Review: Hundert Augen

Zugegeben, manchmal hat man Autoren und Titel einfach nicht auf dem Schirm. Doch dann stolpert man über ein Cover, an dem man einfach nicht vorbeigehen kann und entdeckt dabei ein Lesehighlight. So ging es mir mit „Hundert Augen“.

In ihrem neusten Roman erfindet die argentinische Autorin Samanta Schweblin eine technische Spielerei, die Menschen auf der ganzen Welt auf eine innovative Weise miteinander vernetzen soll: die Kentukis.
Diese Plüschtiere sind mit Rädern, Kamera und Mikro ausgestattet und lassen sich über das Internet steuern. Eigentlich ist das doch nichts Neues, mag man denken, doch die Kentukis funktionieren nach einem einzigartigen Prinzip: Derjenige, der das Kentuki kauft und der, der es über das Internet steuert
wissen zunächst einmal nichts voneinander, denn Geräte und Zugangscodes werden getrennt voneinander verkauft und nach dem Zufallsprinzip miteinander verbunden. Da die Kentukis nur ein „Leben“ haben und sowohl die Geräte, als auch die Zugangscodes nicht mehr aktivierbar sind, sollte die Verbindung einmal unterbrochen werden, entwickeln sich zwischen den Besitzern und ihren Kentukis oft enge Bande, fast wie bei einem Haustier.

In „Hundert Augen“ folgen wir fünf Protagonisten ab der Inbetriebnahme ihres Kentukis. Da sind Emilia, eine ältere Frau, deren Sohn weit weg lebt und den sie sehr vermisst und der kleine Marvin, dessen Mutter gestorben ist und der sich seitdem furchtbar alleine fühlt. Beide steuern Kentukis in völlig verschiedenen Erdteilen; während Emilia ihre Nachmittage nun in der Wohnung einer jungen deutschen Frau verbringt, für die sie schon bald mütterliche Gefühle entwickelt, steuert Marvin ein Kentuki in Norwegen, das zunächst in einem Schaufenster gefangen ist und das der Junge auf eine abenteuerliche Reise in den Schnee schicken will.

Enzo und Carmen sind dagegen Besitzer von Kentukis. Enzo zunächst eher gegen seinen Willen, da seine Exfrau darauf besteht, daß er ein solches Gerät als Haustierersatz für den gemeinsamen Sohn besorgt. Doch schon bald hat Enzo das Gefühl in seinem neuen Gefährten eine wunderbare Ergänzung zur Familie gefunden zu haben.
Carmen dagegen kauft sich ihr Kentuki eher aus Langeweile. Da ihr Mann ein Stipendium in Mexiko erhalten hat, sitzt sie nun mit ihm in einer Künstlerkolonie fest, in der sie kaum Anschluss findet. Doch schon bald bereut sie ihre Entscheidung und beginnt all ihren Frust auf den Kentuki zu projizieren.

Grigor dagegen verdient sein Geld mit einer schlauen Geschäftsidee; denn viele Menschen wollen nicht die Katze im Sack kaufen. Also kauft er Zugangscodes für Kentukis, spioniert diese aus und schreibt Steckbriefe, die seine Kunden informieren, in welchen Land sich das Gerät befindet, mit wie vielen Personen welcher Altersgruppe es zusammenlebt, in welchem sozialen Umfeld es sich bewegt und was es dort alles zusehen gibt. Die Zugangscodes mit diesen Informationen verkauft er dann für ein Vielfaches des regulären Preises an Kunden, die ganz gezielte Vorstellungen haben, was sie sehen und erleben wollen.

Neben diesen fünf Geschichten, deren Kapitel sich immer wieder abwechseln, gibt es noch weitere, einzelne Episoden aus dem Kentuki-Kosmos und die sind so unterschiedlich, wie die Menschen selbst. Mal verlieben sich zwei Kentukis ineinander, mal beginnt eines, den Besitzer zu erpressen und fast immer versuchen die Kentukis und ihre Herren, Kontakt miteinander aufzunehmen und zeigen sich dabei von ihrer besten, oft genug aber von ihrer schlechtesten Seite.

