Review: Die Gesichter

Bear Bavinsky ist ein gefeierter Künstler, doch ein guter Vater oder Ehemann ist er nicht.
Dennoch vergöttert ihn sein Sohn Charles, genannt Pinch, als die kleine Familie Mitte der 50er Jahre gemeinsam in Rom lebt.
Doch kurze Zeit später verlässt Bear Pinch und dessen Mutter Natalie, um zurück nach Amerika zu gehen und schon bald mit einer neuen Frau und neuen Kindern zu leben.

Pinch trifft die Abkehr seines Vaters zutiefst und so versucht er alles, um Bear zu beeindrucken.
Er beginnt selbst zu malen und auch wenn ihm seine Mutter künstlerisches Talent attestiert, ist es doch alleine Bears Meinung, die für ihn zählt.
Als sich Vater und Sohn dann Jahre später wieder treffen, gibt es für Pinch endlich die Möglichkeit, seinen Vater zu beeindrucken, doch der lenkt stets ab, wenn ihm sein Sohn ein Bild zeigen will.
Auf einer Vernissage erzählt Bear zwar jedem, der es hören will, daß sein Sohn ein begnadeter Künstler ist, doch später eröffnet er Pinch, daß aus ihm nie ein berühmter Maler werden kann.

Völlig am Boden zerstört gibt Pinch das Malen auf und beschließt, Kunstgeschichte zu studieren.
Im Laufe der Zeit geraten die Bilder seines Vaters aus der Mode und so entwickelt Pinch den nächsten ehrgeizigen Plan: er beschließt, nach dem Studium ein angesehener Kunstprofessor zu werden und dann die Biografie seines Vaters zu schreiben, um ihm den Platz in der Kunstgeschichte zu geben, den er verdient.
Anfangs wird Pinch auch in diesem Plan von seinem Vater bestärkt, nur um später wieder von ihm abgekanzelt zu werden.

Und so versinkt Pinch nach und nach in der Mittelmäßigkeit.
Statt ein angesehener Kunstexperte zu werden, arbeitet er als Italienischlehrer, heiratet eine Frau, die er nicht liebt, um nicht länger alleine zu sein, nur um schon bald wieder verlassen zu werden…
Das Leben von Charles Bavinsky hat nichts mit den hochtrabenden Plänen seiner Jugend zu tun.

Doch dann entdeckt er zufällig, daß sein Vater eine ganze Reihe exzellenter Gemälde in einem kaum genutzten Ferienhaus in Frankreich aufbewahrt.
Als er die Bilder begutachtet und eines in einem Anfall von Wut beschädigt, bringt er Ereignisse ins Rollen, die das Verhältnis zu seinem Vater von Grund auf ändern werden und sich schon bald nicht mehr aufhalten lassen…

Mit „Die Gesichter“ hat Tom Rachman einen beeindruckenden Roman über eine schwierige Vater-Sohn-Beziehung geschrieben.
Bear Bavinsky ist eine starke, alles einnehmende Figur, die sofort an Picasso oder Hemingway erinnert.

Mich hat die Mischung aus Künstlerroman und Familiendrama sehr angesprochen.
„Die Gesichter“ ist ein ausnehmend gutes Buch, das die Frage aufwirft, welchen Preis wird bereit sind, für Kunst zu zahlen (und das meine ich in mehr als einer Hinsicht).

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Stapelweise Neues im September

Der September ist mein Lieblingsmonat!
Die Luft beginnt nach Herbst zu riechen, die Blätter verfärben sich, die Stürme wehen und trotzdem stehen uns noch goldene Tage bevor…

Der September ist allerdings auch die Zeit des Jahres, in der die Arbeit für uns Buchhändler so richtig losgeht!
Denn jetzt kommen all die Neuerscheinungen auf den Markt, die im Weihnachtsgeschäft empfohlen werden wollen und das bedeutet für uns: lesen, lesen, lesen!

Ein klein wenig Panik kommt ja schon auf, wenn ich den dicken Stapel Novitäten neben mir anschaue und auch an meinen Planer denke, in dem ebenso viele Titel für den Oktober notiert sind!
Allerdings freue ich mich schon sehr über neue Bücher von Lieblingsautoren und auch darauf, noch unbekannte Schriftsteller kennenzulernen.

Los geht’s!

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Ein ganzer Stapel spannender neuer Titel kommt diesen Monat von Diogenes, einem meiner absoluten Lieblingsverlage.

Uns gehört die Nacht von Jardine Libaire habe ich ironischerweise bereits in einer schlaflosen Nacht angelesen und finde den Stil schön flüssig und die Geschichte bisher recht spannend.
Dieses Buch hat bereits viele Fans aber dann auch wieder Leser, die es gar nicht mochten… Love it or hate it? Ich bin gespannt!

Eine Autorin von der in bisher noch nie etwas gelesen habe ist Muriel Spark. Ihr nun fast schon sechzig Jahre alter Roman Die Blütezeit der Miss Jean Brodie erschien gerade in einer Neuübersetzung.
Offenbar haben wir es hier mit dem weiblichen Pendant zu „Der Club der toten Dichter“ zu tun. Da möchte ich auf jeden Fall mal hineinlesen!

