Auf zur Buchmesse! – Auf nach Norwegen!

Morgen Früh werden die weltbesten Kollegen und ich nach Frankfurt aufbrechen und dann am Donnerstag und Freitag die Messe unsicher machen.
Ich freue mich schon sehr auf all die Treffen mit Verlagen, Autoren und natürlich mit Euch! Und ganz besonders freue ich mich auch schon auf das diesjährige Gastland der Buchmesse: Norwegen.

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Meine erste Bekanntschaft mit der norwegischen Literatur machte ich mit Jostein Gaarder. An seinem Roman „Sofies Welt“ kam seinerzeit wirklich niemand vorbei… Über ein Jahr lang (um genau zu sein 63 Wochen) stand er auf Platz 1 der Spiegel Bestseller-Liste.
Ich weiß noch, wie eine Klassenkameradin „Sofies Welt“ in einem Referat vorstellte und ich sofort wusste: Dieses Buch muss ich haben!
Damals war ich 13 oder 14 Jahre alt und nicht wirklich an klassischer Philosophie interessiert, trotzdem fesselte mich die Geschichte von Sofie, die rätselhafte Briefe erhält, in denen sie eben darin unterrichtet wird.
Zugegeben… Gegen Ende des Buches fand ich die immer komplexer werdenden Ideen ein wenig ermüdend und so blätterte ich meist weiter, um zu erfahren, was denn eigentlich mit Sophie passierte… Trotzdem hat mich dieser Roman schwer beeindruckt.

Es war das erste Buch, über das ich mit Erwachsenen reden wollte und nachdem ich „Sofies Welt“ als Buchclub Ausgabe gekauft hatte, holte ich mir die anderen Bücher von Jostein Gaarder in den schönen Ausgaben vom Hanser Verlag. Vermutlich hat mich „Das Kartengeheimnis“ fast im Alleingang zur Bibliophilen gemacht. Die unverwechselbare Covergestaltung von Quint Buchholz, die Halbleinenbindung, das wunderschöne Vorsatzpapier und die Illustrationen im Buch… Ich erfreute mich einfach stundenlang daran und vielleicht kam da auch schon der Wunsch, später mit Büchern zu arbeiten.

Dank Jostein Gaarder habe ich als Jugendliche Lust dazu bekommen, mich auch intellektuell mit den Büchern auseinanderzusetzen und nicht nur Geschichten zu konsumieren. Inzwischen üben die neuen Titel von ihm aber keinen großen Reiz mehr auf mich aus. Ich weiß noch, daß mich das Ende von „Das Orangenmädchen“ regelrecht erboste…
Trotzdem werden „Sofies Welt“ und die Bände, die kurz darauf ins Deutsche übersetzt wurden, immer einen nostalgischen Platz in meinem Herzen haben.

Im Zuge der Buchmesse wurde nun viel aus dem Norwegischen übersetzt. Im Laufe der letzten Wochen habe ich Euch schon einige Titel ausführlich vorgestellt, heute wollte ich Euch nochmal alles zusammenfassen.
Durch einen Klick auf die blau unterlegten Titel gelangt Ihr auf meine Rezensionen.

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Was sich beim Lesen recht schnell abzeichnete: Die Norweger schrecken vor schwierigen und unbequemen Themen nicht zurück.

Die ersten beiden Titel handeln dann auch gleich von Selbstmorden.
In „Ein Freitod“ verarbeitet Comic-Künstler Steffen Kverneland den Tod seines Vaters in Form einer Graphic Novel. Sehr persönlich, ungeschönt und ehrlich…

Ein Roman, der viel diskutiert wurde ist „Durch die Nacht“ von Stig Sæterbakken; nicht zuletzt, weil der Dumont Verlag unter dem Hashtag #thepassionweshare zum gemeinsamen Lesen aufforderte, wobei einem ein norwegischer Lesepartner an die Seite gestellt wurde. – Eine schöne Aktion!

Sæterbakken war selbst Leiter des norwegischen Literaturfestivals, bis er wegen eines Skandals den Hut nehmen musste und bald darauf, kurz nach dem Erscheinen von „Durch die Nacht“, Selbstmord beging.

Auch der Roman handelt von diesem Thema und wird durch die Geschichte des Autors umso beklemmender.
Was den Skandal betrifft, so könnt Ihr gerne die Podcast-Folge anhören, in der ich ein paar Hintergrundinformationen zu diesem Thema recherchiert habe.

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Düsteren Themen widmet sich auch Maja Lunde. In ihrem Klima-Quartett beschreibt sie die Katastrophe, auf die unsere Welt zusteuert, indem sie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erzählerisch miteinander verbindet.
„Die Geschichte der Bienen“ war ein durchschlagender Erfolg, als dann „Die Geschichte des Wassers“ auf den Markt kam waren viele irritiert davon, daß die Autorin das Thema Klimawandel wieder in sehr ähnlicher Form aufbereitet.
Ich muss gestehen, daß ich zwar auch Bedenken habe, daß sich dieses Projekt nicht irgendwann totläuft, zumal sich Maja Lunde einen recht straffen Zeitplan gesetzt hat. Da mir „Die Geschichte des Wassers“ allerdings tatsächlich fast besser gefallen hat als „Die Geschichte der Bienen“, werde ich ihrem nächsten Buch der Reihe „Die Letzten ihrer Art“, das demnächst erscheinen wird, auf jeden Fall eine Chance geben.

