. Von 10.000 € Sachschaden ist die Rede und so mietet er einen Transporter und sammelt Martin in der nächsten Nacht ein, um den Speer verschwinden zu lassen.
Doch was beginnt wie ein Roadmovie endet schon früh am nächsten Morgen, als die beiden in der Kleinstadt ihrer Kindheit, irgendwo im Nirgendwo eintreffen. Der Speer wird schnell im örtlichen Baggersee versenkt, die beiden Freunde bleiben zunächst einmal etwas planlos vor Ort, beziehen ihre alten Kinderzimmer in den Elternhäusern und schlüpfen in die abgetragenen Klamotten, die man beim Auszug vor zwei Jahren zurückgelassen hat.
Noah fällt es leicht, nahtlos an sein altes Leben anzuknöpfen. Er lädt sofort die Freunde von damals zum Grillen ein, bandelt mit der früheren Freundin an und genießt die Zeit bei seinen Eltern, ohne ein Auge für deren Probleme zu haben.
Martin dagegen blickt zum ersten Mal von außerhalb auf sein früheres Leben und kann endlich seinen Finger auf all das legen, was ihr damals gestört hat und wovon er sich befreien wollte…
Als ich mit „Schöner als überall“ begann, war ich zunächst nicht besonders überzeugt.
Sprachlich ist die Geschichte in einem recht schluffigen Stil ohne direkte Rede gehalten, den man ja aus diversen anderen Romanen der letzten Zeit kennt, in denen ein junger Ich-Erzähler das Wort hat.
Auch inhaltlich bekommen wir es zunächst mit zwei Motiven zu tun, die in den letzten Jahren bereits zur Genüge durchgekaut wurden: einem Roadtrip und einer ungleichen Männerfreundschaft…
Doch dann macht Kristin Höller etwas, womit ich nicht gerechnet hatte: sie nimmt all das und geht in eine eigene, ganz neue Richtung. Der Raodtrip ist so schnell zu Ende, wie er begonnen hat und wird zu einer Geschichte über das nach Hause kommen. Die ungleiche Männerfreundschaft wird weder toxisch, noch entwickelt sich eine Dreiecksgeschichte, stattdessen kommt es zu einem Gleichgewicht zwischen Martin und Noah.
Und auch die etwas naive Erzählweise begeistert dann mit wirklich wunderschönen Sätzen, profunden Wahrheiten und pointierten Aussagen. Manche Absätze musste ich zwei-, dreimal lesen, einfach weil sie so schön waren, daß ich gar nicht genug davon bekommen konnte.
Mit „Schöner als überall“ hat Kristin Höller ein wirklich beachtliches Debüt vorgelegt, das sich sofort einen Platz auf der Liste meiner Lesehighlights des Jahres gesichert hat und das hoffen lässt, daß wir in Zukunft noch mehr von dieser vielversprechenden Autorin erwarten dürfen.
Mal unabhängig vom Inhalt, der tatsächlich lesenswert klingt, aber: Fenchel!? Was hat man sich seitens des Verlages denn bei der Gestaltung gefacht!? 🙂
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Haha… der Fenchel spielt insofern eine Rolle, als das das Städtchen, aus dem die Jungs kommen inmitten lauter Fenchelfelder liegt. Ausser Fenchel, der nach Anis riecht und durch den der Wind immer sanft streicht, gibt es da eigentlich nichts. Hat mir gefallen.
Das Cover übrigens auch. 😉
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