Kurz und knapp: Empfehlungen aus dem Podcast #2

Heute ist es einmal wieder Zeit, noch kurzes Feedback zu den Romanen zu geben, über die ich bereits im Podcast gesprochen habe, aber da ihn ja nicht jeder von euch hört, gibt es die Titel hier nochmal im Schnelldurchlauf.

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Marco Balzano – Ich bleibe hier

Vor gut zwei Jahren machte ich zusammen mit meinem Vater und den Kindern einen Urlaub in Südtirol, beidem uns unser Weg auch am Reschensee vorbei führte. Mein Großer hatte den Kirchturm von Graun im Reiseführer entdeckt und uns dann überredet, auf dem Rückweg nicht über den Brenner, sondern den Reschenpass zu fahren; ein Umweg, der sich für uns alle wirklich gelohnt hat, denn der Weg war landschaftlich extrem schön und der Kirchturm im Reschensee und die Wanderung, die ich mit meinem Sohn durch den See unternahm (ja, es führt tatsächlich ein Weg durch das Wasser) war ein unvergessliches Erlebnis.

In „Ich bleibe hier“ geht es um das Bergdorf Graun, das in den 1950er Jahren einem Staudammprojekt zum Opfer fiel und im See versank.
Am Beispiel von Trina erzählt Marco Balzano die Geschichte von Graun, das zu Zeiten des Faschismus komplett zwischen die Fronten gerät. Die Faschisten unter Mussolini verbieten es den Südtirolern, Deutsch zu sprechen und besetzen wichtige Posten mit regimetreuen Italienern. Als Fremde im eigenen Land kommt vielen das Angebot von Hitler recht, das ihnen ermöglicht, ein neues Leben im Deutschen Reich aufzubauen.
Bleiben oder gehen? – Diese Frage spaltet schon bald nicht nur das ganze Dorf, sondern auch Trinas Familie…

„Ich bleibe hier“ erzählt die Geschichte von Südtirol auf sehr lebendige Weise. Man beginnt zu begreifen, wie die politischen Entscheidungen der damaligen Zeit auch heute noch Einfluss auf diesen Landstrich haben.
Pflichtlektüre für alle, die den Reschensee besuchen wollen!

Nachzuhören in Folge #13 Im ICE nach Chemnitz

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Victor Jestin – Hitze

Es sind die heißesten Tage des Jahres, die der 17-jährige Léonard mit seiner Familie auf einem Campingplatz an der französischen Küste verbringt.
Léonard fühlt sich nicht wohl, er findet keinen Anschluss zu den anderen Jugendlichen, er weiß nicht, was er mit sich anfangen soll und kann in den drücken heißen Nächten nicht schlafen.
Als Léonard in der letzten Nacht des Urlaubs einen Strandspaziergang unternimmt, wird er Zeuge eines schrecklichen Ereignisses: Der gleichaltrige Oscar nimmt sich vor Léonards Augen das Leben und der tut nichts, um ihn zu retten.
Erst als Oscar tot ist, erwacht Léonard aus seiner Starre, doch von Schuldgefühlen geplagt, alarmiert er nicht etwa die Erwachsenen, sondern verscharrt den Leichnam im Sand.
Auch am nächsten Tag schafft es Léonard nicht, seinen Eltern zu erzählen, was passiert ist. Orientierungslos und zunehmend dehydriert beginnt Léonard, das fröhliche Treiben auf dem Campingplatz mehr und mehr als Alptraum wahrzunehmen, dem er nicht entkommen kann…

Bei „Hitze“ ist der Name Programm. Man fühlt beim Lesen die drückende Hitze, die sonnenverbrannte Haut und die Sandkörner zwischen den Zehen.
Ein Debütroman, der zwar noch erzählerische Schwächen aufweist, aber so atmosphärisch geschrieben ist, daß ich das nächste Buch von Victor Jestin schon mit Spannung erwarte.

Nachzuhören in Folge #11 Sommer, Sonne, rosa Hasen

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David Szalay – Turbulenzen

Eine Sammlung von Kurzgeschichten, die aber alle miteinander verbunden sind, ist „Turbulenzen“ von David Szalay.
Was die Protagonisten der einzelnen Geschichten miteinander verbindet, sind die Flugreisen, die sie alle unternehmen. Dabei fällt schnell auf: Keiner ist nur zum Urlaub machen unterwegs. Oft sind es berufliche oder familiäre Gründe, die der Anlass der Reise sind.
So beginnt dieses Buch beispielsweise mit einer älteren Frau, die ihren Sohn in London besucht, weil er an Prostatakrebs erkrankt ist. Auf dem Heimflug nach Madrid, wo sie lebt, lernt sie Cheikh kennen, der weiter nach Dakar fliegt, wo ihn eine schlimme Überraschung erwartet…
So nehmen uns die Figuren der einzelnen Geschichten jeweils ein Stück der Reise mit, wobei sie immer wieder in metaphorische Turbulenzen geraten, sei es einen Familienstreit, eine Affäre oder eine menschliche Katastrophe.

