In vollen Zügen auf der Leipziger Buchmesse 2019

Ein Geständnis am Rande: obwohl ich seit mittlerweile zwanzig Jahren im Buchhandel arbeite, war ich bisher erst einmal auf einer Buchmesse.
Es war wohl im schönen Jahr 2000, als wir damals in der Berufsschule eine Klassenfahrt zur Frankfurter Buchmesse unternahmen. Morgens hin, abends zurück und dazwischen erinnere ich mich eigentlich nur an ein Gefühl der Überforderung.
Es gab keine Ansprechpartner, ich kannte ausser meinen Klassenkameraden und Mitazubis niemanden. Also wanderte ich stundenlang durch die Gänge und wusste nicht, was ich tun sollte, oder was von mir erwartet wurde…

All die Jahre später hat sich die Situation für mich natürlich grundlegend verändert. Durch meinen Beruf, aber noch mehr durch die Bloggerei bin ich in Kontakt mit Verlagsmenschen, Autoren und anderen Bloggern, die ich nun doch endlich mal im richtigen Leben treffen wollte.
Also lies ich mich Akkreditieren, buchte ein Hotelzimmer und beschloß, mir zwei Tage Buchmesse, nämlich am Donnerstag und Freitag zu gönnen.

Mit Scharnow von Bela B im Ohr schaffte ich die vier Stunden nach Leipzig in dreieinhalb und war bereit für was immer mich auch auf der Messe erwarten würde.

Im Vorfeld hatte ich auf Instagram meine Garderobe für die Messe gepostet, so daß jeder meiner Follower, der mich gerne ansprechen wollte eine Ahnung davon hätte, wie ich aussehe. Mein Gesicht ist nämlich nicht besonders einzigartig.
Diese Taktik schien voll aufzugehen, denn noch bevor ich überhaupt das Pressezentrum gefunden hatte, hörte ich eine Stimme hinter mir rufen: „Lesen in vollen Zügen!!! Ich erkenne dich an deinem Kleid!“
Überrascht drehte ich mich um und sah Jakob Bedford, den ich vor ein paar Wochen kennengelernt hatte, als er seinen Roman „Abtrünniges Blut“ bei uns im Laden vorstellte.
Schön, gleich zu Beginn ein freundliches Gesicht zu sehen.

Danach war ich aber zunächst einmal ein wenig erschlagen von den Menschenmassen und den Ausmaßen der Messehallen… So viele Bücher sieht man auch als Buchhändlerin selten auf einem Fleck.
Schön, daß Jakob und ich ein bißchen zusammen herumschlendern konnten und ich dann auch gleich ein paar nette Gespräche am Stand von weissbooks und beim fabelhaften Mare Verlag hatte.

Anschließend traf ich Tobias vom Buchrevier und Ilja von Muromez und zusammen schauten wir bei Vea Kaiser am KiWi-Stand vorbei.
Ihre ersten beiden Bücher habe ich damals unheimlich gern gelesen und aktuell leistet mir ihr neuster Roman Rückwärtswalzer Gesellschaft beim Pendeln. Auch menschlich war ich sofort beeindruckt von ihrem selbstbewussten Auftreten und ihrer netten, direkten Art.
Wir führten ein interessantes Gespräch darüber, wie Autorinnen in Interviews oft damit zu kämpfen haben, daß ihre Weiblichkeit ständig zum Thema gemacht wird. Sie selbst wird seit der Hochzeit immer wieder nach ihrem Kinderwunsch gefragt…
In meinem Freundeskreis gehen aktuell immer mehr Frauen auf die Barrikaden, weil sie diese Frage nicht mehr hören können. Wäre schön, wenn Vea ihre gepfefferte Meinung dazu irgendwann mal niederschreiben würde.
Mich hat sie jedenfalls sofort für sich eingenommen.

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Danach schaute ich bei Harald Kiesel vom 360 Grad Verlag vorbei.
Er verlegt wirklich wunderbare illustrierte Sachbücher, die – das wissen ja vielleicht einige von Euch – einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen einnehmen.
Auch hier muss ich sagen: tolle Bücher und ein toller Mensch der dahinter steht.
Er las mir aus dem Bilderbuch Mit Opa ist alles anders, das ich hier demnächst vorstellen möchte vor, in dem das Thema Demenz für Kinder greifbar gemacht wird.
Mein eigener Opa hatte sich vor seinem Tod schon komplett vergessen und so lagen Harald und ich uns irgendwann mit Tränchen in den Augen in den Armen…
Warum war ich nochmal so lange nicht auf Messen?
Die meisten Leute hier sind wirklich wunderbar!

