Ach, April… (Heute mit einer sehr persönlichen Geschichte)

Ach, der April…
Das Wetter schwankt zwischen Tagen, die so warm sind, daß man kaum ohne Sonnenschirm auf dem Balkon sitzen kann und welchen mit Schneegestöber. Mein Kopf fühlt sich wie in Watte gepackt an, was vielleicht am Wetter liegt, oder auch daran, daß ich meine freie Woche nicht etwa mit dem pünktlichen zusammenschreiben meiner April-Bücher verbracht habe, sondern damit, meine Oma auf ihrem letzten Weg zu begleiten.

Meine Oma ist neunzig Jahre alt geworden und hatte ein recht erfülltes Leben, trotzdem fiel mir der Abschied schwer, weil wir uns im letzten Jahr nur zweimal sehen konnten.
An dem Tag, an dem wir meine Oma ins Pflegeheim brachten, waren wir alle traurig und ich versprach ihr, sie jede Woche zu besuchen. Am folgenden Wochenende wurde der erste Lockdown verhängt und so wurde nichts aus diesem Versprechen…
Natürlich war ich unheimlich froh, zu wissen, daß meine Großmutter gut versorgt wurde. Trotzdem: Gebrochene Versprechen – selbst wenn man nichts dafür kann – drücken sehr aufs Gemüt.
Im Sommer musste meine Oma für ein paar Tage ins Krankenhaus, wo mehr als nur eine Kontaktperson zugelassen war. Als ich sie dort besuchte, sagte sie mir, daß sie nur noch einmal gerne die Kinder sehen wollte. Es war Sommer, die Fallzahlen sanken und ich war naiv genug zu glauben, daß es kein Problem sein dürfte, meine Oma spätestens an Weihnachten zu uns zu holen. – Tja, ich war jung und dumm.
Als klar wurde, daß ich weder meine Oma aus dem Pflegeheim holen, noch meine Kinder hineinbringen konnte, begannen meine Mutter, die als Kontaktperson ins Pflegeheim durfte, die Pflegerinnen und ich einen Plan auszuhecken, daß meine Großmutter und meine Kinder sich doch noch einmal sehen konnten.
Letztendlich schafften wir es an Heiligabend, für ein paar Minuten zusammen  zu sein, wenn auch nur durch eine dicke Glasscheibe.
Ich weiß, daß viele den Kopf darüber schütteln, wie schwierig es ist, derzeit Treffen mit Personen in Pflegeeinrichtungen zu arrangieren, aber ich hatte immer absolutes Verständnis für die Vorsichtsmaßnahmen, die im Pflegeheim getroffen werden mussten. Dort sind eben nicht nur Menschen, die ohnehin nur noch ein Weihnachtsfest vor sich haben, das sie gerne mit ihrer Familie verbringen würden, sondern auch viele Patienten die nur in Kurzzeitpflege sind und auch die Pflegekräfte, die wirklich unglaubliche Arbeit leisten und die sich unfassbar lieb um meine Oma gekümmert haben.
Solche Menschen zu schützen darf man in dieser Situation nie aus den Augen verlieren.

Als dann letzte Woche die sogenannte „Sterbesituation“ eintrat, durften meine Mutter und ich dann auch auf die Station. Natürlich nicht ohne jeden Tag getestet zu werden.
Ich bin unheimlich dankbar, daß ich diese Tage noch mit meiner Oma verbringen konnte, auch wenn sie gegen Ende hin hauptsächlich schlief.
Ihre letzte Bitte an mich: „Immer schön die Blumen auf meinem Grab gießen.“ – Ach, Oma. Ja, mach ich.

Keine Ahnung, wie ich jetzt die Brücke zurück zu meinen April-Büchern schlagen soll, aber wie das Wetter, so hat auch mein Leseverhalten in der letzten Woche extrem geschwankt. Von 0 bis 300 Seiten an einem Tag war alles dabei, je nachdem, ob ich die Ablenkung dringend brauchte, oder ich meinen Gedanken nachgehangen bin.
Dementsprechend habe ich die Hälfte meines Aprilstapels dann auch schon gelesen.

Beginnen wir doch mit dieser Schönheit: „Frühling“ von Ali Smith.
Nach „Herbst“ und „Winter“ ist „Frühling“ der dritte Teil von Smiths Jahreszeitenquartett und während ich bei „Herbst“ ständig das Gefühl hatte, daß die Handlung an mir vorbeiplätscherte, habe ich „Winter“ regelrecht durchgesuchtet und nicht verstehen können, warum diese Frau noch keinen Literaturnobelpreis hat. – Vielleicht hört sich das jetzt übertrieben an, aber so etwas Kreatives und erzählerisch verspieltes habe ich selten gelesen.
Jetzt bin ich auf „Frühling“ gespannt. Für manche ist es der beste, für andere der schlechteste Teil des Quartetts. Mal sehen, in welche Richtung ich tendiere.

