Rechts und Links im Buchhandel – Vom Platzen der Filterblase

Zum Tag der Deutschen Einheit gibt es heute von mir einmal einen fast schon politischen Beitrag.
Ich habe dieses Thema lange mit mir herumgetragen und mich gefragt, ob ich wirklich darüber schreiben soll, denn mir ist klar, daß es stark polarisieren kann.
Sollte es also Diskussionsbedarf geben bitte ich Euch nur um eins: bleibt höflich und aufgeschlossen.

2010 erschien Thilo Sarrazins vieldiskutiertes Buch „Deutschland schafft sich ab“, das monatelang die Spiegel-Bestsellerliste anführte.
Die Wochen nachdem das Buch auf den Markt gekommen war, waren eine Zeit, in der ich zum ersten Mal in meinem Leben nicht wirklich gerne in die Arbeit gegangen bin.
Denn plötzlich hatte ich das Gefühl, auf einem Schlachtfeld der Ideologien zu stehen… Fast täglich wurde ich wütend angeknurrt, was ich für ein Mensch sei, daß ich so einen Dreck verkaufen würde, andere fragten mich mit glänzenden Augen, ob ich es denn auch schon gelesen hätte und wenn ich den Kopf schüttelte wurde schon mal ein „Leute wie ihr werdet schon noch sehen…“ in meine Richtung gezischt.

An dieser Stelle fragt Ihr Euch nun vielleicht nach meiner politischen Einstellung.
Tatsächlich ist die für diesen Beitrag relativ irrelevant, denn man kann dieses Thema von beiden Seiten gleich betrachten.
Um aber ein bißchen Farbe zu bekennen: ich bin kein politisch engagierter Mensch, ich gehe aber brav zum Wählen und habe ein ausgeprägtes humanitäres und ökologisches Bewusstsein. Meine Einstellungen würde ich als recht liberal bezeichnen…
Eigentlich sind alle Buchhändler, die ich kenne ein sehr offenes und liberales Grüppchen. Das gilt wohl auch für die meisten Vielleser.
Wenn man in ständig neue Protagonisten mit unterschiedlichen Hautfarben, Geschlechtern und Religionen hineinschlüpft, fällt es schwer, verallgemeinernder Polemik Glauben zu schenken…

Und trotzdem… und da kommen wir zur Crux an der Sache… trotzdem arbeite ich in einer Buchhandlung, in der Bücher verkauft werden, die meinen inneren Überzeugungen zuwiderlaufen. Und ich finde sogar, daß es wichtig ist, diese Bücher in der Buchhandlung zu haben.

Lasst mich erklären…

An dieser Stelle wird nämlich gerne der Vorwurf gemacht, daß der Buchhändler seine Seele für ein paar Euro verkauft und ja, es kann sich nicht jeder leisten, ein Buch, das ein halbes Jahr lang auf Platz eins der Bestsellerliste steht komplett zu ignorieren.
Aber das ist nicht der Punkt.
Die Sache ist die: würde ein Kunde, der dieses spezielle Buch sucht von seinem Kaufvorhaben abgebracht werden, nur weil ich es nicht anbiete?
Ich denke nein. Der Kunde würde sein Handy aus der Tasche ziehen und auf die Website seiner favorisierten Onlinebuchhandlung gehen und es sich dort bestellen. Ganz nebenbei würde der Algorithmus zuschlagen und schon wäre sie da: die Filterblase.

Ich denke, mittlerweile bekommen wir langsam ein Bewusstsein dafür, was diese Filterblase mit uns anstellt. Gleich und gleich wird zusammengeführt, man bewegt sich in einer Echokammer, in der alle einer Meinung sind und sobald man die unterschiedlichen Ansichten aufeinander loslässt, zum Beispiel in der Kommentarfunktion auf Facebook, herrscht Krieg.

Dabei kann sich fast niemand der Filterblase entziehen: Netflix empfiehlt dir deine neue Lieblingsserie, Spotify stellt eine Playlist mit den großartigsten Titeln zusammen, von denen du noch gar nicht wusstest, daß es sie gibt, und dein Onlinebuchhändler macht dich darauf aufmerksam, daß „Kunden, die diesen Artikel gekauft haben“, auch jenes kauften.
Wenn wir uns dann anschauen, was da angepriesen wird, dann ist recht schnell klar, daß der Algorithmus nicht darauf programmiert wurde, ein möglichst breites Meinungsspektrum abzudecken, sondern in die immer gleiche Kerbe zu schlagen.