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Zwei Titel, die sich mit einem recht positiven Erzählton schwierigen Themen widmen, sind „Was helfen könnte“ von Mona Høvring und „Mittwoch also“ von Lotta Elstad.

In „Was helfen könnte“ geht es um die Einsamkeit und wie eine junge Protagonistin versucht, diese mit sexuellem Verlangen zu stillen, ganz ähnlich wie in „Mittwoch also“, wo die Hauptfigur, von ihrem Freund verlassen wird und sich auf einen One-Night-Stand einlässt, bei dem sie schwanger wird.
In beiden Romanen erleben wir Frauen, die nicht notwendigerweise stark und auch nicht wirklich glücklich mit ihrem Leben sind, die es aber letztendlich selbst in die Hand nehmen wollen.

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Auch Liebesgeschichten kommen aus Norwegen, doch in „Die Geschichte einer Ehe“ von Geir Gulliksen erleben wir das Scheitern einer großen Leidenschaft.
Tieftraurig, sehr erotisch und mit einer unkonventionellen, spannenden Erzählperspektive war dieses Buch eines, das mich wohl von den norwegischen Neuerscheinungen mit am meisten beeindruckt hat.

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Wem das jetzt aber alles zu viel Drama und zu viele schwierige Themen waren, dem seien zum Schluß noch die norwegischen Märchen von Asbjørnsen und Moe wärmstens ans Herz gelegt.
In der schönen Sammlung „Die Puppe im Grase“ hat sich meine Lieblingsillustratorin Kat Menschik wiedereinmal gestalterisch austoben können und meine Güte, was das für ein schönes Buch geworden ist!
Mein absoluter Norwegen-Lieblingstitel in diesem Herbst.

Das war er also, mein kleiner Ausflug in die norwegische Literatur.
Welche Autoren dieses Landes könnt ihr besonders empfehlen?

Und natürlich: Sehen wir uns auf der Messe?
Es würde mich freuen, wenn ich Euch treffe!

Bis dahin liebe Grüße,
Eure Andrea

Autor: Lesen... in vollen Zügen

Seit 20 Jahren arbeite ich als Buchhändlerin in München und seit 2017 gibt es nun "Lesen... in vollen Zügen". Hier möchte ich euch vorstellen, welche Bücher mich gerade bewegen. Meine Beträge verfasse ich im Plauderton, eben so, wie ich auch mit meinen Kunden im Laden ins Gespäch komme. Der Schwerpunkt liegt dabei auf aktueller deutsch- und englischsprachiger Literatur. Aber ich bin auch ein großer Fan von schönen Illustrationen und stelle deshalb regelmäßig Graphic Novels und spannende illustrierte Sachbücher vor. Zu meinen Lieblingsautoren gehören Haruki Murakami, Banana Yoshimoto und Amélie Nothomb. Außerdem mache ich mir immer wieder Gedanken zum Thema Leseverhalten in der Rubrik Mein Leben als Leser und plaudere aus dem Nähkästchen in Bekenntnisse einer Buchhändlerin. Wem jetzt aber die Züge bei "Lesen... in vollen Zügen" zu kurz kommen, der kann gerne bei In vollen Zügen nach… vorbei schauen. Hier berichte ich von meinen Zugreisen, den Büchern, die mich dabei begleiten, den Städten die ich besuche und natürlich auch von schönen Buchhandlungen, die es dort zu entdecken gibt.

11 Kommentare zu „Auf zur Buchmesse! – Auf nach Norwegen!“

  1. Moin Andrea!

    An „Sofies Welt“ bin ich kolossal gescheitert, wie ich gerade in der letzten Montagsfrage erläutert habe. Dafür liebe ich die Illustrationen von Quint Buchholz, der u.a. auch die Nero Corleone-Bücher gestaltet hat.

    Ich wünsche Dir ganz viel Spaß auf der FBM – vielleicht schaffe ich es irgendwann auch mal dorthin!

    Lieben Gruß
    Andreas

    P.S. Wer die Montagsfrage nachlesen möchte:
    https://andreaskueckleselust.com/2019/10/14/montagsfrage-55-welches-buch-das-man-nach-allgemeiner-meinung-gelesen-haben-sollte-hast-du-noch-nicht-gelesen-warum-nicht/

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      1. Vielleicht schaffst Du ja ein Viertel oder gar die Hälfte, wäre doch bestimmt schon ein Erfolg, denn meistens nimmt man sich zuviel vor . Hauptsache man ist am Ende des Tages zufrieden.😀

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  2. Seit rund einem viertel Jahrhundert steht auch in meinem Bücherregal „Sofies Welt“. Ich habe das Buch jetzt sicher schon 5 Mal angefangen zu lesen…aber ich werde einfach nie fertig damit weil es mich meist an der selben Stelle anfängt zu ermüden und dabei finde ich es eigentlich super und würde gerne mal erlesen wie die Geschichte ausgeht 🤷‍♀️. Ich schließe mich den Vorkommentatoren an und wünsche dir viel Spaß auf der Messe!

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