„Hundert Augen“ war wohl eines meiner intensivsten Leseerlebnisse dieses Jahr. Sofort stellt man sich die Frage, was man denn selbst wohl lieber wäre? Ein Kentuki oder sein Herr?
Ist man voyeuristisch genug, um das Leben einer Person oder auch deren ganzer Familie mehrere Stunden am Tag zu beobachten oder ist man so exhibitionistisch, einem völlig Fremden uneingeschränkten Zugang zu seinem Privatleben zu geben.
Schnell stoßen auch die Protagonisten in „Hundert Augen“ an ihre Grenzen und das sorgt beim Lesen immer wieder für Gänsehautmomente.

Dabei nimmt sich Samanta Schweblin sehr zurück, sie verzichtet darauf, die Emotionen der Charaktere lang und breit zu schildern, sondern lässt den Leser die Geschichten unmittelbar miterleben und so selbst in die Rolle des Protagonisten versetzen.
Durch diese erzählerisch direkte Art, in der man ständig Grenzsituationen durchlebt, wurde „Hundert Augen“ zu einem der Bücher, die mich dieses Jahr wohl am meisten beeindruckt haben und das mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird.

Mehr zu diesem Buch erfahrt ihr übrigens auch in der neusten Folge von „Seite an Seite“:
#19 „100 Augen – 100 Punkte“

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Kurz und knapp: Empfehlungen aus dem Podcast #1

In den letzten Monaten war ich ja auf diesem Blog nur recht sporadisch aktiv.
Der Grund dafür war in erster Linie der Lockdown, durch den ich drei Monate lang keine freie Minute für mich hatte.
Ich kann mich wirklich nur vor den Laptop setzen und konzentriert schreiben, wenn kein Kind um mich herumspringt und meine Aufmerksamkeit fordert. Ach ja, und natürlich wäre es dazu auch hilfreich, tatsächlich vor einem Laptop sitzen zu können. Wenn der aber vom großen Sohn beansprucht wird, um seine Schulaufgaben machen zu können, dann wird schnell klar, daß für das Bloggen kaum Zeit bleibt.

Ein weiterer Grund, der zu der Corona-Krise dazu kam, war daß der Seite an Seite – Podcast meines Kollegen Andi und mir Anfang März seinen Relaunch erlebte und seitdem ganz professionell von Hugendubel produziert wird.
Während Andi und ich also früher in unseren „Wohnzimmerfolgen“ einfach losredeten und uns keinerlei Gedanken über Form und Gliederung machten, werden die neuen Episoden natürlich wesentlich intensiver vorbereitet. Dazu gehört auch, daß wir ein Skript schreiben, um unserer Redakteurin eine Art Fahrplan für die Folge zu geben und auch um uns abzustimmen, über welche Themen wir diskutieren wollen.
Nun ist es so, daß sich die Skripte, die wir schreiben, einfach nicht auf den Blog übertragen lassen. Dazu sind sie viel zu stichpunktartig und zu unvollständig.
Wenn ich dann aber bereits ein Skript zu einem Buch angefertigt und auch schon im Podcast ausführlich davon erzählt habe, stelle ich inzwischen fest, daß ich bei den meisten Titeln wenig hinzufügen kann. Es fühlt sich dann für mich fast so ein, als würde ich nur noch vom Podcast abschreiben.
Deshalb dachte ich, daß es doch schön wäre, die Titel an dieser Stelle noch einmal kurz und knapp vorzustellen und wenn ihr Lust bekommen habt, mehr zu erfahren, dann könnt ihr das ganz einfach in der entsprechenden Podcast-Folge tun.

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Jasmin Schreiber – Marianengraben

In unserer ersten professionellen Folge, die ihr als Folge #5 hören könnt (immerhin hatten wir vier Episoden bereits mit liebevollem Dilettantismus und wenig Ahnung von Schnittprogrammen in Andis Wohnzimmer aufgenommen) stellte ich Jasmin Schreibers Debütroman „Marianengraben“ vor.

Darin wird die Geschichte von Paula erzählt, die nicht über den Tod ihres kleinen Bruders Tim hinwegkommen kann. Als sie aber eines Nachts auf dem Friedhof einbricht, macht sie eine Begegnung, die ihrem Leben eine völlig neue Richtung geben und sie auf einen unerwarteten Roadtrip schicken wird.