An den nächsten Romanen kommt man in diesem Frühjahr nicht vorbei: „Über Menschen“ von Juli Zeh und „Der große Sommer“ von Ewald Arenz.
„Über Menschen“ erinnert von Titel her natürlich sehr an „Unterleuten“ und auch dieses Buch handelt vom Stadt-Land-Gefälle, allerdings geht es hier auch um völlig neue Themen.
Wer sich vorher gefragt hat, in welchem Buch ich denn 300 Seiten am Stück gelesen habe: in „Über Menschen“!
Bald gibt es dann eine ausführliche Rezension von mir.
„Der große Sommer“ ist das neuste Buch von Ewald Arenz, der ja mit „Alte Sorten“ ein Buch geschrieben hat, das für viele Leser zum absoluten Lieblingstitel wurde. Ich muss ganz ehrlich sagen, daß ich „Alte Sorten“ noch gar nicht gelesen habe. – Vermutlich, weil die Erwartungshaltung inzwischen zu hoch ist. Wer kennt das nicht?
Wenn es dann hoffentlich bald wieder wärmer wird, werde ich mich aber definitiv dem „Großen Sommer“ widmen.

Zwei weitere Titel, die dieses Frühjahr in aller Munde sind, kommen aus dem KiWi Verlag: „Eurotrash“ von Christian Kracht und „Komplett Gänsehaut“ von Sophie Passmann.
Nach 25 Jahren hat Kracht mit „Eurotrash“ die Fortsetzung von „Faserland“ vorgelegt, welches ich damals am Anfang meiner Ausbildung als Hörbuch gehört (als Kassetten auf meinem knallgelben Walkman, während ich durch die Gegend geradelt bin, weil ich noch keinen Führerschein hatte) und leidenschaftlich gehasst habe!
Als Andi „Faserland“ im Seite an Seite-Podcast mit Leif Randts „Allegro Pastell“ verglich, konnte ich das nicht unterschreiben. „Allegro Pastell“ troff vor Ironie, während ich „Faserland“ furchtbar selbstgefällig fand.
Nun habe ich allerdings die leise Hoffnung, daß sich „Eurotrash“ selbst nicht so schrecklich ernst nimmt; der erste Absatz scheint das zumindest nahezulegen.

Ebenfalls knallgelb und als ganz großartiges Hörbuch kommt „Komplett Gänsehaut“ von Sophie Passmann daher. (Was für eine Überleitung!)
Ihre Titel „Alte weiße Männer“ und „Frank Ocean“ hat Sophie ebenfalls selbst eingesprochen und wurden von mir gehört und geliebt, „Komplett Gänsehaut“ fand ich dann als Hörbuch so unfassbar witzig und böse, daß ich auch unbedingt das Buch besitzen wollte.
Auch zu diesem Titel gibt es schon bald eine Rezension.

Zu guter Letzt gibt es noch eine wunderschöne neue Graphic Novel von Tillie Walden: „Auf einem Sonnenstrahl“.
Es geht um eine Crew von Weltraumruinen-Restauratoren, was sich zunächst erstmal recht seltsam anhört, aber in erster Linie für ein traumhaftes Setting sorgt. Es geht um Freundschaft, Liebe und die Suche nach uns selbst. Wie immer erzählt Tillie Walden jenseits von heteronormativen Erzählstrukturen und schreibt, bzw zeichnet sich damit einfach direkt in mein Herz.
Eine große Empfehlung für alle Fans von Graphic Novels!

Ich hoffe, es geht euch allen gut und ihr und eure Lieben kommt gut durch die Zeit.
Passt aufeinander auf und fühlt euch fest umarmt, wenn ihr gerade jemanden vermisst.

Alles Liebe,
Andrea

 

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Review: Unfollow

In den sozialen Netzwerken taucht ein Influencer auf, der es schafft, Millionen von Menschen für seine Ideen zu begeistern: Earthboi.
Als kleiner Junge erscheint er praktisch aus dem Nichts, mit Erinnerungen, die bis zu Entstehung der Welt zurückreichen. Aus dem Kinderheim bricht er aus, um fortan im Wald und im Einklang mit der Natur zu leben, allerdings nicht ohne vorher den Laptop und das Handy der Heimleiterin und ein Solar Panel vom nahegelegenen Supermarkt zu stehlen und auf YouTube, Instagram und Co von seinem autarken Leben fernab der Menschen zu berichten.

