Review: Das Evangelium der Aale

Wenn man mir noch vor ein paar Wochen gesagt hätte, daß ein Sachbuch über Aale zu meinen Favoriten dieses Frühjahrs gehören würde, dann hätte ich denjenigen vermutlich für verrückt erklärt!
Mit Aalen hatte ich bisher so gar nichts am Hut und um ehrlich zu sein, wusste ich nicht das Geringste über sie. Doch dann wurde mir „Das Evangelium der Aale“  des schwedischen Journalisten Patrik Svensson empfohlen und schon das erste Kapitel faszinierte mich so sehr, daß ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen konnte.

Viele empfinden den Aal als eklig, manche lieben es, ihn zu essen, für Svensson war er ein wichtiges Bindeglied zwischen ihm und seinem Vater.
Als Kind verbrachten die beiden viele Abende gemeinsam beim Aalfischen und auch später, als sie das nicht mehr gemeinsam taten, war es doch ein verbindenes Thema, auch wenn Vater und Sohn immer weniger gemeinsam zu haben schienen…

Der Aal ist ein wirklich faszinierendes Wesen, wenn man sich denn einmal mit ihm beschäftigt. Berühmte Wissenschaftler, wie Aristoteles, der eben nicht nur Philosoph war, oder auch Sigmund Freud, bissen sich die Zähne daran aus, herauszufinden, was es eigentlich mit dem Aal auf sich hat.
Denn der Lebensweg dieser Fische ist wirklich spannend: Er beginnt in der Sargassosee, nahe der Karibik, wo die Aale das Licht der Welt erblicken. Als sogenannte Weidenblattlarven treiben sie mit dem Golfstrom in Richtung der europäischen Küsten, wo sie eine Metamorphose vollziehen und zu Glasaalen werden; dünne, etwa fingerlange durchscheinende Fischlein, die besonders im Baskenland als Delikatesse gelten.
Sie beginnen, die Flüsse hinaufzuschwimmen und verwandeln sich ein weiteres Mal. Diesmal in den Gelbaal, den man wohl vor Augen hat, wenn man eben an Aale denkt.
So lebt er für viele Jahre in den Flüssen uns Seen und kann unter bestimmten Umständen ein geradezu biblisches Alter erreichen; offenbar lebte ein Aal – abgeschnitten vom Rest der Welt – an die 150 Jahre in einem Brunnen.
Doch früher oder später folgen sie einem Ruf der Natur und beginnen, die Flüsse wieder Richtung Meer herabzuschwimmen und eine letzte Metamorphose zu durchlaufen: die zum Blankaal.
Erst jetzt entwickelt der Aal Geschlechtsorgane, er hört auf zu fressen und wendet alle im verbleibende Kraft dafür auf, um wieder zu dem Ort zu gelangen, von dem er kam: zur Sargassosee. Was aber dort passiert, das hat die Wissenschaft auch bis heute nicht vollständig erforschen können.
Man weiß, daß die Aale dorthin schwimmen und nicht mehr zurückkehren und man weiß, daß hier kurze Zeit später die kleinsten Weidenblattlarven gefunden werden, doch wie sich der Aal vermehrt, das hat noch niemand beobachten können.

Bis heute gibt der Aal uns viele Rätsel auf, dabei ist ein tieferes Verständnis dieses Fisches unablässig, wenn wir ihn schützen wollen. Denn seine Art ist durch Überfischung, die Turbinen der Wasserkraftwerke, aber vor allen Dingen durch steigende Wassertemperaturen vom Aussterben bedroht. Und es ist fast völlig unmöglich, den Aal nachzuzüchten, um die Bestände wieder zu erhöhen.

Patrik Svensson gelingt es in diesem Buch eine persönliche und berührende Geschichte mit faszinierenden Fakten zu vermischen. Dabei schreibt er ebenso informativ, wie poetisch.

„Das Evangelium der Aale“ ist definitiv eines meiner Frühlings-Highlights und ich kann es jedem, der hin und wieder ein gutes Sachbuch lesen möchte nur ans Herz legen. Auch, wenn man Aale vielleicht anfangs ein wenig eklig findet.

Autor: Lesen... in vollen Zügen

Seit 20 Jahren arbeite ich als Buchhändlerin in München und seit 2017 gibt es nun "Lesen... in vollen Zügen". Hier möchte ich euch vorstellen, welche Bücher mich gerade bewegen. Meine Beträge verfasse ich im Plauderton, eben so, wie ich auch mit meinen Kunden im Laden ins Gespäch komme. Der Schwerpunkt liegt dabei auf aktueller deutsch- und englischsprachiger Literatur. Aber ich bin auch ein großer Fan von schönen Illustrationen und stelle deshalb regelmäßig Graphic Novels und spannende illustrierte Sachbücher vor. Zu meinen Lieblingsautoren gehören Haruki Murakami, Banana Yoshimoto und Amélie Nothomb. Außerdem mache ich mir immer wieder Gedanken zum Thema Leseverhalten in der Rubrik Mein Leben als Leser und plaudere aus dem Nähkästchen in Bekenntnisse einer Buchhändlerin. Wem jetzt aber die Züge bei "Lesen... in vollen Zügen" zu kurz kommen, der kann gerne bei In vollen Zügen nach… vorbei schauen. Hier berichte ich von meinen Zugreisen, den Büchern, die mich dabei begleiten, den Städten die ich besuche und natürlich auch von schönen Buchhandlungen, die es dort zu entdecken gibt.

5 Kommentare zu „Review: Das Evangelium der Aale“

    1. Haha… Also der Aal wurde achtzehnhundertirgendwann von einem kleinen Jungen gefangen und in den Brunnen vor seinem Haus geworfen.
      Seitdem hat da immer ein Aal gelebt. Zweitausendnochwas hat dann eine Filmcrew den Brunnen ausgepumpt und tatsächlich einen Aal am Grund gefunden. Der war sehr klein und hatte riiiesige Augen, war also seit Ewigkeiten an das Leben in dem dunklen Brunnen angepasst.
      Sie haben ihn dann schwimmen lassen und ein paar Jahre später ist er gestorben. Allerdings war er schon halb verrottet, als die Forscher anrückten und man konnte die Gehörknöchelchen nicht mehr finden, mit denen man das Alter zweifellos hätte bestimmen können.
      Besser dokumentiert ist die Geschichte des Aals Putte, der 90 Jahre in einem Aquarium lebte.

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