„Washington Black“ – Mein Interview mit Esi Edugyan

Am Mittwoch stellte die kanadische Erfolgsautorin Esi Edugyan ihren neuen Roman „Washington Black“ im Amerikahaus München vor. Davor hatte ich die einmalige Gelegenheit, sie näher kennenzulernen und ein Interview mit ihr zu führen.
Das Wetter war sonnig und schön, also spazierten wir ein wenig durch München, tranken Kaffee, schauten bei mir im Laden vorbei, wo Esi ihre Bücher signierte und wir redeten über das Schreiben im allgemeinen, „Washington Black“ im besonderen und die anstehende Verfilmung dieses Romans, der letztes Jahr den kanadischen Giller Prize gewann, auf der Shortlist des Booker Prizes stand und es auf Barack Obamas „Lieblingsbücher des Jahres“-Liste schaffte.

Wer den Roman noch nicht kennt, kann sich in meiner Besprechung dazu einen kleinen Überblick verschaffen:

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Review: Washington Black

Das Interview lohnt sich auch dann, wenn man „Washington Black“ noch nicht gelesen hat, denn Esi Edugyan ist eine sehr intelligente, unheimlich reflektierte und humorvolle Frau, der man einfach gerne zuhört.
Vielleicht machen Euch ihre Antworten auf meine Fragen ja noch mehr Lust auf dieses Buch.

Liebe Esi, Du hast nach der Schule Kreatives Schreiben studiert und anschließend zunächst Kurzgeschichten und dann Deinen ersten Roman veröffentlicht.
Gab es einen besonderen Moment in Deinem Leben, in dem Du beschlossen hast, daß es das ist, was Du in Zukunft machen willst, oder kam das erst nach und nach?

Ich denke, das kam erst mit der Zeit. Als ich etwa dreizehn Jahre alt war, begann ich darüber nachzudenken, daß ich gerne Bücher schreiben würde, aber ich glaube, ich habe das damals noch nicht als richtigen Beruf wahrgenommen. Ich dachte damals wohl, das wäre etwas, was die Leute als Hobby am Wochenende machen.
Als ich dann nach dem Ende der Highschool studieren sollte, wusste ich nicht so recht, was. Ich war keine besonders gute Schülerin gewesen, außer bei den Sprachen. Es schien klar, daß ich mich in diese Richtung orientieren sollte, aber meine Eltern hatten Bedenken.
Also versprach ich meiner Mutter, zusätzlich zum kreativen Schreiben noch Journalismus zu studieren. Aber innerhalb weniger Monate wurde es offensichtlich, daß ich keine Journalistin werden würde. Dafür fiel es mir zu schwer, fremde Leute anzusprechen.
Danach konzentrierte ich mich ganz auf den kreativen Teil: ich studierte Lyrik, begann mit Belletristik und machte meinen Master. Dann gewann ich ein Stipendium und dachte: „Daraus mache ich wohl besser etwas!“, also schrieb ich meinen ersten Roman.

Gab es bestimmte Bücher oder Autoren, die Dich zum Schreiben inspiriert, oder die Deinen Stil beeinflusst haben?

Als Jugendliche habe ich Bücher gelesen, die man nicht gerade als gehobene Literatur bezeichnen würde. Was mich begeistert hat, waren Horror-Geschichten, die Romane von V. C. Andrews und dergleichen. Daran haben mich wohl hauptsächlich die Spannungsbögen fasziniert.
Als ich dann beschloss, selbst Schriftstellerin zu werden, überlegte ich, daß ich mir ein gewisses literarisches Grundwissen aneignen sollte. Also begann ich, die Klassiker zu lesen und verliebte mich in die Literatur des 19. Jahrhunderts: George Eliot, Thomas Hardy,… aber vor allem die Russen haben mich absolut begeistert.
„Schuld und Sühne“ habe ich immer einmal im Jahr gelesen. Jeden Herbst habe ich es aus meinem Regal gezogen und jedes Mal etwas anderes daraus für mich mitgenommen.
Und dann Tolstoi! Als ich „Anna Karenina“ las, war ich davon überwältigt, wie er es schafft, seine Figuren zum Leben zu erwecken; daß sie so sehr sie selbst sind, ohne dabei zu Karikaturen zu werden…
Ich war absolut gefangen. „Anna Karenina“ habe ich praktisch in einem Stück durchgelesen.