Schon bald erreicht Earthboi mehr und mehr Follower, die ihn für seine Videos über das Leben in der Natur und die Dokumentation der Umweltverschmutzung feiern. Als er die Influencerin Yu kennenlernt und sich in sie verliebt, schließen sich die beiden zusammen, um noch mehr Menschen zu erreichen.
Earthboi beginnt damit, eine Art Meditations-App zu programmieren, die ihre Nutzer wieder in Einklang mit der Natur bringen soll und die Menschen so begeistert, daß sie sich zu einem weltweiten Phänomen entwickelt.

Gemeinsam mit Yu beschließt Earthboi all seine Visionen wahr werden zu lassen und zusammen mit anderen Influencern und Gleichgesinnten eine autarke Kommune zu errichten, die er „Erde“ nennt. Hier leben Earthbois Followers zusammen, bauen Obst, Gemüse und Getreide an, widmen sich der Gemeinschaft und ihrer Selbstverwirklichung und tragen die Botschaft, daß ein nachhaltiges Leben möglich ist über ihr Social-Media-Kanäle in die Welt hinaus.
Earthboi wird für seine Follower und die Bewohner von Erde immer mehr zu einer Art Guru, der ihnen in Ritualen beibringt, eins mit dem Kosmos zu werden; doch einige seiner Anhänger verklären seine Ideen bald so sehr, daß sie bereit sind, Earthbois Traum von einer besseren Welt mit radikalen Mitteln in die Tat umzusetzen…

„Unfollow“ von Lukas Jüliger ist eine Graphic Novel die aktueller kaum sein könnte. Es geht um Nachhaltigkeit, Umweltschutz und den um den Wunsch, aus der Konsumgesellschaft auszubrechen, aber auch um die Macht von Social Media.
Mich hat „Unfollow“ von der ersten Seite an fasziniert, mir aber auch ständig Gänsehaut bereitet. Die Geschichte um Earthboi ist keine, die man einfach mal so nebenher weglesen sollte, sondern fordert die Aufmerksamkeit des Lesers und sorgt dafür, daß man immer wieder innehält und über die Denkansätze und Zwischentöne des Buches nachdenken muss.

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Lukas Jüliger beeindruckt aber nicht nur durch eine extrem tiefgründige Geschichte, sondern auch durch unheimlich atmosphärische Illustrationen, die das Geschehen in oft ungewöhnlichen Perspektiven einfangen, fast so, als würde der Leser die Szene aus einem Versteck heraus beobachten.
Dabei benutzt Jüliger Blau- und Apricottöne, die er so geschickt einsetzt, daß man zuweilen fast das Gefühl hat, man könnte die Wärme und Kälte beim Lesen auf der Haut spüren.

„Unfollow“ ist eine extrem schön gestaltete Graphic Novel mit viel Tiefgang, die alle begeistern wird, die schön gestaltete Titel lieben und sich auch nachdenklich mit aktuellen Themen wie Nachhaltigkeit und Umweltschutz auseinandersetzen.

Sommerlaune im Juli

In den letzten Tagen ist es richtig heiß geworden, und ich verbringe die Tage mit meinen Kindern am See. Gelegentlich komme ich sogar dazu, ein bißchen zu Lesen und man könnte fast meinen, das Jahr würde endlich in halbwegs normale Bahnen geraten. Trotzdem stelle ich fest, daß ich immer noch aus dem Tritt bin, was meine Blogbeiträge angeht, deshalb gibt es heute (etwas verspätet) meinen Juli-Stapel.

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Einen  Titel, über den ich sogar schon in unserer neusten Podcast-Folge spreche, ist „Ich bleibe hier“ von Marco Balzano.
Vor zwei Jahren war ich ja mit meinen Söhnen im Urlaub in Südtirol, wo wir auch am Reschensee mit dem berühmten Kirchturm vorbeikamen.
Balzanos Buch hat für mich nochmal ein ganz neues Licht auf dieses Erlebnis geworfen. In „Ich bleibe hier“ wird die Geschichte des Dorfes Graun in Südtirol erzählt, das zunächst zwischen die Fronten der Faschisten während des Zweiten Weltkriegs gerät und später einem Staudammprojekt zum Opfer fällt.

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Ein Buch, das ich nun auch schon länger auf meinem SUB hatte, und mit dem ich nun endlich angefangen habe, ist „The Confession“ („Die Geheimnisse meiner Mutter“) von Jessie Burton. Von ihr habe ich schon „The Miniaturist“ und „The Restless Girls“ gelesen und war von beiden sehr angetan.
Auch Burtons neuer Roman über eine junge Frau, die ohne Mutter aufwächst und nach und nach beginnt, deren Geheimnisse zu lüften, fängt schon mal sehr spannend an!