Wie die Weltkarte mit den eingezeichneten Flugstrecken auf dem Vorsatzpapier schon verrät, umrunden wir in „Turbulenzen“ einmal die gesamte Welt und begegnen dabei Menschen aus den verschiedensten Kulturen und sozialen Schichten und erleben kurze, aber einschneidende Momente in ihrem Leben.

Kurzgeschichtensammlungen mit einem gemeinsamen Thema finde ich immer spannend, denn das kann wirklich gut funktionieren, wie in Frank Berzbachs Die Schönheit der Begegnung oder es kann etwas konstruiert wirken, wie in Tom Hanks Uncommon Type. Bei „Turbulenzen“ gehen die einzelnen Geschichten so gut ineinander über, daß man schon fast eher das Gefühl hat, einen Roman zu lesen, als zwölf einzelne Kurzgeschichten.

Nachzuhören in Folge #16 Lost Places

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Lily King – Writers & Lovers

Lily Kings Roman Euphoria hat mich vor ein paar Jahren zwar durch seinen Stil begeistern können, allerdings fand ich, daß die Geschichte um eine Ethnologin auf Forschungsreise im Neuguinea der 1930er Jahre auch ihre Längen hatte.

Mit „Writers & Lovers“ legt Lily King nun einen sehr persönlichen Roman vor.

Casey ist Anfang 30 und hat nach dem Studium alles auf eine Karte gesetzt: sich ganz dem Schreiben zu widmen, um Autorin zu werden.
Doch inzwischen fragt sie sich immer öfter, wie lange sie diesen Traum noch verfolgen kann. Ihr Schuldenberg wächst ins Unermessliche, sie lebt in einem kleinen Schuppen auf dem Grundstück eines Bekannten und übernimmt lange Schichten als Kellnerin, um zumindest halbwegs über die Runden zu kommen.
Nach dem Tod ihrer Mutter und einer schmerzhaften Trennung ist Casey an einem Punkt angelangt, an dem sie kaum mehr schreiben kann, doch sie hält weiter an ihrem Traum fest…

„Writers & Lovers“ ist die perfekte Lektüre für all diejenigen, die gegen alle Widerstände an ihren Träumen festhalten wollen.
Am Ende löst sich alles vielleicht ein wenig zu harmonisch auf, aber nach Caseys langem Kampf gönnt man es ihr gerne.

Nachzuhören in Folge #14 Z wie Zukunftsmusik

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Leif Randt – Allegro Pastell

Eigentlich hatte ich schon lange vor, einmal ausführlich über „Allegro Pastell“ zu schreiben, doch inzwischen haben Andi und ich diesen Titel schon so oft im Podcast erwähnt und so ausführlich darüber gesprochen, daß ich das Gefühl habe, jeder der mich halbwegs kennt, weiß inzwischen, daß es das Buch war, daß mich dieses Jahr am meisten begeistern konnte.

Bestimmt hätte ich diesen Titel nie gelesen, hätte Andi ihn nicht unbedingt für den Podcast besprechen wollen; so unscheinbar wirkte das Cover auf mich.
Wir begannen mit der Lektüre in der ersten Woche des Lockdowns im März. Ich war mit meinen beiden Söhnen den ganzen Tag in der Wohnung, wo mir neben Homeschooling und dem Versuch, den Kleinen soweit abzulenken, daß sein großer Bruder seine Hausaufgaben machen konnte, langsam aber sicher die Decke auf den Kopf fiel.
Also beschloss ich, jeden Vormittag eine Runde über die Felder hinterm Haus zu drehen. Wir leben nämlich genau am Rand der Stadt und deshalb war es kein Problem, Spazieren zu gehen, ohne irgendwelchen Leuten zu begegnen.
Zu diesem Zeitpunkt war es noch wahnsinnig kalt. Ich erinnere mich, daß ich zwei Jacken und zwei Schals trug, die ich mir zusätzlich zur Mütze um den Kopf gewickelt hatte, weil der Wind auf den Feldern so eisig und schneidend war.
Von meinem Haus aus führt ein Weg den Hügel hinauf über die Felder. Am höchsten Punkt auf halber Strecke gibt es eine Bank vor einer alten Scheune, die halbwegs windgeschützt ist. Nachdem ich mich durch den Eiswind gekämpft hatte, war es dann auf dieser Bank im Sonnenschein oft so warm, daß ich mich nach und nach aus meinen Schals und Jacken schälte.
Von hier aus hat man einen wunderschönen Ausblick auf München und (bei klarem Wetter) die Alpen, denn der Hügel hinter meinem Haus ist tatsächlich eine der ersten Erhebungen hinter der Münchner Ebene.
Hier saß ich dann jeden Tag eine halbe Stunde, las „Allegro Pastell“ und lachte in meinem kleinen windgeschützten Versteck über Leif Randts hyperreflektierte Protagonisten, die einem mit ihrer überzeichneten selbstgefälligen Art so auf die Nerven gehen, daß man sich einfach nur darüber freut, wie geschickt und absolut überspitzt der Autor die Millenial Generation in diesem Roman aufs Korn nimmt.

