Passend zur Landtagswahl hier in Bayern möchte ich euch heute einen politisch hochbrisanten Roman vorstellen.
Mit „Er ist wieder da“ hat mich Timur Vermes vor sechs Jahren ziemlich geplättet. Bei kaum einem Buch habe ich so gelacht, nur im mich zwei Sekunden später zu schämen, denn Vermes versteht es wie kein Zweiter, dem Leser einen bitterbösen Spiegel vorzuhalten.
Dementsprechend gespannt war ich nun auch auf sein neues Buch „Die Hungrigen und die Satten“, bei dem er sich nichts geringerem als der Flüchtlings-Thematik widmet.
In wenigen Jahren hat es die EU geschafft, die Flüchtlingsrouten dicht zu machen. Bis tief in die Sahara wurde alles abgeriegelt und einen Schlepper kann sich kaum noch jemand leisten. So werden die Lager immer größer, doch an echter Hilfe ist niemand interessiert, solange nur genug Geld fließt, um die Flüchtlinge fern von Europa zu halten.
Nadeche Hackenbusch ist eine dieser typischen C-Prominenten, die man aus Shows wie „Promi Big Brother“ oder dem „Dschungelcamp“ kennt.
In ihrer Fernsehsendung besucht sie nun Flüchtlingsheime und inszeniert sich dort als „Engel im Elend“. Für ein aufsehenerregendes Special haben sich die Produzenten aber etwas ganz besonderes ausgedacht: Nadeche soll nach Afrika reisen und dort aus dem größten Flüchtlingslager der Welt berichten.
Die Fernsehmacher stellen sich eine leicht verdauliche Show vor, in der Nadeche Mode an Flüchtlingsfrauen präsentieren soll, doch vor Ort wächst das an sich recht naive und egozentrische Fernsehsternchen über sich hinaus und beschließt, wirklich helfen zu wollen. Doch wie?
Da hat ihr Übersetzer, der Flüchtling Lionel, eine geniale Idee.
Er organisiert einen Fußmarsch nach Europa, dem sich 150.000 Leute aus dem Lager anschließen.
Das Fernsehen ist natürlich live dabei und „Engel im Elend“ entwickelt sich zum absoluten Quotenhit, an dem sich Deutschland und der Rest der EU scheidet.
Denn während viele Menschen mit den Flüchtlingen und Nadeche Hackenbusch mitleiden, wächst in weiten Teilen der Bevölkerung die Angst vor der anrollenden Flüchtlingswelle.
PEGIDA erhält enormen Zulauf, immer mehr Menschen radikalisieren sich, das Land droht zu zerreissen.
Einzig Innenminister Leubl scheint in dieser Situation einen klaren Kopf zu behalten und schlägt ein radikales Umdenken vor.
Doch kann diese Geschichte überhaupt gut ausgehen…?
„Die Hungrigen und die Satten“ ist ein Buch, das es wirklich in sich hat.
Während ich „Er ist wieder da“ seinerzeit in nur zwei Tagen durchgelesen habe, musste ich mir für dieses Buch mehr Zeit nehmen, so nahe ging es mir stellenweise.
Auch wenn es leicht zu lesen ist und für den ein oder anderen Lacher sorgt, ist es doch deutlich düsterer und beklemmender als sein Vorgänger. Vermutlich, weil die Geschichte nicht so weit hergeholt ist, oder wie Vermes in einer kleinen Randnotiz am Anfang des Buches schreibt: „Es ist durchaus möglich, daß alles ganz anders kommt.
Es ist nur nicht wahrscheinlich.“
Hut ab vor Timur Vermes für dieses schonungslose Buch!
Wohlfühllektüre sieht definitiv anders aus, aber trotzdem, oder vielleicht genau deswegen, gibt es von mir eine dringende Leseempfehlung!
PS: An dieser Stelle auch nochmal ein kleines Hoch! an den Eichborn Verlag, der sich wieder einmal etwas ganz außergewöhnliches hat einfallen lassen, und das Cover in Maschendraht-Haptik gestaltet hat!
PPS: „Er ist wieder da“ lief bei uns als Hörbuch immer rauf und runter. Christoph Maria Herbst liest wirklich genial und deshalb war ich sehr begeistert, daß mir der Eichborn Verlag, bzw. Bastei Lübbe auch gleich noch ein Hörexemplar von „Die Hungrigen und die Satten“ hat zukommen lassen.
Ich habe es mir in einer Nacht- und Nebelaktion, in der ich durch drei Länder gefahren bin, um bei einer Freundin zu sein, angehört und auch hier liefert Herbst wieder erstklassige Vorlesekunst ab. Große Empfehlung!