Review: Die Wahrheit über das Lügen

Vor anderthalb Jahren hat sich Benedict Wells mit „Vom Ende der Einsamkeit“ in mein Herz geschrieben. Nun ist gerade sein neustes Buch „Die Wahrheit über das Lügen“ erschienen, in dem er zehn Kurzgeschichten vorlegt.
Ich fragte mich: Schafft es Wells damit genauso zu überzeugen, wie mit seinen Romanen?
Also nichts wie her mit dem Buch und reingelesen!

Zunächst einmal wartete eine kleine Überraschung auf mich, denn in seinen Geschichten wirkt Wells viel freier und experimentierfreudiger.
So macht er auch den ein oder anderen Ausflug in die Welt des magischen Realismus, was er tatsächlich außerordentlich gut kann und mich umso mehr gefreut hat.
Da steigt ein Mann auf einen Berg, während unterdessen sein ganzes Leben – im wahrsten Sinne des Wortes – an ihm vorbei zieht.
Oder eine erfolglose Schriftstellerin wird von der Muse geküsst und muss sich zwischen dem Schreiben und der Liebe entscheiden…

Auch die längste und titelgebende Geschichte „Das Franchise oder: Die Wahrheit über das Lügen“ lässt sich auf ein spannendes Gedankenspiel ein, das vermutlich jeder schon hatte, der „Zurück in die Zukunft“ gesehen hat. Was würde ich tun, wenn ich mit meinem jetzigen Wissen in die Vergangenheit reisen könnte?

Dazwischen gibt es jedoch auch immer wieder kurze Skizzen, beispielsweise über die Einsamkeit einer alten Frau, oder eine Fliege im Limonadenglas wird sinnbildlich für das Scheitern einer Ehe.

Dabei wird schnell klar, warum Benedict Wells ein großartiger Schriftsteller ist, denn er schafft es, die verschiedensten Charaktere wirklich glaubhaft zum Leben zu erwecken.
Meiner Meinung nach krankte die moderne deutsche Literatur ja daran, daß besonders die männlichen Autoren, lange Zeit nur in der Lage waren, über sich selbst zu schreiben.
Ein Buch nach dem anderen, in dem ein mittelerfolgreicher, mittelalter Protagonist sein mittelmäßiges Leben bemitleidet haben will… das will doch nun wirklich niemand mehr lesen!

Benedict Wells ist einer der Autoren, die die Farbe in die deutsche Literatur bringen, die sie dringend nötig hatte. In diesem Sinne: bitte mehr davon!

 

Mehr von Benedict Wells findet ihr hier:

2017-09-04_12.38.35

Review: Becks letzter Sommer

Werbung

Review: Becks letzter Sommer

„Becks letzter Sommer“ wurde mir schon lange von Kollegen empfohlen, aber ich dachte immer: Dieser Benedict Wells ist so ein junger Hüpfer, was kann der schon zu erzählen haben?
Dann las ich Anfang letzten Jahres „Vom Ende der Einsamkeit“ und heulte zwei Tage lang Rotz und Wasser und mir war klar, daß dieser junge Hüpfer verdammt viel zu erzählen hat.

Deshalb habe ich mir als letztes Buch für diesen Sommer „Becks letzten Sommer“ vorgenommen und schnell wurde mir klar, daß dieses Buch alle Zutaten hat zu einem dieser typischen deutschen Herrenromane zu werden, die ich so hasse: ein Typ, der seine Jugend schon länger hinter sich hat stellt fest, daß er seine Träume begraben kann und daß er sein Leben vergeudet hat… Solche Romane habe ich schon viel zu oft gelesen und keinen davon mochte ich.
Doch Benedict Wells hat es tatsächlich geschafft, aus diesen schrecklichen Zutaten ein verdammt gutes Buch zu machen!

Robert Beck ist Ende dreißig, arbeitet als Lehrer, seinen Traum Musiker zu werden hat er schon vor Jahren begraben, da kommt das Wunderkind Rauli in seine Klasse und stellt Becks Leben auf den Kopf.
Der siebzehnjährige Rauli macht Musik zum Niederknien und scheint sich dabei nicht einmal anzustrengen. Alles fliegt ihm nur so zu und Beck begreift, daß er nie das hatte, was Rauli hat, aber daß er ihm helfen kann ein gefeierter Musiker zu werden und so vielleicht auch selbst noch ein Stück vom Kuchen abzubekommen…
Natürlich scheint da das Scheitern vorprogrammiert, doch dann nimmt Wells uns plötzlich mit auf einen absolut verrückten Roadtrip nach Istanbul. 🙂

Ich war wirklich total glücklich mit diesem Buch, obwohl ich am Anfang ziemliche Angst hatte, daß es sich zu einem dieser drögen Herrenromane entwickeln könnte.
Die beiden anderen Bücher von Benedict Wells „Spinner“ und „Fast genial“ werden auf jeden Fall auch noch gelesen!

 

Mehr von Benedict Wells findet ihr hier:

2018-09-06_10.52.32

Review: Die Wahrheit über das Lügen