Und weil mich kleine Verlage, die richtig hochwertige Bücher abliefern ja tausendmal mehr begeistern, als große, elitäre Verlage, bei denen man am Stand die Worte „ordinärer Buchhändler“ dreimal in unter einer Minute hört (und nein, ich nenne keine Namen) freute ich mich umso mehr auf mein Treffen mit Marianna vom Reisedepeschen Verlag.
Wer diesen Zweimann-Verlag, der unglaublich schöne Reise-Handbücher und Bildbände herausgibt noch nicht kennt, der sollte dringend mal einen Blick auf ihr Programm werfen.
Von Marianna lies ich mir von dem Abenteuer erzählen, das es ist, einen eigenen Verlag zu gründen und dann gleich nach dem ersten Weihnachtsgeschäft mit der KNV-Insolvenz klarkommen zu müssen.
Und natürlich über Schuppentiere! Denn ein Schuppentier sind nicht nur einfach fabelhaft, es ist auch das Verlagslogo von Reisedepeschen.

Danach ging es dann auch schon weiter zum Bloggertreffen von Klett-Cotta in der R10 Bar, wo mir der beste Schokoladenkuchen der Stadt versprochen wurde und meine Güte… Es war der beste Schokokuchen meines Lebens!
Dort las unter anderem die sympathische Elisabeth R. Hager aus ihrem Roman „Fünf Tage im Mai“ und ich traf so viele andere Blogger, denen ich zum Teil schon folge, seit ich das erste Mal einen Fuß in diese Gewässer gesetzt habe, daß mir immer noch der Kopf schwirrt.
Schön war es!

Nachdem ich mich schweren Herzens von dem Schokokuchen getrennt hatte, nicht ohne ihm zu versprechen, bald wieder zu kommen, brachen wir zur Tropen-Party auf, eigentlich ein Fußweg von fünf Minuten, der sich dank der Orientierung unserer Führer zu einer halbstündigen Nachtwanderung entwickelte.
Immerhin habe ich so auch noch etwas von Leipzig gesehen!

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Auf der Tropen-Party war es dann voll, voller, am vollsten. Trotzdem waren interessante Gespräche möglich, wenn auch das Atmen mit der Zeit schwierig wurde.
Also schnell die gute Silke eingepackt und zurück ins Hotel, schließlich stand mir ja noch ein weiterer Tag bevor.

Am Freitag stand schließlich auch einiges auf dem Programm…

Mittags lud Kiepenheuer und Witsch zur Lesung mit Vea Kaiser im schicken Kongresszentrum. In ihrem neuen Buch Rückwärtswalzer erzählt Vea von der Familie Prischinger und den drei fabelhaften Tanten, die den ganzen Tag mit Kochen und Backen verbringen. Schnell wurde klar, daß sie von ihrer eigenen Familie zu dieser Geschichte inspiriert worden war, denn ihre Tante Waldtraud hatte ihr acht Kilo „Kekse“ für den Notfall mitgegeben. Und mit „Kekse“ war hier keine staubige Angelegenheit gemeint. Wir sprechen hier von Rumkrapfen und Co! Der Schokoladenkuchen vom Vortag hatte durch Tante Waldtraud ernstzunehmende Konkurrenz bekommen!
Dazu dann noch Speckchips und Wein. Nein, darben mussten wir bei Vea Kaiser bestimmt nicht!
Nebenbei erzählte sie auf ihre lustige und charmante Weise aus ihrem Leben und „Rückwärtswalzer“. Ich war begeistert!

Gleich im Anschluß fand das Bloggertreffen des Diogenes Verlags statt. Mit dabei: Daniela Krien, deren Buch Die Liebe im Ernstfall ich ja hier schon vorgestellt habe und das mich sehr bewegt hat.
Nach einem kurzem Gespräch mit Daniela Krien schrieb sie mir eine sehr persönliche Widmung, die mir viel bedeutet, ins Buch. So eine nette Autorin!

Im Anschluß legten sich die Damen von Diogenes mächtig ins Zeug und priesen das kommende Programm so an, daß ich am liebsten jetzt schon jedes Buch daraus in Händen halten würde.

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Am Galiani Stand lauerte ich dann Kat Menschik auf, deren Illustrationen ich ja sehr liebe und die mir mein Exemplar von „Essen essen“ nicht nur signierte, sondern auch mit einem selbstgemachtem Stempel verschönerte.
Wahnsinnig lieb, trotz meiner – zugegebenermaßen – etwas frechen Störung.

