Heute soll es nun endlich um ein Buch gehen, das schon seit Monaten auf meinem Rezensions-Stapel liegt und das ich immer wieder aufgeschoben habe: „Bridge of Clay“ („Nichts weniger als ein Wunder“) von Markus Zusak.
Ich wusste von Anfang an, daß es dieses Buch schwer haben würde.
Schwer, weil Zusaks bekanntester Roman „Die Bücherdiebin“ zu meinen absoluten Lieblingen gehört, und schwer, weil er sich ganze zehn Jahre Zeit damit gelassen hat. Niemand schien mehr so recht mit diesem Titel zu rechnen, der immer wieder angekündigt und verschoben wurde, aber natürlich war da die Hoffnung, daß in dieser Zeit etwas Großartiges zustande käme. Und die Befürchtung, daß so ein weltweiter Erfolg wie eben der der „Bücherdiebin“ den Autor unter zu viel Druck setzt.
Also versuchte ich, recht unvoreingenommen an „Bridge of Clay“ heranzugehen. Ich hatte auch seine anderen Bücher gelesen und mochte Zusaks Stil, auch wenn für mich nichts an die Geschichte der Liesel Meminger herankam.
Und tatsächlich hatte ich von Anfang an mit „Bridge of Clay“ zu kämpfen, doch reden wir zunächst einmal über die Geschichte. Die ist nämlich unheimlich dicht und an sich auch wirklich spannend:
Seit dem Tod ihrer Mutter sind die fünf Dunbar-Brüder Matthew, Rory, Henry, Clay und Thomas auf sich alleine gestellt, denn ihr Vater verließ seine Söhne gleich nach der Beerdigung der Mutter. Matthew, der Älteste, sorgt seitdem für seine Brüder, verdient das Geld, organisiert den Haushalt und spricht mit den Lehrern, wenn seine jüngeren Brüder in Schwierigkeiten stecken. Ihren Vater nennen die Kinder nur noch den „Mörder“.
Doch eines Abends kommt der Mörder zurück und unterbreitet seinen Kindern einen sonderbaren Plan: er möchte eine Brücke über den ausgetrockneten Fluß vor seinem Haus, irgendwo weit draußen auf dem Land bauen.
Vier der Brüder versuchen die Rückkehr des Vaters und sein Vorhaben zu ignorieren, doch Clay verlässt die Familie, um seinem Vater zu helfen.
Nach und nach wird die Geschichte der Familie Dunbar in Rückblenden erzählt: von der ersten gescheiterten Ehe des Vaters, von Penelope, genannt Penny, der Mutter der Jungen, die von Osteuropa nach Australien flüchtete, von Pennys Krebserkrankung und Tod, von der Zeit nach dem Verschwinden des Vaters.
Man beginnt zu begreifen, daß Clay und seinen Vater ein Geheimnis verbindet, von dem die übrigen Brüder nichts ahnen und daß die beiden diese Brücke mit bloßen Händen bauen müssen, nicht nur um eine metaphorische Brücke zurück zu ihrer Familie zu schlagen, sondern um Frieden mit sich selbst zu machen.
An sich fand ich die Geschichte wirklich gut, doch der Stil ließ mich immer wieder verzweifeln. Natürlich ist ein etwas verworrenen Stil schon fast Zusaks Markenzeichen, bei dem immer wieder vorgegriffen wird, in dem die Zeiten ständig wechseln und mit Begriffen, deren Bedeutung für die Charaktere sich erst im Lauf der Geschichte erschließt. Das ist nun nicht neues, damit war zu rechnen…
In „Bridge of Clay“ nehmen diese Insider-Begriffe und das Vorausgreifen allerdings Ausmaße an, daß ich mitunter das Gefühl hatte, ich würde diese Sprache nicht mehr verstehen. Und das lag nicht daran, daß ich das Buch auf Englisch gelesen habe, sondern daß das Foreshadowing in einer Häufigkeit und mit einer Offensichtlichkeit betrieben wurde, daß ich mich immer wieder fragte, ob ich nicht doch etwas überlesen hatte, irritiert zurückblätterte, nichts fand und so nur mühsam weiter kam.
Ich vermute, daß Markus Zusak einfach so lange an dieser Geschichte geschrieben und sie so oft umgearbeitet hat, daß er zwar wusste, was worauf anspielen soll, daß er aber dabei aus den Augen verloren hat, wie sich die Geschichte für den Leser entwickeln sollte.