Das war zugegeben sehr wenig über das Buch und sehr viel darüber, wo und wie ich es gelesen habe, aber die Umstände waren so außergewöhnlich, daß ich wohl immer an diese verrückten ersten Wochen des Lockdowns denken muss, in denen wir alle nicht wussten, was noch auf uns zukommen würde.

Nachzuhören in Folge #6 Germanys next Lovestory

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Alles neu im Mai?

Der April war ein unheimlich anstrengender, aber auch ereignisreicher Monat, in dem ich leider so gut wie gar nicht zum Bloggen gekommen bin.
Das liegt einfach daran, daß ich mit den Kindern zu Hause keine Zeit mehr habe, um die Ruhe zu finden, die ich brauche, um meine Gedanken zu formulieren. Wenn ich mir aber etwas Zeit freischaufeln kann, dann geht es an die Planung für die nächsten Podcast-Folgen, ans Skripte und Artikel schreiben.
Für „Mit Vergnügen“ haben Andi und ich zum Beispiel eine ganze Liste mit Buch-Tipps zusammengetragen, die ihr hier finden könnt.
Überhaupt waren die ersten Wochen, seit „Seite an Seite“ von Hugendubel übernommen wurde richtig arbeitsintensiv. Langsam finden Andi und ich aber in einen Rhythmus, mit dem wir ganz gut klar kommen und die Planung, Unterstützung und die Zusammenarbeit mit dem ganzen Team zahlt sich wirklich aus, denn was als kleines Wohnzimmerprojekt angefangen hat, schafft es mittlerweile in die Podcasts Charts.
Für Andi und mich ist das alles immer noch absolut surreal, aber wir haben extrem viel Spaß an der Sache und freuen uns über die Möglichkeiten, die sich uns durch dieses Projekt plötzlich bieten.

Ich habe mir die letzten Wochen überlegt, ob ich dieses Format hier weiterhin beibehalten soll, denn mein Leseverhalten hat sich durch den Podcast extrem verändert. Statt meiner durchgeplanten Monatsstapel, herrscht mittlerweile das kreative Chaos.
Immerhin müssen Andi und ich unsere Leseinteressen jetzt deutlich besser koordinieren, da rutscht dann immer mal wieder etwas rein oder raus, womit wir vielleicht vorher gar nicht gerechnet haben.
Also hatte ich überlegt, statt meiner Monatsstapel zu Monatsrückblicken zu wechseln. Da wir aber immer die Podcast-Folgen eines ganzen Monats im Vorfeld aufnehmen, wäre es vermutlich arg spoilerig, welche Titel ich dann alle gelesen habe.
Letztendlich bleibe ich nun doch bei meinem gewohnten Format und was es dann in die „Seite an Seite“-Episoden schafft ist weiterhin eine Überraschung.

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Beginnen wir den Monat gleich mit zwei Titeln, die euch vielleicht verwundern dürften: „Krokodilwächter“ und „Blutmond“ von Katrine Engberg.
Den dritten Teil ihrer Kopenhagen-Krimis – „Glasflügel“ – hatte ich zuletzt gelesen, warum jetzt aber so schnell noch die beiden Vorgänger, wenn ich doch aktuell damit beschäftigt bin, für den Podcast zu lesen?
Der Grund dafür freut mich sehr, denn am nächsten Dienstag, also am 05.05. werden Katrine und ich einen Livestream auf dem Instagram-Kanal von Hugendubel und Seite an Seite machen. Ich freue mich schon wahnsinnig darauf, diese unheimlich nette und spannende Autorin zu interviewen und will mich da vorher natürlich noch ein bißchen mehr in ihre Bücher einlesen.

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Zwei Titel, die ich dann auch noch im April gelesen habe, sind „Giovannis Zimmer“ von James Baldwin und „Die Schönheit der Begegnung“ von Frank Berzbach.

„Giovannis Zimmer“ erschien bereits in den 1950er Jahren und wurde jetzt – wie die anderen Werke von James Baldwin – neu übersetzt.
Soviel kann ich schon mal verraten: Selten habe ich so viele Post-it’s gebraucht, um großartige Stelle zu markieren, wie in diesem Buch.