In „Marianengraben“ gelingt Jasmin Schreiber der Spagat zwischen Humor und Traurigkeit perfekt. Ich habe gelacht, ich habe geweint, ich habe die schönsten Sätze daraus auswendig gelernt… Was will man mehr?

Nachzuhören in Folge #5 Nackt im Hotel Corona

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Katya Apekina – Je tiefer das Wasser

Kaum tauchen wir aus dem Marianengraben auf, erwarten uns schon die nächsten Abgründe mit Katya Apekinas literarischen Erfolgsdebüt „Je tiefer das Wasser“.

Als sich ihre Mutter versucht, das Leben zu nehmen, werden die Schwestern Edie und Mae von Louisiana nach New York geschickt, wo sie von nun an bei ihrem Vater, einem berühmten Schriftsteller, leben sollen. Zu dem hatten die beiden zwar keinerlei Kontakt seit er die Familie kurz nach Maes Geburt verließ, trotzdem kümmert er sich sofort rührend um seine Töchter. Es scheint, als wolle er die verlorenen Jahre wieder gutmachen, doch seine immer besitzergreifendere Art bereitet Edie schnell Kopfzerbrechen. Sie sieht ihre Loyalitäten klar bei der Mutter und bricht auf, um sie aus der Nervenklinik zu befreien. Doch ab dem Zeitpunkt, an dem die Schwestern voneinander getrennt sind, entwickelt sich zwischen den Mädchen und dem jeweiligen Elternteil eine immer verstörender werdende Dynamik.

„Je tiefer das Wasser“ ist ein Roman, der dem Leser die volle Dramatik der Geschichte nur nach und nach preisgibt. Erzählerisch macht das Katya Apekina mit verschiedenen Erzählebenen und Perspektiven so gekonnt, daß ich fast gar nicht glauben kann, daß dies ihr erster Roman ist.
Ich bin jedenfalls schon sehr gespannt darauf, was wir von dieser Autorin noch alles in Zukunft erwarten dürfen.

Nachzuhören in Folge #6 Germanys next Lovestory

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Angie Kim – Miracle Creek

Ein Gesellschaftsroman, der auch ein Thriller sein könnte, ist „Miracle Creek“ von Angie Kim. Darin geht es um die Bewohner der Kleinstadt Miracle Creek, in der ein schreckliches Unglück passiert ist: bei einer Explosion starben zwei Menschen, darunter der achtjährige Henry. Nun ist ausgerechnet seine Mutter Elizabeth wegen Mordes angeklagt; doch ist der Fall wirklich so klar, wie es zunächst den Anschein hat?

Als die Betroffenen ihre Aussagen machen, begreift man als Leser schnell, daß jeder etwas zu verheimlichen hat und das der Fall nur gelöst werden kann, wenn man die Widersprüche in den Aussagen aufdeckt und so der Wahrheit auf die Spur kommt.
Ein wirklich spannender und überraschend vielschichtiger Roman, der mich ein wenig an „Das Verschwinden der Stephanie Mailer“ von Joël Dicker erinnert hat.

Nachzuhören in Folge #8 Üble Überraschung

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James Baldwin – Giovannis Zimmer

Einen modernen Klassiker haben sich Andi und ich in Folge #9 mit „Giovannis Zimmer“ von James Baldwin vorgenommen.

„Giovannis Zimmer“ zählt als einer der Klassiker der schwulen Literatur und wäre in den 1950er Jahren beinahe nicht erschienen; immerhin riet Baldwins Verleger ihm, das Manuskript zu verbrennen. Nun werden Baldwins Werke seit zwei Jahren in einer großartigen Neuübersetzung von Miriam Mandelkow bei dtv neu aufgelegt.

David ist ein amerikanischer Auswanderer, der gemeinsam mit seiner Verlobten in Paris lebt. Als die aber alleine Urlaub in Spanien macht, verliebt sich David in Giovanni, bei dem er auch eine Zeitlang unterkommt.
Es ist nicht die erste homosexuelle Erfahrung für David, doch in den USA, wo Beziehungen zwischen Männern bei Strafe verboten sind, hat er einen regelrechten Hass auf sich und seine Gefühle entwickelt. Im liberalen Paris sieht er zum ersten Mal die Möglichkeit zu leben, ohne einen Teil seiner selbst verleugnen zu müssen. Trotzdem fühlt er, daß die Zeit mit Giovanni schon bald ein Ende finden wird.