Bei Hilmar Klute habe ich ja von dem schönen Rühmkorf-Satz gehört: „Was dann nachher so schön fliegt… wie lange ist darauf herumgebrütet worden.“ Auf „Bridge of Clay“ ist meiner Meinung nach allerdings zu lange herumgebrütet worden, und deshalb „fliegt“ die Geschichte für mich auch einfach nicht.
Seit Veröffentlichungstag liegt das Buch bei mir herum, nachdem ich über die ersten 100 Seiten nicht herausgekommen bin. Und das, obwohl ich diese 100 Seiten sogar gut fand. Aber „Nichts weniger als ein Wunder“ – ich lese die deutsche Übersetzung – scheint mir ein Buch zu sein, für das man in einer ganz besonderen Stimmung sein muss. Und in der bin ich derzeit einfach nicht …
Ach, und – ein wenig „off-topic“, wie meine Nachfolgegeneration sagen würde: Hat eigentlich mein Link bzw. Ping zu Deinem Blog bzgl. meiner Rezension von „Eine irische Familiengeschichte“ von Graham Norton geklappt? Im Moment scheint WordPress da so einige technische Schwierigkeiten zu haben …
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Also für mich scheint der Link zu klappen, aber mir sagt WordPress zur Zeit auch nicht, wenn ich was verlinkt habe. Seltsam…
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Gut zu wissen, danke! Nachdem Pings nicht durchkamen und Beiträge teilweise nicht mehr im Reader meiner Leserschaft erschienen, wollte ich nur mal nachgefragt haben. So macht das Bloggen auch nur eingeschränkt Spaß … 😦
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Ich bin vor ein, zwei Monaten auch schier verzweifelt, weil meine Beiträge nur etwa der Hälfte der Leute in meinem Reader angezeigt wurden. Wenn überhaupt.
Ich musste jeden Beitrag fünfmal löschen und wieder posten, bevor er halbwegs zuverlässig angezeigt wurde.
So aufwendig, wie Bloggen ohnehin schon ist, war das natürlich extrem frustrierend!
Nach ein paar Wochen hat es dann aber wieder geklappt.
Seit ein paar Tagen bekomme ich jetzt keine Nachrichten mehr, wenn ich was verlinke, wie es früher der Fall war… Immer was neues…
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Ich glaube, es ist eine ziemliche Bürde, wenn man relativ früh in der Schriftstellerkarriere so einen Erfolg wie „Die Bücherdiebin“ hingelegt hat. Wie will man daran anknüpfen? Alles wird mit dem Vorgänger verglichen. Vermutlich im Vergleich als unzureichend bewertet. Vermutlich versucht man schon während des Schreibens mögliche Kritikpunkte, die später auftauchen könnten, auszuräumen und darüber verliert man vielleicht den Blick für die Geschichte. „Die Bücherdiebin“ ist auch eines meiner Lieblingsbücher und ohne Herrn Zusacks Können mindern zu wollen, aber ich glaube nicht, dass er noch einmal ein ähnliches Meisterwerk hervorbringen kann. Aber Du hast ja geschrieben, dass Du das auch nicht erwartet hast. Lange Rede kurzer Sinn, irgendwie kann Herr Zusack mit dem Nachfolger nur „abbauen“ und in diesem Fall hat er sich wohl selbst noch erschwert.
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Ich bin ganz bewusst mit dem Gedanken an den „Joker“ ran gegangen. Ich hatte gehofft, daß es vielleicht ein bißchen besser werden könnte oder zumindest in der Kategorie ist.
Von der Story her wars auch besser, aber dieser verschwurbelte Stil hat es mir einfach sooo schwer gemacht.
Eigentlich darf man keinem Autor wünschen, ein Buch zu schreiben, das alle lieben, danach ist tatsächlich meistens der Ofen aus. 😅
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Ich kann mir auch gut den Druck vorstellen unter dem der oder die Autor/in dann steht. Jeder erwartet einen neuen Roman, der mindestens genauso gut wie erfolgreich wie das sein soll. Verlag, Leserschaft, man selbst, das persönliche Umfeld vielleicht auch. Da kann man nicht gerade befreit arbeiten.
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Schönes Fazit!
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