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Ein weiterer Titel, den ich schon gelesen habe und über den ihr bald mehr hören werdet, ist „Paradise City“ von Zoë Beck.
In diesem beinahe schon dystopischen Roman tauchen wir in ein Deutschland etwa hundert Jahre in der Zukunft ein. Die Küstenstädte sind überschwemmt, viele Landstriche regelrecht entvölkert, nachdem nun der Großteil der Bevölkerung in riesigen Megacities lebt.
Dank Rund-um-die Uhr-Überwachung durch eine Gesundheitsapp sind auch so gut wie alle Krankheiten ausradiert, doch die Journalistin Liina stößt auf immer mehr Ungereimtheiten…
„Paradise City“ liest sich jetzt in Zeiten von Corona an einigen Stellen ja geradezu prophetisch . Dabei hat Zoë Beck bereits vor zwei Jahren mit der Arbeit an diesem Roman begonnen. Welche Entwicklungen es nun bis zum Erscheinen dieses Thrillers gegeben hat, damit hätte Beck vermutlich nicht gerechnet!

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Eine Neuheit, die ich schon mal angelesen habe, ist „Die Sommer“ von Ronya Othmann.
Darin geht es um Leyla, die als Tochter einer Deutschen und eines jesidischen Kurden in München aufwächst und die Sommer bei der Familie des Vaters in Syrien, nahe der türkischen Grenze verbringt.
Bisher eine wirklich schöne Lektüre, mit einem mitreißenden Schreibstil.
(„Die Sommer“ erscheint am 17.08.)

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Ihr wisst ja, wie sehr ich Graphic Novels liebe und deshalb freue ich mich diesen Monat ganz besonders über „Unfollow“ von Lukas Jüliger, der eine wirklich spannende Geschichte erzählt: Was, wenn die Natur zum Influencer werden würde? – Mit Instagram Account und eigenem YouTube-Kanal?
Ein wirklich einzigartiges Gedankenexperiment, dessen Bilder die Handlung perfekt in Szene setzen.

Das sind die Bücher, die ich im Juli lese/gelesen habe/lesen werde…
Kennt ihr vielleicht das ein oder andere davon?

Liebe Grüße und bleibt gesund,
Andrea

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Review: West, West Texas

Gibt etwas schöneres, als das neue Jahr mit einem Titel zu beginnen, der ganz zufällig auch im Januar spielt?

In der Graphic Novel „West, West Texas“ von Tillie Walden begeben sich zwei junge Frauen auf einen Roadtrip, der schon bald unerwartete Wendungen nimmt…

Lou hat sich seit dem Tod ihrer Mutter in die Arbeit gestürzt, sich keinen Urlaub, keine Auszeit gegönnt, doch nun ist sie völlig ausgebrannt. Also beschließt sie, sich mit ihrem kleinen Wohnwagen auf die mehrtägige Reise nach Texas zu machen, um dort ihre Tante zu besuchen und auf der langen Fahrt hoffentlich ein wenig zur Ruhe zu kommen.
Doch schon an der ersten Tankstelle läuft ihr die 18-jährige Bea, die Tochter einer Nachbarin, über den Weg.
Schnell wird klar, das Bea von zu Hause abgehauen ist, aber keine rechte Ahnung hat, wohin sie eigentlich will. Also entschließt sich Lou, sie ein Stück weit mitzunehmen.
Die beiden sind jedoch zunächst sehr unfreiwillige Begleiterinnen; sowohl Lou als auch Bea haben Probleme, mit denen sie zu kämpfen haben, beide sind nicht besonders aufgeschlossen, leicht reizbar und geraten mitunter schnell aneinander. Trotzdem beginnen sie sich einander nach und nach zu öffnen und über die Dinge zu sprechen, die sie beide auf diesen Weg geführt haben.
Alles ändert sich jedoch, als Bea und Lou ein Kätzchen finden, auf deren Marke eine Adresse in West, West Texas eingraviert ist. Kurzerhand packen die beiden die kleine Katze, die sie Diamond nennen ein, um sie zu ihrer Familie zurückzubringen, doch ab diesem Zeitpunkt nimmt die Geschichte eine überraschende Wendung…
Das Wetter spielt immer mehr verrückt, die Landschaft scheint sich zu verändern und plötzlich tauchen bedrohlich wirkende Männer auf, die offenbar hinter Diamond her sind.
Schnell wird aus dem Roadtrip eine immer surrealere Verfolgungsjagd, auf der sich Bea und Lou nicht nur ihren mysteriösen Verfolgern, sondern auch ihren eigenen Ängsten stellen müssen.

„West, West Texas“ hat mich sehr berührt und beschäftigt.
Was als eine einfache Geschichte über zwei junge Frauen beginnt, die sich eine Auszeit vom Leben nehmen müssen, um mit ihren Problemen klarzukommen, entwickelt ich nach und nach zu einer fantastischen Geschichte in der die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit immer mehr verschwimmen.