Und das ist die Stelle, an der ich es in der Buchhandlung anders machen kann.
Ich habe die Möglichkeit, Rechts neben Links zu legen, Gauland neben einen AfD-Aussteigerbericht, Ulfkotte neben Albright…

Ich denke, wir unterschätzen, wie sehr Filterblasen unser Denken beeinflussen und der einzige Ort, sie zu durchbrechen ist die Realität.
Gehe ich davon aus, daß jeder AfD-Wähler, der sich ein Buch darüber holt, wie schlimm der Islam ist, auch gleich noch einen Titel mitnimmt, der seine Thesen widerlegt?
Eher nicht.
Aber ein bißchen Hoffnung habe ich. In beide Richtungen.
Vielleicht blättert der AfD-Wähler ja doch in einem kritischen Buch und der ein oder andere Satz setzt sich bei ihm fest.
Vielleicht nimmt aber auch jemand, der AfD-Wähler für kapitale Idioten hält, eins dieser populistischen Werke in die Hand und versteht plötzlich, welche Ängste da geschürt werden…

Ich sehe mich als Buchhändlerin, nicht als Meinungsmacherin.
Ich kann meine Kunden nicht von meiner Weltanschauung überzeugen, dafür ist zu wenig Zeit und die wenigsten kommen zu mir, um sich missionieren zu lassen.
Was ich aber tun kann ist ein möglichst breites Meinungsspektum anzubieten um jedem die Möglichkeit zu geben, auch in Bücher hineinzublättern, die seinen Überzeugungen vielleicht zuwiderlaufen.

In den letzten Jahren geht dieses Spektrum immer weiter auseinander und ja, das macht mir manchmal Angst.
Aber es totschweigen, boykottieren und so die Filterblasen nur noch stärker zu machen… das ist auch keine Lösung.

Autor: Lesen... in vollen Zügen

Seit 20 Jahren arbeite ich als Buchhändlerin in München und seit 2017 gibt es nun "Lesen... in vollen Zügen". Hier möchte ich euch vorstellen, welche Bücher mich gerade bewegen. Meine Beträge verfasse ich im Plauderton, eben so, wie ich auch mit meinen Kunden im Laden ins Gespäch komme. Der Schwerpunkt liegt dabei auf aktueller deutsch- und englischsprachiger Literatur. Aber ich bin auch ein großer Fan von schönen Illustrationen und stelle deshalb regelmäßig Graphic Novels und spannende illustrierte Sachbücher vor. Zu meinen Lieblingsautoren gehören Haruki Murakami, Banana Yoshimoto und Amélie Nothomb. Außerdem mache ich mir immer wieder Gedanken zum Thema Leseverhalten in der Rubrik Mein Leben als Leser und plaudere aus dem Nähkästchen in Bekenntnisse einer Buchhändlerin. Wem jetzt aber die Züge bei "Lesen... in vollen Zügen" zu kurz kommen, der kann gerne bei In vollen Zügen nach… vorbei schauen. Hier berichte ich von meinen Zugreisen, den Büchern, die mich dabei begleiten, den Städten die ich besuche und natürlich auch von schönen Buchhandlungen, die es dort zu entdecken gibt.

48 Kommentare zu „Rechts und Links im Buchhandel – Vom Platzen der Filterblase“

  1. Liebe Andrea!

    „Wo bitte muss ich unterschreiben?“
    Ich bin da voll & ganz bei Dir und kann & will Deinem offenen Statement nichts mehr hinzufügen!

    Am schönsten finde ich Deinen Satz:
    „Wenn man in ständig neue Protagonisten mit unterschiedlichen Hautfarben, Geschlechtern und Religionen hineinschlüpft, fällt es schwer, verallgemeinernder Polemik Glauben zu schenken…“

    Hach, was für ein schönes Motto!

    Herzliche Grüße
    Andreas

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  2. Es gefiel mir nicht, als in einer Buchhandlung plötzlich Ulfkotte in der Auslage auftauchte. Aber jeder muss die Möglichkeit haben, sich eine Meinung zu bilden, und – für mich persönlich gerade wichtiger – ich muss die Argumente der Gegenseite kennen, um sie widerlegen zu können. Ich würde diesen Blogeintrag übrigens gerne verlinken und ausführlich daraus zitieren. Wäre das o.k.?