„Giovannis Zimmer“ liest sich – trotz seiner mittlerweile siebzig Jahre – immer noch unheimlich modern, was man wohl der wirklich großartigen Neuübersetzung zuschreiben muss. Doch der innere Kampf, den David mit sich ausfechten muss, lässt einen die Unterdrückung, die queere Menschen noch vor einigen Jahrzehnten erfahren mussten, auf eine fast schon beklemmende Weise miterleben.
Baldwins berühmtestes Buch ist daher keine leichte Lektüre, aber eine absolut lohnende!

Nachzuhören in Folge #9 Fast untergegangene Bücher

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Franziska Hauser – Die Glasschwestern

Dunja und Saphie sind Zwillinge, doch sie haben auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam. Dann aber sterben die Männer der beiden am selben Tag völlig überraschend; ein Ereignis, das die Schwestern völlig aus der Bahn wirft.
Saphie, die ein Hotel in der Kleinstadt im ehemaligen deutsch-deutschen Grenzgebiet leitet, in der die Zwillinge aufgewachsen sind, stürzt sich in die Arbeit, während Dunja zunächst einmal gar nicht mehr weiß, was sie nun tun soll. Ihre Kinder sind fast erwachsen und behandeln die Mutter wie eine unliebsame Mitbewohnerin, auf die Arbeit als DaF-Lehrerin kann sie sich nicht wirklich konzentrieren und plötzlich steht die Frage im Raum, ob es nicht Zeit ist, noch einmal neu anzufangen.
Und so zieht Dunja in das Hotel ihrer Schwester, um sich neu zu orientieren, doch nach und nach scheint es, als müssten die Zwillinge das Leben der jeweils anderen übernehmen, um wieder glücklich werden zu können.

„Die Glasschwestern“ ist ein Roman, der viele Themen anschneidet: Tod, Trauer, Depression und die Abnabelung der Kinder, der aber auch auf die deutsche Geschichte kurz vor der Wende eingeht und sich mit Flucht und Verrat beschäftigt. Lauter schwierige Themen, so könnte man meinen, trotzdem liest sich dieses Buch mit einer regelrechten Leichtigkeit und unbeschwertem Humor. Denn – das wird schnell klar – die beiden Schwester und ihre Familie lieben sich trotz all des Dramas und als Leser kann man nicht anders, als sich zu wünschen, Teil dieser Familie zu sein.

Nachzuhören in Folge #9 Fast untergegangene Bücher

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Mariam Kühsel-Hussaini – Tschudi

Ende des 19. Jahrhunderts hat der Leiter der Nationalgalerie in Berlin, Hugo von Tschudi, den ehrgeizigen Plan, die besten Vertreter des neuen französischen Impressionismus in sein Museum zu holen. Er ist begeistert von Monet, Manet, Renoir und Degas und erkennt als einer der Ersten, wie revolutionär diese neue Kunstform ist. Doch das ruft auch viele Neider auf den Plan. Schon bald entwickelt sich die Frage, ob diese Gemälde ausgestellt werden sollen, zu einem Politikum, das sich bis in die höchsten Kreise um Kaiser Wilhelm II. zieht.

Auch als begeisterter Kunst- und Museumsfan muss ich zugeben, daß ich zuvor noch nie von Hugo von Tschudi gehört hatte. Und das, obwohl die Bilder von van Gogh oder Degas, die ich schon oft in der Neuen Pinakothek in München gesehen hatte, dank der Tschudi-Spende nach München kamen, wo er Museumsleiter wurde, nachdem er in Berlin in Ungnade gefallen war.
Dabei war Hugo von Tschudi ein absolut faszinierender Charakter: zwar war er mit allen bedeutenden Künstlern der damaligen Zeit befreundet oder zumindest bekannt, trotzdem gibt es kein Porträt von ihm, da sein Gesicht von Lupus völlig entstellt war.