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Tillie Waldens Illustrationsstil ist an sich recht einfach, mit flächigen Kolorierungen, die meist über mehrere Seiten Ton in Ton gehalten sind, trotzdem schafft sie es, nicht nur große Emotionen einzufangen, sondern auch den Spagat zwischen den Landschaften der wirklichen Welt und denen der Traumwelt ohne Stilbruch zu machen.

„West, West Texas“ war für mich wohl eine der berührendsten Graphic Novels des letzten Jahres und am liebsten würde ich mich jetzt selbst mit einem winzigen Wohnwagen ins Abenteuer stürzen.

Auf Achse im Oktober!

Es wird nun aber wirklich Herbst…
Die Stürme wehen, die Novitätenstapel erreichen Höhen, die mich ins Schwitzen bringen und neben dem Lesen steht einiges an im Oktober!

Mitte des Monats geht es mit den weltbesten Kollegen auf die Frankfurter Buchmesse. Mein Notizbuch platzt schon aus allen Nähten, so viele Termine hab ich mir eingetragen, und ich bin wirklich sehr gespannt, was wir dort alles erleben werden.

Ende des Monats sollte es dann hoffentlich einmal wieder Zeit für eine neue Folge von „In vollen Zügen nach…“ werden. Diesmal soll es nach Wien gehen, allerdings mit beiden Kindern und die haben schon sehr eigene Pläne, was sie dort anstellen wollen!
Ich hoffe aber trotzdem, daß vielleicht ein, zwei Buchhandlungen auf dem Weg liegen werden, über die ich dann berichten kann. Also, liebe Wiener: Welche Buchhandlungen sollte ich unbedingt gesehen haben?

Wie schon erwähnt wird der Novitätenstapel nicht kleiner und ich bin schon wahnsinnig gespannt auf die Titel, die ich mir diesen Monat ausgesucht habe:

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Beginnen wir einmal mit ganz viel Liebe für den Diogenes Verlag, der einen Löwenanteil zu meinem Oktoberstapel beigetragen hat.

Wie eigentlich jedes Jahr gibt es etwas Neues von meiner Lieblingsautorin Amélie Nothomb, von der ich seit meiner Ausbildung jedes Buch verschlinge. „Klopf an dein Herz“ kam schon Anfang des Jahres auf Englisch auf den Markt und so hatte ich bereits im englischsprachigen BookTube sehr begeisterte Besprechungen dazu gesehen. Nun hat das Warten endlich ein Ende!

Ein weiterer Autor, von dem jede Neuerscheinung sofort auf meiner Wunschliste landet, ist Martin Suter. Mit „Allmen und der Koi“ legt er den mittlerweile sechsten Band der Allmen-Reihe vor und auch, wenn nicht jeder Suter-Fan automatisch zum Allmen-Fan wird, mag ich die Charaktere einfach unheimlich gern.

In meinem Sommerurlaub hatte ich „Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse“ von Thomas Meyer gelesen, nun erschien der zweite Teil „Wolkenbruchs waghalsiges Stelldichein mit der Spionin“.
In den letzten Monaten habe ich ja langsam wieder angefangen, Hörbücher zu hören und gerade beim ersten Wolkenbruch-Roman bedauerte ich sehr, kein Hörbuch davon zu haben, denn auch wenn man jiddisch wohl ausspricht, wie es geschrieben wird, hatte ich oft keine Ahnung, wie betont wird.
Gestern habe ich dann schon mal ins Hörbuch reingehört und war sofort begeistert von Thomas Meyers Stimme. Jiddisch und ein Schweizer Akzent! – Das freut das Ohr!

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Weiter geht es mit einer ganzen handvoll Romanen:

„Gespräche mit Freunden“ von Sally Rooney hatte mein Kollege Andi ja schon im letzten Podcast vorgestellt und er war nicht wirklich überzeugt davon, allerdings lese ich ausschließlich absolut begeisterte oder komplett enttäuschte Rezensionen. Love it or hate it? Da bilde ich mir immer gern meine eigene Meinung.

Margaret Atwoods neustes Buch „Die Zeuginnen“ habe ich schon gelesen, da es allerdings im September erst auf den Markt kam, nachdem ich meinen Monatsstapel vorgestellt hatte und ich weiß, daß sich einige Leser an den Bildern in meiner Rubrik „Mit Büchern durch das Jahr“ orientieren, um bestimmte Titel wiederzufinden, von denen sie sich nur noch an das Cover erinnern, wird dieser Titel sozusagen nochmal optisch nachgereicht. Die Besprechung könnt ihr allerdings jetzt schon lesen.