Frank Berzbach habe ich im Februar kennengelernt, als der Eisele Verlag zu einem unheimlich schönen Verlagsabend eingeladen hatte, an dem ich mit lieben Kollegen und Buchhändlern aus ganz Bayern zusammen saß, aß und trank und nicht ahnte, daß ich schon bald darauf auf all das verzichten würde müssen…

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Ein weiterer Titel, der es noch in den April geschafft hat, ist „Tschudi“ von Mariam Kühsel-Hossaini.
In dieser literarischen Romanbiografie habe ich den Namen Hugo von Tschudi zum ersten Mal gelesen. – Dabei bin ich doch sonst ein echter Kunst-Nerd!
Der damalige Leiter der Nationalgalerie in Berlin war es, der Anfang des 20. Jahrhunderts die bekanntesten impressionistischen Werke nach Deutschland holte und der eine ganz persönliche Tragödie erleben musste…
Eine unheimlich spannende Figur und ein wahnsinnig schöner und literarischer Text!

Mitte Juni erscheint „Das Seidenraupenzimmer“ von Sayaka Murata, die mit „Die Ladenhüterin“ bekannt geworden ist.
Dieses Buch steht schon lange auf der Liste der Bücher, die ich unbedingt noch lesen wollte; nachdem nun aber schon das Leseexemplar ihres neusten Romans hereinschneite, habe ich mir jetzt wirklich vorgenommen, endlich etwas von Murata zu lesen.

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Zwei französische Titel, die sich ganz wunderbar draußen in der Sonne lesen lassen dürften (vielleicht sogar an einem See, der Balkon ist aber notfalls auch wieder gemütlich hergerichtet), sind „Hitze“ von Victor Jestin und „Du wirst mein Herz verwüsten“ von Morgane Ortin. Beide habe ich schon angelesen und beide machen unheimlich viel Lust auf mehr.

In „Hitze“ wird ein 17-jähriger Junge Zeuge eines Selbstmordes, doch anstatt zu helfen oder jemanden zu alarmieren, lässt er die Leiche verschwinden. Eine unheimlich intensive Ausgangssituation!

„Du wirst mein Herz verwüsten“ ist ein extrem spannendes Projekt, von dem ich hoffe, daß es auch wirklich konstant gut bleibt.
Morgane Ortin hat für dieses Buch nämlich reale Chatverläufe und SMS von anonymen Teilnehmern gesammelt und sie so arrangiert, daß sie eine durchgängige Geschichte bilden.
Ich liebe es ja sehr, wenn sich Autoren trauen, gängige Erzählstrukturen aufzubrechen und sich Neues trauen. Hoffentlich geht dieses Konzept auf!

Das ist also das Kuddelmuddel aus gelesenen, angelesenen und noch ungelesenen Titeln, mit denen ich mich auf jeden Fall noch im Mai beschäftigen werde.
Kennt ihr vielleicht den ein oder anderen davon?

Bis bald und bleibt gesund!
Eure Andrea.

Review: Rate, wer zum Essen bleibt

Vor etwa einem Jahr meinte mein Kollege, ich solle doch bei YouTube nach „Steiner & Tingler“ suchen; das Format würde ihm so gut gefallen. Tatsächlich war ich auch sofort hin und weg von den kurzen Clips, in denen sich Nicola Steiner und Philipp Tingler über Literatur und alles darum herum unterhalten. Außerdem ist Tingler regelmäßiger Gast beim SFR Literaturclub, der ebenfalls von Nicola Steiner moderiert wird.
Philipp Tingler war mir mit seiner charmanten, aber auch sehr direkten Art sofort sympathisch, doch als Romanautor hatte ich ihn bisher noch gar nicht auf dem Schirm gehabt.

Im Herbst ist nun sein neustes Buch „Rate, wer zum Essen bleibt“ erschienen und nachdem ich zwischenzeitlich viel von Philipp Tingler gesehen hatte, war ich nun auf sehr auf seine Schreibe gespannt.

