Für das erste Buch in meinem Black History Month hätte ich wohl kaum ein besseres wählen können als „Heimkehren“ von Yaa Gyasi.
Ähnlich wie in „Roots“ von Alex Haley zeichnet Gyasi das Schicksal einer ghanaischen Familie über sieben Generationen vom 18. Jahrhundert bis heute nach.
Was die Geschichte ganz besonders spannend macht, ist daß die Familie bereits in der ersten Generation auseinander gerissen wird. Hier lernen wir die Halbschwestern Effia und Esi kennen, die sich aber selbst nie begegnen.
Während Effia einen britischen Gouverneur heiratet wird ihre Schwester Esi von eben diesem Gouverneur als Sklavin nach Amerika verkauft.
Effias Sohn genießt eine westliche Ausbildung und wird als Erwachsener Verbindungsmann der afrikanischen Sklavenhändler mit den Briten. Erst sein Sohn beschließt, dem Geschäft mit den Sklaven den Rücken zu kehren und wendet sich von seinem Vater ab. Doch die Familie ist daraufhin völlig entwurzelt und hat über Generationen hinweg mit dem Bruch zu kämpfen.
In den USA leiden währenddessen Esis Nachkommen unter der Sklaverei und ihren Folgen. Nach der Flucht von einer Baumwollplantage scheint die Familie im Norden in Sicherheit zu sein, doch nachdem das Gesetz geändert wird, wird auch dort Jagd auf entlaufene Sklaven gemacht (unabhängig davon, ob sie nun wirklich entlaufen sind oder nicht). Und auch nachdem die Sklaverei offiziell abgeschafft wird reicht das kleinste Vergehen oder nur eine Vermutung, um Schwarze zu jahrelanger Zwangsarbeit zu verurteilen.
Es hat mich wirklich sehr bewegt, wie die beiden Stränge der Familie zu kämpfen haben. Der afrikanische Teil leidet unter seinem schweren Erbe und den Erwartungen, die damit verknüpft sind, der amerikanische Teil fühlt sich absolut entwurzelt und hilflos.
Erst in der letzten Generation finden die beiden Stränge wieder zusammen und versuchen sich mit der Vergangenheit zu versöhnen.
Anfangs war ich ja ein bißchen skeptisch, ob ich nicht vielleicht den Faden verlieren würde. Jedes Kapitel wird nämlich von einer neuen Generation erzählt, wobei immer zwischen Afrika und Amerika gewechselt wird.
Doch tatsächlich habe ich mich sofort in jeden neuen Charakter einfühlen können und der Stammbaum im Anhang des Buches hat die Orientierung sehr erleichtert.
Zudem habe ich wirklich viel aus dem Buch mitnehmen können.
Wieso afrikanische Sklavenhändler ihre Landsleute an die Europäer verkauft haben und wie die Kolonialherren lokale Konflikte gezielt schürten um daran zu verdienen.
Oder welche Ausmaße die Ungerechtigkeit im Justizwesen hatte und wie die Auswirkungen bis heute spürbar sind…
Colson Whiteheads Underground Railroad kam ja fast zeitgleich mit „Heimkehren“ auf den Markt, doch die Geschichte um die entflohene Sklavin Cora konnte mich nicht so richtig abholen, weil ich immer eine gewisse Distanz zur Protagonistin gespürt habe.
Yaa Gyasi hat sich dem Thema meiner Meinung nach wesentlich eindringlicher und gefühlvoller genähert.
Von mir gibt es eine ganz klare Leseempfehlung!
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