Kommen wir zu Deinem Buch… Ich habe gelesen, daß Du eigentlich einen Roman über den Tichborne Fall, bei dem ein Hochstapler sich als der verschwundene Sohn einer reichen, aristokratischen Familie ausgab, um an deren Vermögen zu kommen, schreiben wolltest und Dich eine Randfigur zu „Washington Black“ inspiriert hat.
War es eine Überraschung für Dich, daß sich Deine Geschichte in eine völlig andere Richtung entwickelt hat?

Ich überlege mir immer sehr lange, worüber ich schreiben will. Zuerst dachte ich, ich würde einen Roman schreiben, der in Afrika spielt; über die Dynastien, den Sklavenhandel,…
Dann stolperte ich eines Tages über einen Verweis auf den Tichborne Prozess, von dem ich davor noch nie gehört hatte. Selbst in England war die Geschichte in Vergessenheit geraten, obwohl es wohl der berüchtigtste Fall seiner Zeit war und sich über Jahrzehnte hinzog.
Ich dachte, ich könnte den Fall aus der Sicht von Andrew Bogle, eines der wichtigsten Zeugen der Verteidigung erzählen. Er war ein ehemaliger Sklave, der von einem Mitglied der Tichborne Familie von seiner Plantage in Jamaika gestohlen wurde, und derjenige, der den Hochstapler als Roger Tichborne identifizierte. Ich fand diese Geschichte unheimlich faszinierend. Er spielte eine Schlüsselrolle in einem der spannendsten Gerichtsfälle der Geschichte und trotzdem wurde dieser Mann fast völlig vergessen.
Als ich aber begann, darüber zu schreiben, spürte ich aber, wie ich den Bezug dazu verlor. Der Fall war so verworren, daß ich gar nicht wusste, wie ich anfangen sollte.
Trotzdem war ich immer noch fasziniert von der Geschichte dieses Mannes, der aus einem Leben voller Not und Elend kam, aus dem er urplötzlich und völlig unerwartet gerissen wurde und sich in einer Gesellschaft zurechtfinden musste, die so völlig anders war, als alles, was er sich jemals hätte vorstellen können…
Und ich dachte: das ist die Geschichte, die ich erzählen will und diese Geschichte wurde „Washington Black“.

Es gibt ja viele Bücher, die von der Flucht aus der Sklaverei erzählen. „Underground Railroad“ war wohl das prominenteste Beispiel in den letzten Jahren.
In „Washington Black“ geht es aber nicht so sehr um die tatsächliche Flucht, als vielmehr darum, inneren Frieden zu finden. Das ist ein scheinbar schwereres Unterfangen, als nur die Insel zu verlassen.
Wolltest Du der Geschichte von Anfang an diesen Schwerpunkt geben oder fiel diese Entscheidung beim Schreiben?

Ja, dieser Gesichtspunkt hat mich von Anfang an interessiert. Ich denke, ich habe in all meinen Büchern versucht, die Nachbeben von großen historischen Ereignissen einzufangen und wie sich das Leben durch solche Begebenheiten verändert.
Ich habe von „Washington Black“ immer als einem post-slavery Roman gesprochen und als das eine befreundete Kritikerin hörte, sagte sie: „Alle Romane über Sklaverei sind doch post-slavery!“ Nachdem sie es dann aber gelesen hatte, verstand sie genau, was ich damit ausdrücken wollte.
Es geht ja in erster Linie darum, die Wash nach seiner Flucht zunächst einmal ein eigenes Leben und eine eigene Persönlichkeit aufbauen muss, nachdem er sein ganzes bisheriges Leben emotional und intellektuell abgestorben war. Er muss herausfinden, wie es ist, ein ganzer Mensch zu sein und mit den Geistern und den Traumata aus seiner Zeit der Unterdrückung zu leben.
Selbst wenn man körperlich und rechtlich gesehen frei ist, kann man nicht in die Welt hinausgehen, ohne Einschränkungen zu erfahren, schon alleine, weil Wash schwarz und durch Verbrennungen entstellt ist. Er muss lernen, daß es immer Orte geben wird, an denen er nicht als Mensch wahrgenommen werden wird.