Felix und Franziska sind ein erfolgreiches Ehepaar: Felix ist Kritiker in einer bekannten Literatursendung, Franziska Akademikerin. Beide ergänzen sich wunderbar, klarer Fall also, daß Felix seine Frau bei einem wichtigen Abendessen mit dem Dekan ihrer Uni unterstützen will. Dort ist nämlich eine Stelle frei geworden, auf die es Franziska abgesehen hat und so wird der Abend bis ins letzte Detail geplant… – Doch dann passiert etwas völlig Unerwartetes.
Statt des Dekans und seiner Frau steht plötzlich Felix‘ alte Studienfreundin Conni vor der Tür. Die hat Felix nämlich im Fernsehen gesehen und sich kurzerhand entschlossen, vor ihrem Rückflug nach New York, wo sie mittlerweile lebt, unangemeldet vorbeizuschauen. Völlig überrumpelt lädt Felix Conni ein, zum Essen zu bleiben und noch bevor Franziska eingreifen kann, kommen auch schon der Dekan und seine Frau an.
Damit beginnt die Katastrophe; zumindest für Franziskas berufliche Zukunft, denn Conni hat absolut keinen Filter zwischen Gehirn und Mund und sie lässt kein Fettnäpfchen und keine Gelegenheit aus, um alle am Tisch in Verlegenheit zu bringen.
Grund genug also, Conni schnellstmöglich wieder loszuwerden, doch die ist ganz offenbar gekommen um zu bleiben. Während des Essens wird sie nämlich so krank, daß ein herbeigerufener Arzt Conni strikte Bettruhe verschreibt und so müssen Felix und Franziska den ungebetenen Hausgast beherbergen, während sich auch für die folgenden Tage eine ganze Reihe wichtiger Besuche ankündigt…

„Rate, wer zum Essen bleibt“ liest sich beinahe wie ein Theaterstück mit seinen pointierten und spitzfindigen Dialogen und den überzeichneten, etwas schrulligen Charakteren.
Dabei entwickelten sich gerade Connis anstrengenden und ungefilterten Aussagen, die man in echten Leben vermutlich keine zwei Stunden ertragen könnte, zu meinen absoluten Lieblingsszenen des Buches.
Vermutlich kommt dieser extrem trockene Witz und Connis fast schon naiv ehrliche und direkte Art nicht bei allen Lesern gleichermaßen gut an, für mich hat Philipp Tingler aber genau den richtigen Humor. Ich musste immer wieder laut loslachen, mich fremdschämen und in manchen Situationen vor Unbehagen fast schon winden.

Sollte „Rate, wer zum Essen bleibt“ also tatsächlich einmal als Theaterstück aufgeführt werden, ich würde auf jeden Fall hingehen.

Nebeliger November

Willkommen im November!
Der Monat begrüßt mich mit nassgrauem Wetter und in den Isarauen, die ich von meinem Fenster aus überblicken kann, hängt noch immer der Nebel…
Zeit, es sich mit einem dicken Stapel Romane und einer Tasse Tee unter der Kuscheldecke gemütlich zu machen!

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Meine ersten beiden Bücher kommen dann auch gleich sehr herbstlich daher, was Titel und Cover betrifft, nämlich „Herbst“ von Ali Smith und „Fuchs 8“ von George Saunders.

Auf „Herbst“ bin ich schon sehr gespannt, schließlich schwärmt Jen Campbell auf ihrem YouTube-Kanal ständig von Smiths „Jahreszeiten-Quartett“.
Während der letzte Band der Reihe, „Summer“, nach „Winter“ und „Spring“ bald auf Englisch erscheinen wird, wurde nun mit „Herbst“ der erste Band, der auch für den Booker Prize nominiert war, auf Deutsch vorgelegt.

Ein ganz schmales Bändchen ist dagegen „Fuchs 8“ von George Saunders.
Saunders war lustigerweise im gleichen Jahr wie Ali Smith für den Booker Prize nominiert, hat diesen aber dann auch gewonnen und zwar für seinen einzigartigen Roman „Lincoln im Bardo“.
„Fuchs 8“ dagegen ist eine Kurzgeschichte, die illustriert und als kleine Einzelausgabe herausgebracht wurde.
Da mir Saunders innovativer und außergewöhnlicher Stil in „Lincoln im Bardo“ sehr imponiert hat, bin ich nun gespannt auf diese Geschichte, die aus der Sicht eines Fuches erzählt wird.

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Die nächsten beiden Bücher scheinen auf den ersten Blick nichts gemein zu haben, außer daß sie schmale Bändchen von jeweils deutlich unter 200 Seiten sind, für mich sind sie jedoch stark mit meinen Erinnerungen an die Frankfurter Buchmesse verknüpft.

Mona Høvring war ja als Vertreterin des Gastlandes Norwegen auf die Messe gekommen, wo Isa von it’s Vonk ein tolles Interview mit ihr geführt hat, das ihr hier sehen könnt.
Auf Isas Empfehlung hin hatte ich deshalb auch noch vor der Messe ihren Roman „Was helfen könnte“ gelesen und war einfach begeistert, wie diese Autorin es schafft, große Panoramen mit wenigen Sätzen zu zeichnen.
Deshalb musste ihr neustes Buch „Weil Venus bei meiner Geburt ein Alpenveilchen streifte“ dann auch unbedingt auf meinen Novemberstapel.

