Review: 1913 – Was ich unbedingt noch erzählen wollte

Rechtzeitig zum Jahr 2013 brachte Florian Illies ja das fabelhafte Buch „1913 – Der Sommer des Jahrhunderts“ heraus. Nun ist es nicht so, daß sich dieses Jahr ins kollektive Bewusstsein der Menschen gebrannt hätte… Jahreszahlen wie 1933 oder 1945 sind da wesentlich präsenter, doch Illies schrieb eine Hymne auf ein Jahr, in dem Kunst und Kultur in Europa einen Höhepunkt erreichten, bevor dieser Kontinent von zwei schrecklichen Kriegen zerrissen wurde.

Damals begeisterte mich dieses Buch so, daß ich es schon während des Lesens zu einem meiner liebsten Sachbücher kürte, und daran hat sich in den letzten fünf Jahren nicht viel geändert.
Als ich damit fertig war hatte ich einen schweren Fall von Buchausweh (das ist wie Heimweh, nur nach Büchern) und wünschte mir, die Geschichten all der interessanten Personen weiterlesen zu können.

Mein Chef meinte damals: „Jetzt willst du „1914“ oder was?“
Aber nein, das wollte ich nicht!
Ich wollte nichts von Krieg und Tod lesen! Ich wollte einen zweiten Band von „1913“ und ich rechne es Florian Illies hoch an, daß er diesen nun extra für mich geschrieben hat. 😉

„1913 – Was ich unbedingt noch erzählen wollte“ folgt dem selben Schema wie auch schon sein Vorgänger. In kleinen Notizen und Episoden, die manchmal zwei Seiten, dann wieder nur wenige Zeilen lang sind, schreibt Illies was von Januar bis Dezember 1913 so alles passierte:
Sigmund Freud behandelt die großen Denker seiner Zeit, Kafka schreibt seiner Verlobten Felice Bauer, daß es keine gute Idee wäre, ihn zu heiraten und Marcel Proust arbeitet sein Manuskript von „Das Flimmern des Herzens“ so lange um, bis sein Lektor fast wahnsinnig und der Titel schließlich in „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ geändert wird…

Solche und ähnliche Anekdoten zeichnen ein lebendiges Bild dieses Jahres; mal humorvoll, dann wieder mit wunderbar unnützen Wissen gespickt und gerne auch mal die Schatten der Zukunft vorauswerfend.

Die beiden „1913“-Bände sind keine trockenen Geschichtsbücher, sondern leicht fiktionalisierte, literarische Werke, die auch jedem, der sich sonst nicht besonders für historische Themen interessiert einfach Spaß beim Lesen machen.
Man greift ständig zum Smartphone um bestimmte Kunstwerke zu googeln, oder Sachverhalte ausführlicher auf Wikipedia nachzulesen.
Nach dem ersten Teil las ich anschließend sofort die Alma Mahler-Werfel Biografie „Witwe im Wahn“ von Oliver Hilmes, so neugierig hatte mich die Geschichte von Alma und Oskar Kokoschka gemacht.

„1913 – Was ich unbedingt noch erzählen wollte“ ist ein ganz ausgezeichnetes Buch, das man auch wunderbar verschenken kann.
Wer den ersten Band noch nicht gelesen hat, kann ohne Probleme mit Teil zwei beginnen, es sind aber ein paar Insider-Witze für Fans des ersten Bandes eingebaut.
So fragte mich ein Kunde, dem ich das neue Buch in die Hand drückte augenzwinkernd: „Und Rilke?“
Worauf ich antwortete: „Der hat immer noch Schnupfen!“

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