Washs Retter Titch ist an sich ein recht liebenswerter Charakter, aber trotzdem fühlt man sich nie ganz wohl mit seinen Motiven. Er tut die richtigen Dinge, aber aus den falschen, egoistischen Gründen.
In den letzten Jahren wurde ja immer wieder über die Rolle von weißen Retterfiguren, beispielsweise in Filmen, diskutiert. Titch ist einer dieser white saviors, aber im Lauf der Geschichte wird immer deutlicher, daß seine Rolle zu Spannungen zwischen ihm und Wash führt. Es wird extrem wichtig, daß Wash Titch damit konfrontiert und ihn zu seinen Motiven befragt.
War es Dir von Anfang an wichtig, über das Phänomen der Retterfiguren zu schreiben und eine Diskussion darüber anzustoßen, oder hat sich das beim Schreiben entwickelt?

Das hat definitiv mit der Zeit entwickelt.
Ich beginne jeden Roman mit den Figuren und sehe, wie sie miteinander interagieren. Am Anfang weiß ich oft selbst nicht, wohin alles hinauslaufen wird. Deshalb schreibe ich so viele Entwürfe. Für jeden meiner Romane gab es zehn bis zwölf davon und oft entwickeln sie sich in komplett unterschiedliche Richtungen.
Außerdem finde ich es schwer, mich einer Geschichte über ein Problem anzunähern. Ich finde, das wirkt am Ende oft zu gekünstelt.
Ich habe Wash und Titch einfach dabei beobachtet, wie sie miteinander umgehen und mich angefangen zu fragen, was Titchs Motive sind.
Daraufhin habe ich mich mehr und mehr mit den Gegnern der Sklaverei und ihren Beweggründen beschäftigt und immer abstrusere Geschichten entdeckt. Zum Beispiel habe ich in einem Buch über die Underground Railroad von einem Quäker-Treffen in New York gelesen, wo über die Abschaffung der Sklaverei gesprochen wurde. Man hatte dazu auch drei Schwarze eingeladen, aber sie mussten abseits auf eigenen Bänken sitzen und wurden nicht einmal nach ihrer Meinung gefragt. Sie mussten still dasitzen, während weiße Männer über ihr Schicksal diskutierten. Das ist schon sehr zynisch.
Und ich denke Titch hat einen ähnlichen Hintergrund. Für ihn ist die Sklaverei mehr ein Fleck auf der Moral der Weißen. Das ist wohl der Hauptbeweggrund für sein Handeln und schon sehr bedenklich.

Neben den Abenteuern und den Reisen spielt auch Wissenschaft eine große Rolle. Du schreibst von Luftschiffen, aber auch von Meereskunde…
Waren daß Themen, die Dich schon vorher interessiert haben oder hast Du das während der Recherchen zu „Washington Black“ für Dich entdeckt?

Das war definitiv zweiteres. Ich habe zwar viele Interessen, aber die Geschichte der Luftschifffahrt war keines davon. Derweil ist das Thema so faszinierend!
Und dann noch diese alten Tauchanzüge und wie man seinerzeit Tiere gefangen und Proben genommen hat… Es war eine wirkliche Freude, sich in all das einzulesen und darüber zu lernen.

Von Barbados, zur Arktis, nach London, Amsterdam und Marokko… In Deinem Roman schickst Du Wash auf eine Reise um die halbe Welt.
Und nun macht auch seine Geschichte eine ähnlich weite Reise, denn es ist bereits in vielen englischsprachigen Ländern ein großer Erfolg und wurde jetzt in mehrere Sprachen übersetzt.
Hast Du daran gedacht, daß sich die Reise von Wash mit seinem Buch wiederholen würde, als Du zu Hause am Schreibtisch gesessen bist und über all die fernen Länder geschrieben hast?