Darin geht es übrigens um zwei Schwestern, genauso wie im nächsten Buch, das ich mit der Buchmesse verbinde: „Die langen Arme“ von Sebastian Guhr.
Guhr war der Gewinner der zweiten Staffel des Blogbuster-Preises, von dem nun auf der Messe der Startschuss zur dritten Staffel gegeben wurde.
Und dieses Mal bin ich mit dabei in der Blogger-Jury!
Wer also ein fertiges Romanmanuskript zu Hause hat, der sollte auf die Website des Blogbuster Awards gehen und überlegen, ob er sich nicht bewerben möchte.
Dabei lesen zehn Blogger die Manuskripte und wählen jeweils einen Favoriten aus. Diese Longlist geht dann an die Fachjury und der Gewinnertitel wird in dieser Staffel bei Eichborn verlegt.
Doch auch viele Autoren, die nicht den ersten Preis gewonnen haben, schafften es in vergangenen Staffeln, durch die Aufmerksamkeit, einen Verlagsvertrag zu ergattern, wie zum Beispiel Gunnar Kaiser mit seinem Roman „Unter der Haut“.
Ein wirklich spannendes Projekt, auf das ich mich schon ungemein freue!

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Auf der Buchmesse traf ich beim KiWi-Verlag dann auch die Autorin eines meiner nächsten Titel: Dana von Suffrin stellte dort nämlich ihren Debütroman „Otto“ vor und brachte die ganze Runde sehr zum Lachen…

Wer mich auch immer wieder zum Schmunzeln bringt, ist ja Philipp Tingler, von dem ich bisher tatsächlich noch nichts gelesen habe, dessen Videos mit Nicola Steiner ich aber gerne mal in Dauerschleife sehe. Schaut einfach mal unter „Steiner/Tingler“ bei YouTube! Die Dynamik der beiden macht einfach unheimlich Spaß, da bin ich schon gespannt, auf Tinglers neusten Roman „Rate, wer zum Essen bleibt“.

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Gleich drei Titel, die sich mit Frauen und ihren Lebensentscheidungen beschäftigen, liegen diesen Monat auf meinem Lesestapel:
In „Drei Wünsche“ von Laura Karasek geht es um drei Frauen um die dreißig, die wichtige Lebensentscheidungen treffen müssen…
Etwas weiter im Leben sind wir dann bei „Die Zehnjahrespause“ von Meg Wolitzer. Hier geht es um vier Frauen Anfang vierzig, die alle feststellen, daß es eben nicht einfach ist, Kinder und Karriere gut miteinander zu vereinbaren und die nun die Weichen für ihr zukünftiges Leben stellen müssen.
Wolitzers letzter Roman „Das weibliche Prinzip“ hatte es ja recht schwer, weil es als feministisches Buch vermarktet wurde, obwohl der Fokus der Geschichte eigentlich woanders lag. Trotzdem hatten mich ihre starken, sehr lebensnahen Charaktere beeindruckt, weshalb ich ihrem neuen Buch gerne nochmal eine Chance geben wollte.
In „Tage des Verlassenwerdens“ von Elena Ferrante geht es dann, wie man sich schon denken kann, um das Ende einer Ehe…
Während ich die Neapolitanische Saga zwar ganz nett, aber nicht unbedingt beeindruckend fand, gehörte ihr früher Roman „Frau im Dunkel“, das im Frühling erstmal auf Deutsch erschien zu meinen Lesehighlights des Jahres.
„Tage des Verlassenwerdens“ soll ähnlich sein, also habe ich sehr hohe Erwartungen an dieses Buch!

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Zum Schluß werden wir noch ein bißchen klassisch…
„Der unsichtbare Roman“ von Christoph Poschenrieder handelt von Gustav Meyrink, dem Autor des „Golem“. Der soll hier gegen Honorar ein Buch schreiben, das den Freimaurern die Schuld am Ersten Weltkrieg gibt. Das hört sich für mich nach einem unheimlich spannenden Roman an!

Und weil mittlerweile nun wirklich jeder mitbekommen haben dürfte, wie sehr ich gut illustrierte Bücher liebe, freue ich mich diesen Monat sehr auf „Die Nibelungen“ aus der Insel-Bücherei, die von Burkhard Neie illustriert wurden. Ich bin ja ein großer Fan von Neies Illustrationsstil und freue mich schon sehr auf diesen Augenschmaus…
In der Insel-Bücherei gibt es von Neie übrigens bereits zwei Bände mit deutschen Sagen und zwei mit Balladen, die ich wirklich nur jedem ans Herz legen kann!

Das ist er also, mein November-Stapel…
Unglaublich, wie schnell das Jahr vergeht!
Kommt gut und ohne Schnupfen durch den Monat!