Philippe Djian ist ebenfalls ein Autor, mit dem ich noch nie die Ehre hatte… Ich weiß, ich weiß… Shame on me!
Also werde ich mir seinen neuen Roman Marlène vornehmen.

Ein „alter Bekannter“ ist dagegen Benedict Wells.
Mit „Vom Ende der Einsamkeit“ hat er mich tagelang zum Schluchzen gebracht, in Die Wahrheit über das Lügen legt er nun zehn Kurzgeschichten vor.
Ich bin gespannt, ob er mich damit genauso überzeugen kann, wie mit seinen Romanen.

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Zwei Titel, die auf den ersten Blick vielleicht wenig miteinander zu tun haben, die sich aber beide mit Sagen und Mythen beschäftigen und ganz wunderbar illustriert wurden sind Der Held im Pardelfell und Der Fall von Gondolin.

Mit Der Held im Pardelfell hat der Galiani Verlag rechtzeitig zur Buchmesse einer 800 Jahre alten georgischen Sage neues Leben eingehaucht.
Das Ganze wurde von meiner Lieblingsillustratorin Kat Menschik herrlich bebildert.
Letzte Nacht habe ich auch schon ein bißchen hinein gelesen und war sofort gefesselt von dieser Geschichte.

Der Fall von Gondolin von J.R.R. Tolkien ist eine Geschichte, die man schon aus dem Silmarillion kennt und die sein Sohn Christopher nun neu herausgegeben hat.
Wie schon bei anderen Titeln dieser Reihe hat er sich dabei nicht nur auf die ursprüngliche Geschichte beschränkt, sondern liefert auch viele Hintergrundinformationen und veränderte Fassungen mit.
Das ist zwar ein bißchen Lesearbeit, allerdings wird man dabei auch von den sehr stimmungsvollen Aquarellen und Bleistiftzeichnungen von Alan Lee bei Laune gehalten.

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Königskinder heißt der neue Roman von Alex Capus.
Bisher habe ich nur „Das Leben ist gut“ von ihm gelesen und mochte seinen recht feinen Humor.

Auch Juli Zeh, deren knappen Stil ich sehr schätze, hat wieder eine neue Geschichte herausgebracht.
Neujahr ist ein dünnes Buch, auf das ich schon wahnsinnig gespannt bin!

Tom Rachman ist dagegen ein Autor von dem ich bisher noch nichts gelesen habe.
Mit Die Gesichter habe ich allerdings schon länger auf Englisch geliebäugelt, nun ist sein Künstlerroman also auf Deutsch erschienen und ich habe hohe Erwartungen an ihn.

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Die wohl höchsten Erwartungen habe ich diesen Monat allerdings an Timus Vermes‘ neustes Buch Die Hungrigen und die Satten.
In „Er ist wieder da“ hat Vermes der Gesellschaft ja bereits einen bitterbösen Spiegel vorgehalten, nun geht es um die Flüchtlingsthematik und die Medien, die diese ausschlachten.
Der Eichborn Velag war so großzügig, mir gleich noch das von Christoph Maria Herbst gelesene Hörbuch mitzuschicken und nachdem mein Großer „Er ist wieder da“ rauf und runter gehört hat, hat er sich „Die Hungrigen und die Satten“ sofort unter den Nagel gerissen. Ich habe aktuell meine liebe Mühe damit zu verhindern, daß er mich spoilert, so begeistert wie er schon ist.

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Im Bereich Sachbuch freue ich mich auf Befreit – Wie Bildung mir die Welt erschloss von Tara Westover.
Auf ihre Geschichte bin ich auf englischsprachigen Buchblogs aufmerksam geworden, denn obwohl Westover ein Klassenzimmer zum ersten Mal mit 17 Jahren betrat, legte sie anschließend eine steile akademische Karriere hin.
Ich bin gespannt zu erfahren, wie ihr das gelungen ist!

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Das einzige Buch, das nicht brandneu ist, ist diesen Monat Die Welt der Berge von Dieter Braun.
Es ist ein ganz wunderbar illustriertes Sachbuch, das der Verlag schon ab 8 Jahren empfiehlt, für das man aber meiner Meinung nach nie zu alt ist und das ich Euch ganz bald ausführlich vorstellen werde!

Puh, was für ein Stapel!
Wie sieht es bei Euch aus?
Welche der aktuellen Neuerscheinungen interessieren Euch am meisten?

Ich hoffe, daß mich die Titelflut diesen Monat nicht erschlägt, bevor sich der Oktoberstapel auftürmt.

Ende des Monats gibt es, wenn alles gut geht, übrigens die nächste Episode der allseits beliebten Kategorie In vollen Zügen nach…
Dann bin ich nämlich in… (Trommelwirbel) Amsterdam!
In Amsterdam war ich noch nie, also wenn ihr dort schöne Buchhandlungen kennt: immer her mit Euren Tipps!

Bis dahin ganz liebe Grüße und einen schönen Start in den Herbst!

Andrea