Während alle über die Shortlist des Deutschen Buchpreises diskutieren, ist heimlich still und leise die Auswahlliste des Bayerischen Buchpreises erschienen. Mit dabei: „Levi“ von Carmen Buttjer.
Auch so ein Titel, auf den ich mich diesen Monat schon sehr freue!

Ein weiteres „Love it or hate it“-Buch ist wohl „Es ist Sarah“ von Pauline Delabroy-Allard. Wie gesagt; da bilde ich mir gern eine eigene Meinung.

Worauf ich mich aber schon wirklich lange freue, ist „Melmoth“ von Sarah Perry. Ihr Roman „Die Schlange von Essex“ hat mich vor zwei Jahren nach anfänglichen Startschwierigkeiten absolut begeistert, weshalb ich auch große Erwartungen an ihr neues Buch habe.

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Wer meinen Blog nicht erst seit gestern verfolgt, dürfte inzwischen wissen, wie sehr ich die Illustrationen von Kat Menschik liebe, weshalb ihr neustes Buch „Die Puppe im Grase – Norwegische Märchen“ natürlich auf meinem Lesestapel gelandet ist.
Und was für eine schöne Einstimmung auf das diesjährige Gastland der Frankfurter Buchmesse!

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Weil ich nicht nur gerne Bücher, sondern auch Bücher über Bücher lese, freue ich mich diesen Monat sehr über „Leseglück“ von Mareike Fallwickl und Florian Valerius und „Nervenkitzel“ von Miriam Semrau. Nachdem ich so gut wie nie Krimis lese, ist besonders letzteres eine tolle Möglichkeit für mich, mein Krimi-Wissen für den Laden etwas aufzupolieren ohne mich zu Tode fürchten zu müssen.

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Ich sage ja immer: „Es ist kein guter Monat, wenn keine Graphic Novel dabei ist!“, dieser Monat sollte demnach großartig werden!
Mit dabei sind nämlich „Hawking“, die neue Graphic Novel-Biografie von Ottaviani & Myrick, von denen ich auch schon den Band über Richard Feynman sehr begeistert gelesen habe. Dann noch „Natürliche Schönheit“ von Nanna Johansson, die sich feministische Themen im Stil ihrer Landsfrau Liv Strömquist vornimmt und „West, West Texas“ von Tillie Walden. Von ihr wollte ich ja immer „Pirouetten“ lesen, aber irgendwie hat es sich nicht ergeben, dann fang ich eben einfach mit ihrem neusten Buch an.

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Zu guter Letzt noch zwei Bücher aus der Rubrik „In der Kinderbuchabteilung gefunden, lassen aber auch die Herzen der Großen höher schlagen“:
„Wie man sich mit einem Gespenst anfreundet“ von Rebecca Green ist eines meiner liebsten Bilderbücher, das ich seit längerem auf Englisch besitze. Nun habe ich es mir nochmal auf Deutsch besorgt, um nicht immer simultan übersetzen zu müssen, wenn ich es dem Kleinen vorlesen will und um es Euch allen nochmal vorzustellen.
Es ist nämlich unheimlich entzückend!
Ein großartiges illustriertes Sachbuch hingegen ist „Verlorene Arten“ von Jess French und Daniel Long. Hier geht es eben nicht nur um Mammuts und Dinosaurier, sondern auch um Tiere, die erst in den letzten Jahren ausgerottet wurden.
Sehr spannend und informativ und ich kann jetzt schon sagen, daß dieses Buch sowohl mich, als auch meinen Kleinsten ungemein fasziniert.

So… Seid Ihr noch da oder schon von meinem Oktoberstapel erschlagen worden?

Kennt ihr einige der Titel und wie haben sie Euch gefallen?
Sehen wir uns auf der Buchmesse?
Und was sollte ich in Wien auf keinen Fall verpassen, selbst wenn ich alle Hände voll zu tun habe, weil ein Kind verlangt, die Krokodile im Haus des Meeres zu befreien, während sich das andere einen Panzer im Heeresgeschichtlichen Museum klauen will?

Liebe Grüße,
Andrea

Review: Sumpfland

Heute möchte ich Euch eine ganz besondere Graphic Novel vorstellen, die mich sehr beeindruckt hat: „Sumpfland“ der deutschen Künstlerin Moki aus dem Reprodukt Verlag.

In „Sumpfland“ folgen wir sehr verschiedenen Charakteren in recht unterschiedlichen Geschichten, die aber durch gemeinsame Themen miteinander verbunden sind.
Da ist zum Beispiel Ocre, eine Frau die durch die Landschaft zieht und versucht, eins mit ihr zu werden. Dann gibt es den introvertierten Aldi und seine Füchsin Puffi, deren Beziehung fast an Aldis Eigenbrötlerei zerbricht. Und es gibt die Getüme, seltsame quallenartige Wesen, die all ihre Energie auf Arbeit und ökonomisches Wachstum verwenden, bis die Frage nach der Endlichkeit der Ressourcen aufkommt.