Verfrorene Grüße,
Eure Andrea

Review: Siebzehnter Sommer

Ach ja… an meinen siebzehnten Sommer erinnere ich mich noch gut.
Ich hatte gerade die Schule beendet, meinen zukünftigen Mann kennengelernt, angefangen Fahrstunden zu nehmen und freute mich darauf, mit der Ausbildung zu beginnen und endlich erwachsen und unabhängig zu werden…

Auch für Angie Morrow ist ihr siebzehnter Sommer eine Zeit des Neubeginns:  sie hat ebenfalls die Schule abgeschlossen und freut sich darauf, bald ans College nach Chicago zu gehen. Bis dahin war sie ein eher unscheinbares Mädchen und ist noch nie wirklich ausgegangen, doch dann spricht sie der gutaussehende Jack Duluth an und lädt sie zu einer Bootstour am See ein.
Von da an treffen sich Angie und Jack regelmäßig und so öffnet sich ihr eine völlig neue Welt. Plötzlich ist sie keine Beobachterin mehr, sondern mittendrin im Geschehen; auf Partys, in Bars und bei romantischen Pärchenabenden.
Und doch ist für Angie klar, daß dieses Glück ein Ablaufdatum hat, denn bald werden Jack und sie ihre Heimatstadt in unterschiedliche Richtungen verlassen…

Was sich anhört, wie die Inhaltsangabe von so ziemlich jeden Teeniefilm, ist tatsächlich ein amerikanischer Klassiker, der 1942 den Grundstein für die Young Adult Literatur legte und durchaus kontrovers diskutiert wurde.

Dabei wirkt „Siebzehnter Sommer“ von Maureen Daly inzwischen an einigen Stellen eher unbeabsichtigt komisch. Denn während man der ersten Liebe in heutigen Jugendromanen die Strichervergangenheit, Drogenhandel und sogar eine Vergewaltigung verzeihen kann (Antonia Michaelis „Der Märchenerzähler“), hat Angie ganz klare Grenzen, was sie tolerieren kann und was nicht.
Und so droht das junge Glück in einem denkenswerten Kapitel fast an dem Umstand zu zerbrechen, daß Jack beim gemeinsamen Eis essen nicht einmal, sondern unerträgliche zweimal mit der Gabel gegen seine Zähne stößt!
Hach, das waren wirklich andere Zeiten damals…

Während mir die Geschichte trotz ihrer leichten Angestaubtheit doch gefallen konnte – denn die Atmosphäre und die zwischenmenschlichen Spannungen werden wirklich treffend beschrieben – bin ich mit der Protagonistin Angie nie wirklich warm geworden.
Zwar ist sie die Erzählerin, doch gibt sie praktisch keine Einblicke in ihr eigenes Seelenleben. Außer natürlich in der Szene mit dem Eis… soviel Verzweiflung wurde wohl in der Literaturgeschichte selten so eindrucksvoll geschildert.
Zu keiner Zeit gesteht sie sich selbst ihre Gefühle zu Jack wirklich ein. Das wirkt dann irgendwann seltsam und blutleer. Ist das nun den Umständen der Zeit anzurechnen, in denen dieser Roman geschrieben wurde? Ich denke nein, denn in mehr als einer Szene äußert sich eine Freundin von Angie über deren vorgebliche Gefühlsarmut genauso frustriert wie es der Leser irgendwann ist.

„Siebzehnter Sommer“ ist aber trotz allem ein recht charmantes Buch.
Kann man gelesen haben, muss man aber nicht.

Mai-Freude

Willkommen im Mai!
Auch wenn sich der Wonnemonat heute nicht gerade von seiner besten Seite zeigt, freue ich mich schon sehr auf die nächsten (hoffentlich) sonnigen Tage und all die Bücher, die ich mir für diesen Monat ausgesucht habe, und auf die ich schon sehr gespannt bin.

Dank meines neuen Zimmers bin ich im April endlich wieder mehr zum Lesen gekommen, auch wenn einige Rezensionen noch ausstehen, weil das launische Wetter leider einige Krankheitstage mit sich gebracht hat.
Hoffentlich wird das diesen Monat wieder besser und ich komme endlich dazu, Euch von all den Büchern zu erzählen, die mich in den letzten Wochen begeistert haben.

Doch beginnen wir mit meiner Auswahl für den Mai:

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Worauf ich sehr gespannt bin, nicht zuletzt, weil zwei Kollegen schon davon geschwärmt haben, ist Friedemann Karigs Romandebüt Dschungel. Bisher kennen wir Karig nur von seinem Sachbuch „Wie wir lieben“, trotzdem liegt meine Erwartungshaltung recht hoch.
Gestern habe ich im Zug mit Dschungel angefangen und war sofort gefesselt von der Geschichte über eine, wie es auf den ersten Blick scheint, sehr ungleiche Freundschaft, die mich ein wenig an Dunkelgrün fast schwarz erinnert hat.
Mal sehen, wohin die Reise noch gehen wird… Zunächst einmal nach Kambodscha.

