Ich weiß schon, daß sich das Thema Menstruation nicht unbedingt großer Beliebtheit erfreut, aber könntet Ihr heute trotzdem ausnahmsweise nicht gleich wegklicken?
Pretty please? (Und an dieser Stelle könnt Ihr Euch vorstellen, wie ich einen furchtbar süßen Rehaugenblick aufsetze.)
Denn auch, wenn Ihr selbst nicht menstruiert, gehe ich doch stark davon aus, daß Ihr in Eurem unmittelbaren Umfeld Menschen habt, die von diesem Thema betroffen sind…
Gedankenexperimente sind schon etwas Schönes.
Manchmal spiele ich ganz abwegige Szenarien in meinem Kopf durch, um zu überlegen, wie man bestimmte moralische Dilemmas wohl lösen würde.
Vor ein paar Jahren hatte ich eines Tages folgende Idee: was wäre, wenn allen Männern der Erde an ihrem 18. Geburtstag der rechte Arm abfallen würde?
Mein erster Gedanke war, daß so ein großer Anteil der Menschheit betroffen wäre, daß wir natürlich alles in unserer Macht Stehende tun würden, um ihnen zu helfen und ein Heilmittel zu finden.
Doch dann überlegte ich: was aber, wenn man so daran gewöhnt wäre, weil es schon immer so war, daß man das Thema komplett ignorieren würde? Das man vielleicht sogar schlechte Witze darüber machen würde…?
„Nein!“, dachte ich. „So schlimm sind wir doch nicht… oder?“
Und im nächsten Moment musste ich schon bitter lachen, denn mir wurde bewusst, daß mein Kopf ein Szenario durchgespielt hatte, mit dem wir es schon lange zu tun haben, nur daß nicht die 18-jährigen Männer, sondern die etwa 12-jährigen Mädchen davon betroffen sind.
Ich erinnere mich noch an den Tag, an dem mich meine Mutter zur Seite nahm, mir mit gesenkter Stimme erklärte, was demnächst auf mich zukommen würde und mir ein kleines Täschchen „für den Notfall“ in den Schulranzen packte.
Mit meinen Mitschülerinnen habe ich damals nicht darüber geredet. Die gesenkte Stimme meiner Mutter hatte mir bereits suggeriert, daß es kein Thema war, über das geredet wurde, dazu kam dann noch die Angst, daß man die letzte sein könnte, die ihre Tage bekommen würde und man sich durch Fragen als Kind zu erkennen gegeben hätte, während alle anderen schon Frauen waren.
In meiner Teenagerzeit, bevor ich anfing Verhütungsmittel zu nehmen, die den wunderbaren Nebeneffekt haben, den Schmerz zu dämpfen, lag ich mehr als einmal im Krankenzimmer der Schule um eine Wärmflasche zusammengekrümmt.
Darüber geredet haben Mädchen wir nie groß.
Und auch jetzt ist es noch so, daß es für viele schwierig ist, sich wegen Regelschmerzen krankzumelden, weil viele Kolleginnen dann mit den Augen rollen und sagen: „Also bitte… damit müssen wir doch alle klar kommen!“
Solidarität zeigt sich allerdings dann, wenn ein kleines Unglück passiert. Auf die Frage, ob denn jemand einen Tampon dabei hat, reagieren selbst wildfremde Frauen und beginnen, in ihren Taschen zu kramen… Schließlich war man vielleicht schon in genau derselben Situation.
Doch die Frage wird nach wie vor sehr diskret gestellt. Ganz anders, als würde man durch einen Laden rufen, ob jemand ein Pflaster dabei hätte.
Warum eigentlich?
Warum senken wir immer die Stimmen, wenn es um Menstruation geht?
Diese Frage hat sich auch Lucia Zamolo gestellt, die mit ihrem wunderbaren kleinen Büchlein „Rot ist doch schön“ dazu beitragen möchte, daß dieses Thema von der nächsten Generation freier und offener diskutiert wird.
Sie erzählt von ihren eigenen Erfahrungen, erklärt was da eigentlich im Körper passiert, gibt Tipps und Tricks, womit man die Schmerzen halbwegs in den Griff bekommen kann und erzählt vom Umgang mit Menstruation in anderen Kulturen.
So wusste ich zwar schon, daß Frauen in Nepal in Menstruationshütten verbannt werden, was mir allerdings völlig neu war ist, daß es in Japan bereits seit 1947 ein Gesetz gibt, das Frauen bei Periodenschmerzen erlaubt, bezahlten Urlaub zu nehmen.
„Rot ist doch schön“ ist informativ, humorvoll, ehrlich und unheimlich liebevoll illustriert. – Ein Buch, das man wirklich jedem Teenager in die Hand drücken sollte, um das Thema Menstruation mit der nächsten Generation von seinem „Darüber spricht man nicht!“-Dogma zu befreien und endlich mal mit sehr lauter Stimme nachzufragen, warum verdammt nochmal wir auf unsere Menstruationstassen, Binden und Tampons eigentlich den erhöhten Mehrwertsteuersatz zahlen müssen?
Was ist denn bitte die Alternative zu diesen „Luxusgütern“?!?
Eine Woche pro Monat in eine Menstruationshütte in die Berge gehen, oder was???
Großes Lob und Dank an dieser Stelle an die Autorin und Illustratorin Lucia Zamolo, die dieses Buch mit soviel Herzblut gemacht hat und an den Bohem Verlag, der dieses schwer zu bewerbende Thema ins Programm genommen hat!