Nein, überhaupt nicht!
Es sind nun schon sieben Jahre vergangen, seit mein letztes Buch erschienen ist. Darin ging es um Jazz Musiker in Deutschland und Frankreich zwischen den Weltkriegen. Danach erwarteten viele meiner Leser ein weiteres Buch über Jazz oder den Zweiten Weltkrieg. Jetzt habe ich etwas völlig anderes geschrieben und vielleicht sind einige darüber enttäuscht, aber meine Interessen liegen inzwischen woanders.
Ich muss in jedem Buch etwas Neues machen, ich kann nicht immer wieder das Gleiche schreiben. Aber ich hatte keine Ahnung, wie meine Leser darauf reagieren würden. Daß es jetzt so gekommen ist und sich so viele Menschen auf der ganzen Welt dafür begeistern ist wirklich wunderbar.

Demnächst soll „Washington Black“ ja als Mini-Serie verfilmt werden und Du wirst als executive producer mit dabei sein.
Im Buch hattest Du ja alle Fäden in der Hand, hier wirst Du aber Kompromisse mit vielen Leuten eingehen müssen. Macht Dir das ein bißchen Angst oder freust Du Dich einfach auf dieses Projekt?

Ich freue mich schon sehr darauf!
Ich habe mich lange mit dem Drehbuchautor unterhalten und er hat ein wirklich tiefes Verständnis für mein Buch. Außerdem haben mich seine anderen Drehbücher begeistert, also weiß ich, daß es in guten Händen ist.
Wir hatten sowohl Angebote von öffentlichen Sendern als auch vom PayTV, was eine schwierige Entscheidung war. Natürlich wäre es schöner, wenn alle die Serie kostenlos sehen könnten, andererseits bietet PayTV wesentlich bessere Möglichkeiten, das Buch umzusetzen. Hier müssen wir nicht alle zwanzig Minuten einen Cliffhanger vor der Werbepause einbauen und auch die Sprache und Gewalt der Sklavenhalter muss nicht zensiert werden. Es ist mir wichtig, daß das nicht beschönigt wird.

Meine letzte Frage in Interviews ist immer diese:
Du bist Autorin, ich bin Buchhändlerin… Drehen wir den Spieß doch einmal um und jetzt darfst du mir ein Buch verkaufen!

Welches Buch muss ich gelesen haben?

Ich habe gerade „Just Kids“ von Patti Smith gelesen, und bestimmt kennst Du es, weil anscheinend jeder dieses Buch gelesen hat. Ich hatte davor schon Autobiografien von Musikern gelesen, die mich nicht wirklich begeistern konnten. Aber Smith ist so eine großartige Autorin! Sie schreibt unheimlich strukturiert, aber mit vielen Ebenen… eine richtige Poetin.
Beim Lesen bekommt man ein ganz wunderbares Gefühl für das New York der 70er Jahre, die Kunstszene und ihre schwierige Beziehung zu Robert Mapplethorpe.
Und sie kannte so gut wie jeden!
Das Buch hat mich wirklich sehr bewegt. Das wäre meine Empfehlung…

Okay, das werde ich wohl demnächst wirklich einmal lesen müssen!
Vielen Dank, daß Du Dir Zeit für meine Fragen genommen hast.

 

An dieser Stelle auch nochmal einen großen Dank an Dominique Pleimling und Uwe Kalkowski vom Eichborn Verlag, die dieses Interview möglich gemacht haben.
Es war mir eine große Freude!

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Bewertungssysteme: The Fault in Our Stars

Gestern Abend kochte es auf Twitter und Facebook ja zeitweise ziemlich hoch… Viele von euch haben bestimmt mitbekommen worum es ging, für alle anderen eine kurze Zusammenfassung:
Es begann damit, daß eine Autorin (ich möchte keine Namen nennen) zunächst den Ausschnitt einer Rezension auf ihrer Facebook-Seite veröffentlichte, diesen leicht säuerlich kommentierte und danach noch ein fünfminütiges (mittlerweile wohl gelöschtes) Video hochlud, in dem sie ihrem Unmut über Blogger Luft machte.