Es gibt viele gesellschafts- und sozialkritische Themen, die in „Sumpfland“ angesprochen werden: die Zerstörung der Natur und der Versuch einzelner, zur Natur zurückzufinden oder die Wachstumsgesellschaft, in der die Leistung des Einzelnen kaum gewürdigt wird. Es gibt aber auch sehr menschliche Themen, wie Verlassen zu werden, sich selbst zu verlieren und wiedergefunden zu werden.

So richtig erklären kann man „Sumpfland“ nicht. Man muss es schon gesehen haben und die Bilder auf sich wirken lassen; bestimmt werden viele Leser ganz andere Themen für sich entdecken.
Dabei würde man die Vielschichtigkeit dieser Graphic Novel beim ersten Durchblättern vielleicht gar nicht erkennen, denn Mokis Protagonisten sind Wesen, die wirken, als wären sie aus den verschiedensten Filmen oder Comics zusammengewürfelt worden. Da gibt es zum Beispiel die kleinen, niedlichen Flocken, die aussehen, wie flauschige Bällchen, die aber alles sehr genau beobachten und kritische Fragen stellen, oder Ichi, eine Art hasenohrigen Geist, der so zufrieden mit sich und der Welt ist, daß er stets nur das Gute sieht.

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Die Seiten des Buches sind alle in einem hellen Grünton gehalten, die Illustrationen wechseln von cartoonhaften Zeichnungen zu detailverliebten Skizzen, ohne daß es dabei zum Stilbruch kommen würde.

„Sumpfland“ ist für mich definitiv eins der Graphic Novel-Highlights dieses Jahres, auch wenn es mir wirklich schwerfällt, die Geschichte auf den Punkt zu bringen.
Denn hier werden in erster Linie Emotionen transportiert und das schafft Moki wie es wirklich nur wenige können.
Sollte Euch „Sumpfland“ also beim nächsten Besuch in Eurer Lieblingsbuchhandlung in die Hände fallen, dann lest auf jeden Fall rein!

Sommerlese im Juli

Morgen ist schon wieder der erste Juli und das halbe Jahr ist vorbei!
Unglaublich, wie die Monate geradezu vorbeifliegen…

Wir Buchhändler stecken gerade zwischen dem Frühjahrsprogramm und den neuen Herbstvorschauen. Wir schwanken von „Oh, das wollte ich eigentlich noch lesen!“ über „Hach, das ist gerade erschienen, darauf hab ich ja schon gewartet!“ zu „Waaah… woher kommen denn jetzt schon all die Herbst-Novitäten, die da plötzlich in meinem SUB-Regal liegen?!?“.

Auch bei mir ist es diesen Monat eine Mischung aus „Solltest du doch schon kennen!“ und „Na, jetzt komm aber mal in die Gänge mit den Neuheiten. Bis zum Weihnachtsgeschäft musst du das Herbstprogramm einigermaßen abgegrast haben!“.
Und auch wenn sich das jetzt nach Stress anhört: ich liebe es, dieser Tage in der Sonne zu liegen und zu lesen und dabei all die spannenden Neuheiten zu entdecken, die demnächst auf den Markt kommen werden.

Fangen wir aber zunächst mal mit den Titeln der Rubrik „Immer noch nicht gelesen?“ an.

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Ich habe tatsächlich erst vor kurzem meinen ersten Roman von Elena Ferrante gelesen. Der Hype um die Neapolitanische Saga hat mich zwar immer abgeschreckt, jetzt muss ich aber doch mal reinlesen, nachdem mich Frau im Dunkeln so positiv überrascht hat.
Als einziges Taschenbuch diesen Monat wird Meine geniale Freundin mein treuer Begleiter fürs Schwimmbad.

Zwei Titel, die nicht auf meiner Leseliste standen, als sie Ende letzten Jahres, bzw Anfang diesen Jahres erschienen sind, sind Mein Ein und Alles von Gabriel Tallent und Jesolo von Tanja Raich.
Nachdem ich aber auf allen Kanälen nur begeisterte Stimmen zu diesen Romanen gehört habe, war ich allerdings doch noch neugierig geworden!

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Ein Buch, zu dem ich keine begeisterten Stimmen hörte, ist dagegen Liebe in Lourdes von Sophie von Maltzahn. Im Rahmen einer Blogger-Aktion wurde mir dieses Buch überraschend zugesandt und nachdem ich zunächst dachte: „Oje… so ein kitschiger Titel!“, dann den Klappentext las und dachte, daß diese Geschichte durchaus Potential haben könnte, stolperte ich über die Rezension von Alexandra vom Read Pack Blog.
Ihr Beitrag ist wirklich ziemlich lesenswert: ihr findet ihn hier.

