Der Februar neigt sich dem Ende zu und damit kommt auch mein Black History Month zum Abschluß.
Bei Colson Whiteheads Underground Railroad habe ich viel über das Thema Sklaverei nachgedacht und Yaa Gyasi hat mit Heimkehren die Brücke zur heutigen Zeit geschlagen.
Da machte es zum Abschluß nur Sinn, ein Buch zu lesen, das eine schwarze Familie in der Gegenwart begleitet.
Auf „Sing, Unburied, Sing“ hatte ich schon länger ein Auge geworfen #CoverOpfer 😉 und ausserdem war es ein Lesetipp von Barack Obama, der – das muss man einfach sagen – einen wirklich guten Buchgeschmack hat.
Jojo und seine kleine Schwester Kayla wachsen bei ihren Großeltern auf, denn ihre Mutter Leonie kümmert sich kaum um sie.
Leonie kämpft mit ihrem Drogenproblem, mit der Angst um ihren (weißen) Partner Michael, der im Gefängnis sitzt, dem Rassismus von Michaels Familie, mit der Trauer um ihren ermordeten Bruder, der Angst vor dem bevorstehenden Tod ihrer Mutter…
Als Michael aus dem Gefängnis entlassen wird, packt sie jedoch ihre Kinder ein und fährt quer durch den Bundesstaat, um ihn abzuholen.
Dabei wird die Familie nicht nur von ihren Problemen, sondern auch den Geistern der Vergangenheit verfolgt, und das ist in diesem Fall wörtlich zu nehmen.
Denn immer, wenn Leonie Drogen nimmt, kann sie ihren toten Bruder sehen und auch ihr Sohn Jojo scheint eine Gabe dafür zu besitzen.
Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht von Leonie und Jojo erzählt, und dabei fallen dem Leser sofort die Unterschiede in der Wahrnehmung der beiden auf:
Aus Leonies Perspektive erfährt man die Ohnmacht, mit der sie leben muss. All ihre Probleme und Sorgen scheinen sie zu überwältigen. Sie wäre ihren Kindern gerne eine gute Mutter, doch sie sieht, daß sie diese Chance vertan hat, daß Jojo und Kayla einander genug sind und sie keine Möglichkeit bekommt, in ihren Kreis hineingelassen zu werden. Einzig die Liebe zu Michael scheint ihr Halt zu geben.
Auf der anderen Seite ist da Jojo, der ständig versucht, seine kleine Schwester vor den Launen seiner Mutter zu beschützen, der immer hungrig ist, weil sich Leonie weigert, Essen für die Kinder zu kaufen, der eine Mordswut im Bauch hat, weil seine Mutter nur Augen für Michael hat…
„Sing, Unburied, Sing“ ist nun wirklich kein gemütliches Buch.
Man leidet mit den Figuren mit, man möchte sie am liebsten schütteln und anschreien, in der Hoffnung, daß sich die Situation bessert. Man würde all die ungesagten Dinge gerne hinausschreien, aber man ist als Leser in der selben Ohnmacht gefangen, wie die Charaktere.
Nein, „Sing, Unburied, Sing“ ist absolut keine Wohlfühllektüre und trotzdem ein unglaublich gutes, intensives Buch.
Von mir gibt es jedenfalls eine klare Leseempfehlung!
Deutscher Titel: Singt, ihr Lebenden und ihr Toten, singt