Zu diesem Video gäbe es viel zu sagen und das überlasse ich gerne auch anderen, doch was mich so irritierte war der Grund für diese Aktion. Es war nicht etwa eine schlechte, oder gar verletzende Rezension… Auslöser war, daß die Bloggerin das Buch zwar für gut befunden hatte, erwähnte daß sie aber nicht die Zielgruppe wäre und drei Sterne vergab.

Es waren die drei Sterne, die die Autorin als so himmelsschreiend ungerecht empfand!

Ich hatte schon gerüchteweise von Autoren gehört, die Besprechungen bei drei Sternen monieren würden, war aber immer davon ausgegangen, daß es sich hierbei um Leute handeln würde, die man persönlich kennt und die Rezensionsexemplare aus dem Kleinstverlag aus eigener Tasche zahlen müssten. Doch nein! Hier handelte es sich um eine Autorin, die bereits mehrere Titel bei einem sehr großen Verlagshaus im Programm hat. Ein Verlagshaus übrigens, daß viel Geld für Werbemittel (unter anderem eben Rezensionsexemplare) in die Hand nimmt.

Es gäbe viel zu diesem Video zu sagen… Muss man Leseexemplare absolut objektiv behandeln, wie die Autorin forderte? Darf man es nicht Rezension nennen, wenn man seine persönliche Meinung mit einbringt?
Wie gesagt… Vermutlich werden sich noch andere mit diesem Thema auseinandersetzen, was mir aber einfach nicht aus dem Kopf wollte war, daß es hier um drei Sterne ging!

Und wie es der Teufel so wollte, war ich über das neuste Buch dieser Autorin just an diesem Tag beim Bloggerportal und Vorablesen gestolpert.
Und wisst ihr was?
Ich hatte mir das Buch angeschaut und überlegt, ob ich es anfragen sollte… Obwohl ich sonst wenig Bücher in dieser Art lese, einfach weil mir das Cover gut gefallen hat und ich gerne auch outside the box lesen möchte und muss. (Als Buchhändlerin muss ich ja schließlich in allen Bereichen beraten können.)

So, und jetzt kommts:
Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätte dieses Buch auch nicht mehr als drei Sterne von mir bekommen und bevor ihr jetzt ruft: „Aber Andrea! Wie unfair kann man denn nur sein und das über ein Buch sagen, das man noch nicht mal gelesen hat?!?“ muss ich etwas erklären…

Ich vergebe keine Sterne und das aus gutem Grund.
Sterne bedeuten für jeden etwas anderes. Für mich wäre es in etwa so:

1 Stern verschwendete Lebenszeit
2 Sterne das Gute überwiegt das Schlechte
3 Sterne ein schönes Buch, hat mir gefallen
4 Sterne ein wunderbares Buch, es hat mich berührt
5 Sterne Ich bin sprachlos! Ein Meisterwerk!

So sieht sie also aus, meine persönliche Sterne-Einteilung, wenn ich denn eine machen müsste und dementsprechend sind die meisten Bücher, die ich lese 3-Sterne-Bücher.

Aber jeder hat eine andere Skala für sich festgelegt. Es gibt genug Leute für die fünf Sterne bedeuten: ein schönes Buch, das mich gut unterhalten hat.

Das Sternesystem ist absolut individuell und kommt dann noch der persönliche Geschmack dazu, ist es kein Wunder, daß manche Bewertungen so voreinander abweichen.

Was treibt also die Autorin eines großen Verlags dazu, sich dermaßen über eine drei Sterne Bewertung aufzuregen? Die meisten Argumente, die sie ins Feld führte waren reichlich undurchdacht und ständig wurde zurückgerudert…
Ist es der Druck, der vom Verlag aufgebaut wird, einen bestimmten Verkaufsrang erreichen zu müssen?
Irgendwie kann ich mir das nicht so recht vorstellen, da der Verlag ausdrücklich schreibt, daß auch negative Rezensionen willkommen sind.
Was man bei dem Video deutlich gespürt hat, war eine Frustration darüber, daß mittlerweile jeder seine Meinung kundtun darf und daß ein Blog eine gewisse „journalistische Berechtigung“ darstellen soll, auch wenn die Qualität dafür fehlt.

