In letzter Zeit habe ich ja einige wirklich gute Autobiografien gelesen, deshalb umschlich ich „Beifang – Eine Kindheit wie ein Roman“ von Lisa Brennan-Jobs schon seit Längerem.
Zwar war das Buch recht gut besprochen worden, andererseits finde ich es immer schwierig, wenn die Kinder berühmter Eltern aus dem Nähkästchen plaudern.
Oft wird es zu einer Abrechnung mit der Vergangenheit oder der Leser kann sich des Gefühls nicht erwehren, daß da jemand versucht, sich ein Stückchen vom Ruhm abzuschneiden.
Dann entdeckte ich „Beifang“ auf der New York Times Liste der zehn besten Bücher des letzten Jahres. Das einzige andere Buch, das ich aus dieser Auswahl gelesen hatte, war Befreit – Wie Bildung mir die Welt erschloss von Tara Westover, welches mich schwer beeindruckt hatte.
Als mir der Berlin Verlag dann „Beifang“ nochmal ans Herz legte, dachte ich: Wenn es mit „Befreit“ mithalten kann, dann sollte ich diesem Titel doch eine Chance geben…
Als Lisas Mutter erfährt, daß sie schwanger ist macht sich der Vater ihres Kindes auf und davon. Trotz eines positiven Vaterschaftstests verleugnet er seine Tochter, bis er plötzlich doch einwilligt, 500 Dollar Unterhalt im Monat zu zahlen.
Zwei Wochen später geht Apple an die Börse und Steve Jobs wird über Nacht zum Multimillionär.
Lisa und ihre Mutter, die ihre Ausbildung nicht abschließen konnte, sind über große Teile von Lisas Kindheit von Sozialhilfe abhängig, während Steve Jobs zum Milliardär wird.
Für Lisa ist ihr Vater über Jahre hinweg nur eine Fabelgestalt. Auf dem Schulhof erzählt man, daß er sich jedesmal einen neuen Ferrari kauft, wenn der alte einen Kratzer hat, doch von diesem angeblichen Luxus sieht Lisa nur wenig.
Gelegentlich besucht Steve seine Tochter und unterstützt sie und ihre Mutter finanziell wenn ihm danach ist, aber all das ist seinen Launen unterworfen, die absolut unvorhersehbar sind.
Erst als Lisa bereits ein Schulkind ist, beginnt ihr Vater, regelmäßigen Kontakt mit ihr zu haben. Doch wer nun erwartet, daß sie zwischen Armut bei der Mutter und Luxus beim Vater hin und her pendelt, der irrt.
Denn Steve kann ebenso freigiebig wie knauserig sein.
Jahrelang muss Lisa in einem kalten Zimmer schlafen, weil sich ihr Vater weigert, die Heizung reparieren zu lassen. Das selbe trifft für den Geschirrspüler zu.
Als es Lisa nach Jahren des Geschirrspülens von Hand doch irgendwann zu bunt wird und sie eigenmächtig den Techniker ruft, der die Maschine innerhalb von zehn Minuten repariert, lässt ihr Vater eine Woche darauf den Geschirrspüler durch einen neuen ersetzen.
Von ähnlichen kleinen Schikanen wimmelt es nur so in dem Buch.
Als sich Lisa im Teenageralter entschließt, dauerhaft bei Steve und dessen neuer Frau zu wohnen muss sie fast täglich kleine Tests bestehen, die beweisen sollen, daß sie dieser Familie würdig ist. Die vermutlich grausamste Forderung ihres Vaters ist, daß sie den Kontakt zu ihrer Mutter für ein halbes Jahr abbricht.
Lisa tut alles, um Steve zu gefallen und Teil seiner neuen Familie zu werden, doch alles unterliegt den Launen ihres Vaters.
Nun muss aber auch gesagt werden, daß Lisa Brennan-Jobs Steve in diesem Buch nicht verteufelt.
Immer wieder beschreibt sie auch sehr enge, zärtliche Momente mit ihm und erzählt von einer tiefen Verbundenheit.
Diese kann allerdings bereits am nächsten Tag wieder von einer Laune zerstört werden.
Ich finde es immer recht schwer, diese Art von Büchern auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Steve Jobs Witwe Laurene widerspricht Lisas Darstellung vehement.
Es wäre spannend zu hören, was die Halbgeschwister von „Beifang“ halten.
Für mich klang das Buch allerdings recht plausibel.
Lisa Brennan-Jobs betreibt keine große Effekthascherei. Es scheint, als würde sie in diesem Buch lediglich versuchen, die schwierige Beziehung zu ihrem Vater für sich aufzuarbeiten.
Des Geldes wegen hat sie „Beifang“ jedenfalls bestimmt nicht geschrieben.
Trotz des bis zum Ende schwierigen Verhältnis zwischen Vater und Tochter, hinterließ Steve Lisa wohl mehrere Milliarden Dollar.
„Beifang“ ist ein recht ruhiges Buch, ohne greifbaren Höhepunkt.
Ich saß beim Lesen nicht mit offenem Mund da, wie bei Befreit, trotzdem fühlte ich mich vom ersten Kapitel an mit Lisa Brennan-Jobs verbunden.
Sie gibt in diesem Buch einen sehr persönlichen Einblick in die unwirkliche Welt der Superreichen, die sie trotz der Nähe zu ihrem Vater bis zuletzt immer nur als Randfigur miterlebte.