Review: Mittwoch also

Vor der Buchmesse hatte ich mir ja vorgenommen, mich ein bißchen in das diesjährige Gastland Norwegen einzulesen. Was ich dabei bisher gelernt habe: die norwegischen Autoren schrecken vor schwierigen Themen nicht zurück!
So auch in diesem Fall, denn in „Mittwoch also“ von Lotta Elstad geht es um Abtreibung.

Hedda ist Anfang dreißig, Journalistin und ausgerechnet in Lukas verliebt, der geschäftlich fast ununterbrochen auf Reisen ist. Als sich dieser von ihr trennt und Hedda fast zeitgleich ihren Job verliert, gerät ihr Leben komplett aus dem Tritt.
Einer Laune folgend bucht sie sich einen Flug nach Athen; einfach nur weg von allen Problemen!
Doch der Flug verläuft ähnlich dramatisch wie Heddas Leben in letzter Zeit: Wegen eines medizinischen Notfalls muss die Maschine mit einem gewagten Manöver in Sarajevo notlanden und Hedda beschließt, daß für sie hier Schluß ist. Zittrig verlässt sie das Flugzeug, ihr Koffer fliegt ohne sie weiter nach Athen und Hedda beschließt, den Heimweg zurück nach Oslo anzutreten. – Mit möglichst bodennahen Verkehrsmitteln.

In Berlin lernt sie dann den Lebenskünstler Milo kennen, der in seinem Wohnmobil durch die Welt tingelt, die verrücktesten Jobs annimmt und die Gabe hat, sich sofort überall zurechtzufinden.
Hedda verbringt eine Nacht mit ihm, bevor sie zurück nach Oslo reist, nur um dort festzustellen, daß sie schwanger ist. Schnell ist für Hedda klar: Das muss weg!
Doch als sie ihren Gynäkologen aufsucht um „kurzen Prozess zu machen“, wie sie es nennt, teilt dieser ihr mit, daß sie zuvor drei volle Werktage Bedenkzeit einhalten muss, bevor der Eingriff genehmigt werden kann. – Ein Zeitraum, der Hedda unerträglich lange vorkommt.
Sie versucht krampfhaft, nicht darüber nachzudenken, überlegt, es Lukas zu sagen, in der Hoffnung, daß er es für sein Kind halten und zu ihr zurückkommen wird, lässt diese Idee fallen, schwankt, zaudert, kann die Miete nicht mehr bezahlen und dann steht plötzlich auch noch Milo vor ihrer Tür…

„Mittwoch also“ wurde mir als humorvolles Buch mit einer toughen Protagonistin angepriesen, was mich zwar neugierig, aber auch ein wenig stutzig machte… Kann ein Buch über Abtreibung denn wirklich humorvoll sein?
Tatsächlich sind wir schon auf den ersten Seiten voll im Geschehen und in Heddas Leben, das gerade dabei ist, völlig aus dem Ruder zu laufen. Und ja, das schreibt Lotta Elstad mit einer gehörigen Portion schwarzem Humor und entwaffnender Direktheit. Doch trotz dieses leichten und temporeichen Stils und der charmanten Protagonistin ist diese Geschichte unter der Oberfläche einfach sehr, sehr traurig.
Denn Hedda ist keine „toughe“ Protagonistin. Sie ist absolut verloren, aus der Bahn geworfen, trifft keine rationalen Entscheidungen mehr und wird von ihren Problemen regelrecht überrollt. Damit ist sie auch völlig alleine, denn sowohl mit ihrer besten Freundin, als auch mit Milo, kann oder will sie nicht darüber sprechen. Sie igelt sich ein, ist zunächst unfähig, ihr Leben wieder in die Hand zu nehmen und lässt sich auf gefährliche Experimente ein…

Aktuell habe ich ja das Gefühl, daß jedes Buch, das sich im Kern um ein Thema dreht, das vor allem Frauen betrifft, immer gleich als „feministisch“ gemarketet wird. Man rechnet dann meist mit einer starken Protagonistin, die sich durchsetzt und die weiß, was sie will. Und all das ist Hedda eben nicht.
Sie ist unentschlossen, überfordert, verängstigt. Aber genau das darf man auch sein.

„Mittwoch also“ ist ein Roman, der sich tatsächlich mit einem recht lockeren und humorvollen Stil an ein schwieriges Thema macht. Dabei handelt es sich aber um kein feministisches Manifest und keine Streitschrift zum Thema Selbstbestimmung, sondern um die Geschichte einer Frau, die von einem halbwegs stabilen Leben plötzlich ins absolute Chaos gestürzt wird.

Mir hat dieser Roman gefallen. Auch wenn das Thema und seine Umsetzung bestimmt nicht jedermanns Geschmack treffen, beschreibt Lotta Elstad das widersprüchliche Seelenleben ihrer Protagonistin mit viel Herz, Humor und einer Portion Traurigkeit.

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Autor: Lesen... in vollen Zügen

Seit 20 Jahren arbeite ich als Buchhändlerin in München und seit 2017 gibt es nun "Lesen... in vollen Zügen". Hier möchte ich euch vorstellen, welche Bücher mich gerade bewegen. Meine Beträge verfasse ich im Plauderton, eben so, wie ich auch mit meinen Kunden im Laden ins Gespäch komme. Der Schwerpunkt liegt dabei auf aktueller deutsch- und englischsprachiger Literatur. Aber ich bin auch ein großer Fan von schönen Illustrationen und stelle deshalb regelmäßig Graphic Novels und spannende illustrierte Sachbücher vor. Zu meinen Lieblingsautoren gehören Haruki Murakami, Banana Yoshimoto und Amélie Nothomb. Außerdem mache ich mir immer wieder Gedanken zum Thema Leseverhalten in der Rubrik Mein Leben als Leser und plaudere aus dem Nähkästchen in Bekenntnisse einer Buchhändlerin. Wem jetzt aber die Züge bei "Lesen... in vollen Zügen" zu kurz kommen, der kann gerne bei In vollen Zügen nach… vorbei schauen. Hier berichte ich von meinen Zugreisen, den Büchern, die mich dabei begleiten, den Städten die ich besuche und natürlich auch von schönen Buchhandlungen, die es dort zu entdecken gibt.

5 Kommentare zu „Review: Mittwoch also“

  1. Mir geht es gerade so mit „Wir von der anderen Seite“. Das wurde mir auch als „humorvoll“ angespriesen, aber ich finde die Situation der Protagonistin alles andere als witzig. Sie versucht nur, ihr Leid zu überspielen, aber „humorvoll“ ist anders….

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