Weiter ging es zu Max Schlegel vom Splitter Verlag.
Seit einiger Zeit tauschen wir uns ja per Mail über Graphic Novels aus, nun war es mir eine Freude, ihn endlich einmal persönlich kennenzulernen und darüber zu philosophieren, warum sich die Graphic Novel noch so schwer tut, als ernstzunehmende Kunstform anerkannt zu werden.
Überraschende Trivia: Margaret Atwood, ja genau… DIE Margaret Atwood ist ein begeisterter Comic-Fan und schreibt für ihre eigene Superhelden-Comic-Reihe „Angel Catbird“. Wusste ich vorher auch noch nicht!

Mein letzter Termin auf der Messe war ein spontanes Treffen mit Torsten Woywod vom Dumont Verlag, mit dem ich bisher nur per Mail und Instagram in Kontakt war.
Dabei redeten wir über ein gemeinsames Lieblingsthema: Bücher über Bücher, und ich horchte ihn ein wenig zu seinem ersten Roman aus, an dem er gerade fleißig schreibt.

Danach hieß es Abschied nehmen…
Auf dem Weg nach draußen plauderte ich noch mit einer völlig entkräfteten Nicci und freute mich so, Brösels treuen Gefährten Konrad Freiherr von Keks halten zu dürfen, daß ich ihn beinahe mitgenommen hätte.

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Zurück also nach Bayern, schließlich musste ich am Samstag wieder frisch wie der junge Morgen im Laden stehen.
Was bleibt ist ein großes Gefühl der Dankbarkeit, daß ich nun nach all den Jahren doch endlich mal wieder auf einer Buchmesse war und für all die netten Menschen, die mir begegnet sind.
Egal ob Verleger, Autoren, Verlagsmenschen, Journalisten und Blogger… es war eine absolute Bereicherung, mit Euch allen zu sprechen und so viele Meinungen und Geschichten zu hören.

Also nochmal ein großes DANKE an alle, die ich kennenlernen durfte.
Bis hoffentlich ganz bald mal wieder!

Eure Andrea

Autor: Lesen... in vollen Zügen

Seit 20 Jahren arbeite ich als Buchhändlerin in München und seit 2017 gibt es nun "Lesen... in vollen Zügen". Hier möchte ich euch vorstellen, welche Bücher mich gerade bewegen. Meine Beträge verfasse ich im Plauderton, eben so, wie ich auch mit meinen Kunden im Laden ins Gespäch komme. Der Schwerpunkt liegt dabei auf aktueller deutsch- und englischsprachiger Literatur. Aber ich bin auch ein großer Fan von schönen Illustrationen und stelle deshalb regelmäßig Graphic Novels und spannende illustrierte Sachbücher vor. Zu meinen Lieblingsautoren gehören Haruki Murakami, Banana Yoshimoto und Amélie Nothomb. Außerdem mache ich mir immer wieder Gedanken zum Thema Leseverhalten in der Rubrik Mein Leben als Leser und plaudere aus dem Nähkästchen in Bekenntnisse einer Buchhändlerin. Wem jetzt aber die Züge bei "Lesen... in vollen Zügen" zu kurz kommen, der kann gerne bei In vollen Zügen nach… vorbei schauen. Hier berichte ich von meinen Zugreisen, den Büchern, die mich dabei begleiten, den Städten die ich besuche und natürlich auch von schönen Buchhandlungen, die es dort zu entdecken gibt.

31 Kommentare zu „In vollen Zügen auf der Leipziger Buchmesse 2019“

  1. Oh mein Gott wie schön, ich freu mich so für Dich! Ich weiss noch, wie es als Azubi war, nach Frankfurt zur Messe zu fahren, … auch danach – ein kleiner Buchhändler unter vielen anderen Menschen und natürlich auch noch Sonntags… Dann auch mal auf der anderen Seite und den ganzen Tag im Anzug und Hacken,…
    aber das ist ewig her
    Leipzig soll dagegen so viel schöner sein
    allerdings bin ich jetzt nicht mehr im Buchhandel, aber wer weiss, vielleicht schaffe ich es doch mal hin
    Viel Spass beim „Sacken lassen“ und ich bin auf Deine Vorstellungen gespannt!
    Liebe Grüsse
    Nina

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    1. Ja, alle sagen, das Leipzig viel schöner ist und ich muss zugeben, daß ich mich kaum noch an Frankfurt erinnern kann. Alles was noch an Erinnerungen da ist, ist eine Mischung aus überfüllt und steril… Kann das sein?
      Na, ich werd da definitiv auch mal wieder hinfahren. So schön, wie es in Leipzig war… 😉

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  2. Hallo Andrea,
    danke für den ausführlichen Bericht. Ich war bis jetzt immer nur auf der Buch Wien, und da gibt’s leider weder köstliche Kuchen noch andere erwähnenswerte kulinarische Genüsse. Muss mich jetzt wohl doch bald in den Norden aufmachen…
    Liebe Grüße
    Niamh