Mariam Kühsel-Hussaini schreibt über diesen faszinierenden Mann in einem Stil, der wie mit dem Pinsel eines Impressionisten aufgetragen scheint; sie erschafft neue Worte und spielt begeistert mit den Möglichkeiten der Sprache.
Es würde mich wirklich wundern, wenn dieser Titel nicht auf der Longlist des Deutschen Buchpreises auftauchen würde.

Nachzuhören in Folge #10 First Date im Fetischshop

 

Review: Die Schönheit der Begegnung

Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt?
Diese Frage wird vielen frisch verliebten Paaren gestellt und alle haben dann eine ganz einzigartige Geschichte zu erzählen.

Auch Frank Berzbach, den man von seinen Sachbüchern „Die Kunst, ein kreatives Leben zu führen“ oder „Die Form der Schönheit“ kennt, fand die Geschichte wie er seine Freundin kennengelernt hat, wäre es wert aufgeschrieben zu werden. Ein Geburtstagsgeschenk für die Liebste sollte es sein; ganz privat und bestimmt nicht zur Veröffentlichung gedacht.
Also begann er, die Geschichte dieses Kennenlernens aufzuschreiben und merkte schnell, daß vielleicht mehr dahinter steckte, als eben nur dieser eine Moment.
Und so schrieb Frank Berzbach eine weitere Fassung. Und dann noch eine. Und noch eine…
Am Ende waren es ganze 32 Variationen, die er drucken und binden ließ und seiner Freundin schenkte. Ein sehr persönliches Geschenk, von dem die Verlegerin Julia Eisele Wind bekam und Frank Berzbach überreden konnte, das Ganze doch auch für ein größeres Publikum herauszugeben.

Dabei entstand dieser wirklich ganz wunderbare Band, in dem der Ich-Erzähler 32 mal von der ersten Begegnung mit seiner großen Liebe Linh erzählt.
Langweilig wird es für den Leser aber nie, denn auch wenn die Prämisse immer die gleiche bleibt, so unterscheiden sich die Orte und Umstände unter denen sich die Protagonisten begegnen, in jeder neuen Geschichte deutlich von der vorherigen.
Da kann das erste Treffen an so banalen Plätzen wie an einer Pommesbude oder in einem Café stattfinden, oder an so ausgefallenen Orten wie in einem Kloster bei christlichen Orientierungstagen oder in einem Fetischshop.
Auch die Art und Weise, wie sich die beiden Liebenden einander nähern variiert von Mal zu Mal. Ist es in einer Geschichte noch ein leidenschaftlicher Impuls, der Linh und den Erzähler gleich am ersten gemeinsamen Abend im Bett landen lässt, zieht es sich das Kennenlernen in der nächsten Episode vielleicht über Wochen oder Monate hin.
In einer Geschichte, die mir unheimlich gut gefallen hat, werden die beiden auch erst im hohen Alter ein Paar.

Jede dieser Variationen ist nur sehr kurz, gerade einmal fünf, sechs Seiten lang. Trotzdem fühlte ich mich nie unvermittelt aus einer Geschichte herausgerissen, wie es für mich bei Kurzgeschichten sonst oft der Fall ist. Denn auch wenn die Berufe und Orte ständig wechseln, gibt es verbindende Themen und Figuren, die in beinahe jeder Variation auftauchen, wie beispielsweise die Romane von Paul Auster und Haruki Murakami, die Beatles, die Liebe zu Tee und guter Musik oder die Tätowiererin Ada.
Als Leser fallen einem mehr und mehr Parallelen aber auch Unterschiede zwischen den Episoden auf und man beginnt zu rätseln, welches denn nun die wahre Geschichte sein könnte.

„Die Schönheit der Begegnung“ hat mir unheimlich viel Freude bereitet.  Ich bin geradezu durch das Buch geflogen und konnte es kaum erwarten, gleich in die nächste Variation einzutauchen.
Frank Berzbachs neustes Buch garantiert kurzweilige Unterhaltung, die die Schönheit des Augenblicks und des Alltäglichen feiert. Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung!

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Übrigens: Im Seite an Seite – Podcast sprechen mein Kollege Andi und ich auch nochmal ganz ausführlich über „Die Schönheit der Begegnung“.
Hört doch mal rein:
Folge #10 First Date im Fetischshop
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