Sie kritisiert darin sehr scharf, wie Menschen mit Behinderung in diesem Buch dargestellt werden und nachdem, was sie dazu sagte und ich entsprechende Textstellen aus dem Buch gelesen hatte, wollte ich es eigentlich lieber weggeben.
Dann schrieb ich aber ein bißchen mit Alexandra und letztendlich dachte ich mir, vielleicht ist es besser, dieses Buch gerade deshalb zu lesen, um anschließend ein informiertes Feedback abgeben zu können. Schließlich kann man 2019 einfach nicht mehr über bestimmte Themen schreiben, wie man es vielleicht noch 1979 getan hat!

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Aus der „Rivers of London“-Reihe von Ben Aaronovitch gibt es auch wieder etwas Neues!
Mit The October Man ist die zweite Novella der Reihe erschienen und der Titel passt ganz wunderbar! Schließlich wird Ben Aaronovitch mein Oktober-Mann sein! – Zumindest was die Veranstaltungsorganisation bei uns im Laden betrifft, denn dann wird Aaronovitch zu einer Lesung in meine Filiale kommen!
Ich freu mich schon sehr!

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Kommen wir nun zu den ersten Herbstnovitäten dieses Jahr.
Von Stig Sæterbakken schwärmte mir Torsten Woywod von Dumont schon auf der Leipziger Buchmesse vor, Mitte Juli wird es nun endlich erscheinen.
Durch die Nacht hört sich zwar ziemlich düster an, aber Torsten hat einen Geschmack, der den meinen eigentlich immer trifft, deshalb vertraue ich seinem Urteil da gerne blind.

Ein Buch, das erst Ende August erscheint ist „Blackbird“ von Matthias Brandt.
Letzten Monat hatte ich ja schon ein bißchen von meinem kleinen, inoffiziellen Lesekreis mit zwei Kollegen erzählt, jetzt haben sich noch andere angeschlossen, so daß wir uns zu acht auf das Leseexemplar gestürzt haben!
Spannend wird es, weil mein Kollege schreibende Schauspieler absolut nicht leiden kann und dieser Zunft mit „Blackbird“ eine allerletzte Chance gibt. Das verspricht spannend zu werden!

Zwei Hinweise an dieser Stelle…

Erstens: hättet Ihr denn Lust, daß ich hier auch von dem Lesekreis mit meinen Kollegen erzähle, sie Euch ein bißchen vorstelle und statt einer normalen Rezension zu dem Buch all die verschiedenen Meinungen von uns sammle?

Zweitens: mir ist bewusst, daß ich oft der Kollege schreibe, so als hätte ich nur den einen. Tatsächlich ist es aber so, daß in der Regel immer derselbe Kollege gemeint ist, wenn ich schreibe: „Der Kollege hat mir das empfohlen…“ oder „Dem Kollegen hat das nicht gefallen…“
Diesen Kollegen möchte ich Euch Mitte des Monats gerne einmal richtig vorstellen. Wir haben da nämlich ein gemeinsames Projekt in Planung, auf das ich mich schon sehr freue!

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Natürlich durfte auch diesen Monat wieder ein illustriertes Sachbuch mit auf den Lesestapel: Rot ist doch schön von Lucia Zamolo aus dem Bohem Verlag.
Darin geht es (schockschwere Not!) um die Menstruation; ein Thema, über das ja immer noch kaum offen gesprochen wird. Deshalb bin ich jetzt schon ganz begeistert von diesem schön illustrierten Büchlein, das verspricht, Klartext zu reden.

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Kein Monat ohne Graphic Novel!
Im Juli ist das Sumpfland der Künstlerin Moki aus dem Reprodukt Verlag.
Seitenweise ohne Text und mit absolut ungewöhnlichen Figuren, scheint „Sumpfland“ nach dem ersten Anlesen ein Titel zu sein, in dem man wirklich abtauchen und sich ein Stück weit selbst verlieren kann.
Ich freu mich sehr darauf, es mir in einer stillen Nacht ganz in Ruhe vorzunehmen.

Soviel also von meiner Seite und jetzt seid Ihr dran:
Welche Titel habt Ihr Euch für den Juli vorgenommen?
Kennt Ihr den ein oder anderen Titel von meinem Lesestapel?
Und für mich besonders interessant: möchtet Ihr meine Kollegen kennenzulernen und ihre Meinungen zu den Büchern aus dem Lesekreis hören?

Genießt den Sommer!
Eure Andrea