Ein Titel, der zugegebenermaßen völlig an mir vorbeigegangen wäre, wenn mich mein Kollege Christoph, der mich vor Kurzem bei zwei Podcast Folgen unterstützt hat, nicht darauf gestoßen hätte, ist „Queenie“ von Candice Carty-Williams.
Ausgezeichnet als Book of the Year beim British Book Award erwartet man natürlich ein Werk, das sich literarisch oder thematisch von anderen Titeln abhebt. Der Slogan, daß es sich bei Queenie um die Schwarze Bridget Jones handeln würde, irritierte mich da jedoch etwas. – ChickLit oder literarisch relevant?
Gemeinsam mit Christoph nahm ich mir also diesen Roman vor und erlebte dabei eine emotionale Achterbahnfahrt, wie ich sie bei kaum einem anderen Titel dieses Jahr erlebt habe.
Queenie ist Mitte zwanzig und hat einen vergleichsweise schlecht bezahlten Job bei einer Zeitschrift. Als erste in ihrer jamaikanisch-stämmigen Familie hat sie studiert, doch anstatt nun beruflich durchzustarten, steht sie sich meist selbst im Weg.
Als ihr langjähriger Freund Tom sie um eine Beziehungspause bittet und Queenie zeitgleich erfährt, daß sie eine Fehlgeburt hatte, stürzt sie in ein tiefes Loch. Sie muss die gemeinsame Wohnung verlassen und sucht verzweifelt nach einer bezahlbaren Bleibe, wobei sie immer wieder an zwielichtige Typen gerät. Sie versucht, ihre Beziehung zu Tom zu kitten, doch der blockt jeden ihrer Versuche, Kontakt mit ihm aufzunehmen, ab. Um sich ein wenig von dieser trostlosen Situation abzulenken, meldet sich Queenie bei Dating-Apps an und durchlebt ein katastrophales Date nach dem nächsten, wobei die Männer ihre Einsamkeit und Verletzlichkeit schamlos ausnutzen.
Als sie dann auch noch von ihrem Job suspendiert wird und ihr eine ihrer besten Freundinnen die Freundschaft kündigt, erleidet Queenie einen kompletten seelischen Zusammenbruch und es braucht viel Kraft, Zeit und Hilfe, um sich aus diesem Tal herauszukämpfen.
Erzählt man allein die Handlung von „Queenie“ hört sich dieser Roman nach ganz schön harter Kost an und tatsächlich gab es auch immer wieder Szenen, bei denen ich kaum weiterlesen konnte.
Dabei erzählt Candice Carty-Williams jedoch mit einer so humorvollen und lockeren Art, daß man anfangs tatsächlich das Gefühl hat, man würde ChickLit lesen.
Zunächst war ich ehrlich gesagt auch eher irritiert von diesem Buch. Wie schon gesagt, erwarte ich bei einem preisgekrönten Titel einen gewissen literarischen oder thematischen Mehrwert, doch all das schien „Queenie “ zunächst nicht zu bieten.
Der Schreibstil ist nicht besonders anspruchsvoll und die Geschichte erinnert anfangs auch stark an all die üblichen 08/15 RomComs, in denen eine charmant naive Protagonistin von einem Fettnäpfchen ins nächste stolpert, bevor sie am Ende das große Glück findet.
Doch Candice Carty-Williams setzt dem Leser diese Klischees vor und beginnt sie nach und nach umzukehren. Denn es ist kein einfaches Missverständnis, das nur aufgeklärt werden muss, damit es zum Happy End kommen kann, sondern sehr viel harte Arbeit. Es ist auch kein gutaussehender Typ, der Queenie am Ende aus ihrem Elend rettet, sondern ein Plädoyer dafür, das selbst zu tun und daß es okay ist, sich dabei Hilfe zu holen. Der Vergleich zu Bridget Jones wurde ja öfter bemüht (im Übrigen von Candice Carty-Williams selbst, die diesen Vergleich aufbrachte, um die Verleger zu überzeugen, daß ihr Roman durchaus massentauglich wäre) und tatsächlich kommt auch in „Queenie“ eine Figur namens Darcy vor, die allerdings nicht der Ritter in schimmernder Rüstung ist, sondern Queenies beste Freundin.
Auch andere wichtige Themen werden angesprochen, wie zum Beispiel Depression, psychische Erkrankungen und deren Stigmatisierung. Was „Queenie“ jedoch in meinen Augen extrem relevant macht, ist das ständig präsente Hintergrundrauschen der Mikroaggressionen und des Alltagsrassismus, deren Opfer Queenie Tag für Tag wird; seien es nun beschwipste Mädchen, die ihr in der Disko durch die Haare wuscheln, oder rassistische Männer, die offenbar gezielt Schwarze Frauen daten, um sie dann zu demütigen.
Als die Black Lives Matter Bewegung im Frühling nach Deutschland schwappte und es auch hierzulande Proteste und Kundgebungen gab, empfahlen viele Buchblogger Leselisten mit Schwarzen Autor:innen, die man dringend gelesen haben sollte. Großartige Titel waren dabei, wie Underground Railroad, Heimkehren, Sing, Unburied, Sing, oder Washington Black; trotzdem schien mir etwas zu fehlen und lange Zeit konnte ich den Finger nicht wirklich darauf legen, was das war.
Erst beim Lesen von „Queenie“ wurde mir dann plötzlich klar, daß ich kaum Bücher kenne, in denen es um Schwarze Protagonist:innen geht, die nichts mit institutionellem Rassismus oder Sklaverei zu tun haben.
„Queenie“ lässt sich in keine Schublade stecken, es erfüllt die Erwartungen seiner Leser bewusst nicht und schwankt ständig von humorvoller ChickLit zu sozialkritischem Roman. Viele Leser tun sich schwer damit, daß man sich nie ganz sicher sein kann, was denn nun die Intention der Autorin ist, oder auch mit der Protagonistin Queenie, an der man hin und wieder verzweifelt.
Auch ich war anfangs zunächst irritiert, was ich von „Queenie“ halten sollte und fand die Hauptperson hin und wieder extrem nervig, auch wenn mir immer bewusster wurde, daß deutlich mehr in diesem Roman steckt, als es zunächst den Anschein hatte.
Im Mittelteil stellte ich dann irgendwann fest, daß ich mich Abends immer richtig darauf freute, weiterlesen zu können. – Wie bei einer guten Serie, die man durchsuchtet.
Am Ende war ich dem Buch dann komplett verfallen. Ich liebte Queenie, mit all ihren Marotten, ich gab ihrer Freundin Kyazike Szenenapplaus und hatte Tränchen in den Augen, als sich ihr fabelhafter Großvater hinter Queenie stellte.
All das hat „Queenie“ für mich zu einem meiner Lesehighlights des Jahres gemacht und ich hoffe sehr, daß sich auch hierzulande mehr Verlage trauen, Bücher auf den Markt zu bringen, in denen es eben nicht um Rassismus und Sklaverei, sondern das ganz normale Leben von Schwarzen Protagonist:innen geht.
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Ein Gedanke zu „Review: Queenie“