Das Traurige an der ganzen Geschichte ist für mich, daß es wohl eine gute Besprechung war, die sie da bekommen hat. Einzig die Sternevergabe konnte sie nicht nachvollziehen. Wären die nicht gewesen, hätten wir letzte Nacht weniger wütende Blogger und keine Autorin gehabt, der vielleicht mittlerweile auch schon aufgegangen ist, daß sie sich da einen Bärendienst geleistet hat.

Ich kenne einige Blogger, die mit den Bewertungssternen recht unglücklich sind. Doch bestimmte Seiten lassen es nicht zu, eine Besprechung zu schreiben ohne Punkte abzugeben.

Was also tun?
Sollen Blogger jetzt per se nur noch vier oder fünf Sterne vergeben dürfen?

Als Buchhändlerin bin ich schon des Öfteren über die Sternefalle gestolpert.
Ein Beratungsgespräch ist mir da bis heute in Erinnerung:

Kunde: “ Ich habe im Internet recherchiert und dieser Reiseführer ist der beste, was können Sie mir dazu sagen?“
Ich: „Wie meinen Sie das? Der Beste?“
Kunde: „Er hat die meisten Sterne bekommen!“
Ich: „Was haben Sie denn vor?“
Kunde: „Ich mache eine dreimonatige Tour durch das Land!“
Ich: „Als Backpacker?“
Kunde: „Ja.“
Ich: „Haben Sie schon eine feste Route und Unterkünfte gebucht?“
Kunde: „Nein.“
Ich: „Dann ist das leider der falsche Führer für Sie. Der wird Ihnen nicht bei dem helfen, was sie brauchen.“
Kunde: „Aber komisch, daß der dann im Internet so gut bewertet wird…“
Ich: „Das Internet hat Sie ja auch nicht gefragt, was Sie brauchen!“
Kunde: „Hmmm… Stimmt.“

Sterne machen niemanden so wirklich glücklich und trotzdem fallen wir alle immer wieder darauf herein. Ich ertappe mich selbst dabei, wie ich bei Hotels, Restaurants oder Elektroartikeln nach den Sternen schiele.
Es ist verführerisch, mit einem so einfachen Bewertungssystem zu arbeiten. Aber was sagt es wirklich aus?

Allen Bloggern möchte ich raten: lasst Euch nicht verunsichern. Bei einigen habe ich in letzter Zeit festgestellt, daß die Sterne gegen Kategorien wie Lieblingsbuch oder Zwischendurchlektüre ersetzt wurden.
Vielleicht ist das ja schon mal ein Anfang, auch wenn bestimmte Plattformen uns weiter zu Sternevergaben zwingen werden.

Und an die Autoren: natürlich möchte man sein Buch lieber im Feuilleton der Süddeutschen sehen, als auf dem Blog einer Schülerin, die im schlimmsten Fall auch noch sagt, daß es ihr nicht gefallen hat. Aber auch diese Leute leisten viel Arbeit für Euch. Und ja, es werden Bewertungen dabei sein, die euch nicht gefallen und die ihr als unfair empfindet. Und ja, es kann Euch aufregen, daß für diese Meinung Geld aus Eurem Werbeetat (sprich: Rezensionsexemplare) bezahlt wurde.
Aber: jemand macht sich die Mühe, Euer Buch zu lesen, es zu fotografieren, eine Besprechung dazu zu schreiben, es auf Instagram, Twitter und Facebook zu posten, es bei Amazon, LovelyBooks oder Goodreads zu bewerten und das ist Arbeit! Vergesst das bitte nicht.
Ja, über die Qualität einiger Rezensionen kann man streiten aber jeder versucht sein bestes.

Lasst Euch bitte nicht auf Sterne reduzieren!

Liebe Grüße,
Andrea