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Es ist mir ja fast schon ein bißchen peinlich, wie lange ich gebraucht habe, um zu kapieren, wer hinter dem nächsten Titel steckt, aber irgendwann fiel dann auch bei mir der Groschen und ich begriff, warum jeder so begeistert von Giulia Becker ist.
Die arbeitet nämlich als Autorin für das Neo Magazin Royale und tritt dort immer mal wieder in Sketchen oder mit ihren Songs auf.
Vor zwei Jahren besang sie das weibliche Geschlechtsorgan so leidenschaftlich wie witzig, daß ich dieses Lied rauf und runter hörte, bis sogar meine Söhne „Wir haben eine Scheide…“ mitsangen. Genau mein Humor!
Insofern freue ich mich auch ganz besonders auf ihr Debüt Das Leben ist eins der Härtesten und hoffe, sie schreibt so gut wie sie singt!

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Eine Autorin, die sich dagegen schon vor Jahren einen Namen gemacht hat, ist Sarah MossJen Campbell lobt sie in ihren YouTube-Videos immer wieder über den grünen Klee, weshalb ich mir zwar schon ihren autobiografischen Roman über Island auf Englisch besorgt, aber noch nicht gelesen habe.
Auf der Leipziger Buchmesse kam ich dann aber so nett mit einer Mitarbeiterin des Mare-Verlags ins Gespräch, daß sie mir den Roman Gezeitenwechsel, der ohnehin auf meiner Wunschliste stand, liebenswerterweise gleich in die Hand drückte.
Darin geht es um eine Familie, die lernen muss, mit dem unsicheren Gesundheitszustand der Tochter umzugehen. Als Mutter leide ich bei solchen Themen ja ganz besonders mit…

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Ein Titel, mit dem ich schon ein Weilchen geliebäugelt habe, ist Siebzehnter Sommer von Maureen Daly. Der Titel ist bereits 1942 auf Englisch erschienen, wurde aber vor zwei Jahren von der kleinen Wiener Buchhandlung Anna Jeller, die auch Bücher herausgibt, neu entdeckt.
Aufmerksam wurde ich, weil Kat Menschik, die auch das Cover illustriert hat, dafür Werbung machte, doch zunächst war es nicht über die Großhändler lieferbar und so verschwand das Buch ein wenig aus meinem Fokus, bis es jetzt vom Kein & Aber Verlag als Taschenbuch aufgelegt wurde.

An dieser Stelle ein kleines Geständnis: ich habe bisher noch nichts von Alina Bronsky gelesen!
Ihr neuster Titel Der Zopf meiner Großmutter hat mich nun aber vom Inhalt und Cover her so angesprochen, daß ich das schleunigst ändern wollte.
Familiengeschichten sind aber auch meistens recht spannend!

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Nachdem ich letzten Monat sehr angetan von Sy Montgomerys Autobiografie Einfach Mensch sein war, habe ich mir für diesen Monat ihr Naturkundebuch mit dem eingängigen Titel Vom magischen Leuchten des Glühwürmchens bei Mitternacht – Und anderen kleinen großen Wundern der Natur vorgenommen.
Darin erzählt sie nicht von den Tieren, die sie auf Expeditionen im Dschungel erforscht hat, sondern macht uns auf die kleinen, leicht zu übersehenden Pflanzen und Tiere vor unserer eigenen Haustür aufmerksam.
Gestern habe ich das erste Kapitel über Flechten gelesen und was soll ich sagen? Sy Montgomery schreibt tatsächlich so leidenschaftlich und begeistert, daß einem Flechten plötzlich so exotisch vorkommen, wie Lebewesen von einem anderen Planeten!

Zu gute Letzt darf natürlich auch diesen Monat keine Graphic Novel fehlen und nachdem ich im April Darwin – An Exceptional Voyage von Fabien Grolleau und Jérémie Royer gelesen hatte und sehr begeistert war, musste ich mir dann natürlich auch ihr zweites Buch Audubon – On the Wings of the World gönnen.
Audubon sagt vermutlich den wenigsten etwas, doch vielleicht habt Ihr von seinem Werk „The Birds of America“ gehört, das als einer der Schätze der Buchkunst gilt und bei Versteigerungen immer mehrstellige Millionenbeträge erzielt.
Nun bin ich gespannt, mehr über den Mann hinter diesem Buch zu erfahren!

Das ist er also, der Mai-Stapel.
Ich freue mich unheimlich über meine Auswahl!

Was liegt gerade auf Euren Lesestapeln und kennt Ihr vielleicht den einen oder anderen Titel von meiner Liste?

Ich wünsche Euch einen wunderschönen, hoffentlich sonnigen Mai!
Eure Andrea