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    1. Wie gesagt… Veas Tante Waltraud aus dem Waldviertel hat quasi das Buchmessencatering im Alleingang gewuppt.
      Lustig war auch, daß wir im KiWi Bloggertreffen saßen und keinen Bissen mehr runter gebracht haben, während parallel Sophie Passmann den Instagram Takeover am KiWi Stand gemacht hat und vor Hunger fast aus den Latschen gekippt ist. Plötzlich gab es #snacksuche, dabei ist sie von einem Verlag zum anderen gerannt um Essbares zu jagen. 😂 Ein Glück, daß wir nicht alles aufgegessen haben. So hat der Rest der Messe überlebt. 😉

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  3. Hallo Andrea, nach Deinem Bericht bereue ich es ja schon beinahe, mir nicht auch ein oder zwei Tage Urlaub genommen zu haben. Bisher war ich eher bei den Buchevents in Köln zugegen und konnte mich noch nicht durchringen, auf eine der großen Messen in Frankfurt oder Leipzig zu fahren. Wer weiß, vielleicht ringe ich mich auch irgendwann mal durch 😉

    Viele Grüße
    Der Büchernarr

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  4. Danke für den tollen Messebericht! Ich bin so traurig, dass ich nur einen Tag da war und mir so viel entgangen ist, aber trotzdem hat es sich gelohnt. Es war so schön, mit dir zu quatschen! 🙂

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  5. Danke für den tollen Messebericht! Ich bin so traurig, dass ich nur einen Tag da war und mir so viel entgangen ist, aber trotzdem hat es sich gelohnt. Es war so schön, mit dir zu quatschen! 🙂

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  6. Liebe Andrea,
    herzlichen Dank für den tollen und ausführlichen Bericht von der Leipziger Buchmesse, ich freu mich so für dich, daß es so wunderschöne Tage waren, vollgepackt mit schönen Begegnungen und Erlebnissen!
    Liebe Grüße
    Monika.

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  7. Oh 😀 ich hatte dieselbe Taktik mit den Gaderobe im Vorhinein posten, auch wenn es zumindest meist nur schräge Tshirts waren. Es wirkt zu Beginn etwas bizarr als Nichtmodeblogger, aber es hilft wirklich.
    Ich bewundere dein Programm 🙂 nach der Messe ist es für mich auch am spannendsten zu sehen wohin es andere Blogger so getrieben hat, da wir alle ja so unterschiedlich sind. Der Bericht ist auch wirklich toll geschrieben.

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  8. Ja schade, haben wir uns doch glatt verpasst. Ich war leider nur am Samstag und Sonntag da, aber das hat auch superviel Spaß gemacht. Daniela Krien habe ich auch bei einer Lesung erlebt, das Buch verschlinge ich gerade. Es ist großartig! Vea Kaiser habe ich nur kurz gesehen, aber ihr Buch ist mir auf wundersame Weise von Leipzig aus gefolgt. 🙂
    Für mich war es auch das erste Mal in Leipzig, war bisher auch nur in Frankfurt, aber dort hat es mir auch gefallen, allerdings ist Leipzig doch noch etwas schöner, vor allem, weil es auch am Donnerstag und Freitag für Otto Normalleser offen ist.
    Ich bin nächstes Jahr auf jeden Fall wieder dabei, wenn es klappt auch von Donnerstag bis Sonntag. Vielleicht bis dahin!

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  9. Liebe Andrea,
    ich habe mich total gefreut, dich am Donnerstagabend beim besten Schokokuchen der Welt zu treffen. Gut, dass du mich im Halbdunkel erkannt und angesprochen hast. Ich bin in dem Ambiente, glaube ich, an allen vorbeigelaufen, die ich hätte kennen können, ohne dass ich es gemerkt hätte. *peinlich die Augen zu halte* Ich bin einfach in diffusem Licht ziemlich aufgeschmissen.
    Danke auch für deinen tollen Bericht, ist ja lustig, dass dies deine erste „entspannte“ Buchmesse war und ich hoffe doch sehr, dir jetzt häufiger auf Veranstaltungen dieser Art zu begegnen 🙂
    Liebe Grüße
    Sandra

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    1. Grüß dich Sandra!
      War wirklich schön dich zu treffen und ein paar Gesichter mit Blogs zu verbinden.
      Aber mach dir keine Gedanken… So wie dir ging es auf dem Klett Treffen vielen. Mir haben sich auch ein paar Leute mehrmals vorgestellt, was ich richtig gut fand, weil ich mir so die Namen besser merken konnte. 😄
      Liebe Grüße,
      Andrea

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