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    1. Ja… Ich bin auch nie begeistert, wenn wir eindeutig polemische Titel rein bekommen… Das sind Gottseidank nicht besonders viele, aber die Cover springen einen ja geradezu an.
      Das mit den Argumenten der Gegenseite ist ein ganz wichtiger Punkt… Mein alter Geschichtslehrer hat immer gesagt, daß Hitler vermutlich nie gewählt worden wäre, wenn die Leute „Mein Kampf“ aufmerksam gelesen hätten.
      Verlinken und zitieren ist absolut okay für mich.

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      1. Vielen Dank.

        Ja, den Satz über „Mein Kampf“ habe ich auch schon gehört bzw. gelesen. Mein Geschichtslehrer ließ uns, als wir die Weimarer Republik behandelten, Reden aus der Sicht verschiedener Parteien schreiben. Das war lehrreich.

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      2. Ich wäre auch absolut dafür, daß meine Söhne Auszüge aus „Mein Kampf“ in der Schule lesen und dann natürlich auch die Gegenseite behandeln, Berichte von Überlebenden, etc. Nur so kann man begreifen WIE so etwas passiert und die Rhetorik recht schnell entlarven.

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      3. Gerade der Umgang mit „Mein Kampf“ in Deutschland hat eindeutig gezeigt, wohin es führen kann, wenn Themen verboten und tabuisiert werden. Dämonisierung ist auch eine Form der Überhöhung, nur eben aus Angst und nicht aus Bewunderung. Und was überhöht wird, wird schnell als unüberwindlich, unabwendbar, unvermeidlich wahrgenommen – und womöglich gar nicht erst angefochten.
        Dinge von verschiedenen Seiten zu betrachten ist dringend notwendig. Realität reinzubringen.
        Denn unverzerrt kann die Sicht auf ein Thema nur sein, wenn die Leute möglichst viele Informationen dazu haben. Nur wer möglichst viele verschiedene Sichtweisen auf eine Sache kennt, kann freie Entscheidungen treffen.
        Denken befreit.
        Das Denken muss aber auch erst zugelassen werden.
        Danke für diesen Beitrag.

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  3. Ich finde die Idee gut, Bücher entgegengesetzter Weltanschauungen in greifbare Nähe zueinander zu präsentieren. Das sagt dem Kunden „ja, es gibt das eine, aber es gibt auch das andere“ Selbst wenn der zitierte AfD Wähler das „andere“ Buch lediglich aus dem Augenwinkel wahrnimmt, er nimmt es wahr.

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    1. Ja, ich hoffe dann doch immer irgendwie, daß ein AfD Wähler dann halt vielleicht doch mal das „Inside AfD“ Buch in die Hand nimmt und sei es nur um zu sehen, was das für ein Nestbeschmutzer ist. Aber vielleicht bleibt ja doch der ein oder andere Satz hängen, an den man sich dann erinnert, wenn man plötzlich selbst unzufrieden wird.

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  4. Ich kaufe meine Bücher in beiden Welten. In der realen und in der Blase und manchmal recherchiere ich in beiden bevor ich in einer zuschlage. Anhand meines Bücherregals kann ich meine geistige Entwicklung nachvollziehen und wenn mich jemand das erste Mal zu Hause besucht höre ich beim Anblick meiner Bücherwand öfters mal ein „sowas liest du?“. In Zeiten wie diesen, finde ich, sollte man besonders wachsam sein gegenüber jedweder Ideologie die ganz oben auf Bestsellerlisten landet. Man muss das Buch ja dann nicht unbedingt first-hand kaufen, wenn man dem Autor und dem Verlag das Geld nicht in den Rachen schmeißen will. Bewußtseinsbildung führt nicht zwangsweise zu einer Meinungsänderung. Ich habe mir jetzt auch das AFD-Programm durchgelesen – wehret den Anfängen mit ein bisschen Bildung.

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    1. Nein, ich versteh völlig, daß man diese Autoren nicht unterstützen will. Bei mir darf natürlich jeder im Laden lesen, ohne daß er das Buch kaufen muss.
      Was meint eigentlich dein Mann dazu, daß solche Bücher so weit oben in den Bestsellerlisten landen?
      Ist schon immer ein saublödes Gefühl, wenn ich meine DAF Kunden im Laden hab und mit ihren erstmal an den Büchern vorbei muss, die regelrecht schreien: „Brauchts gar nichts lernen, schleichts euch!“
      Die versuche ich dann durch einen Korridor an Einhornbüchern daran vorbei zu schmuggeln. 😥

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      1. Mein Mann sagt, die Frage die man sich stellen muss, ist: WARUM landen die Bücher soweit oben auf den Listen. Er sagt auch, bei der Politik hier wundert ihn gar nix, allerdings würde eine genaue Erklärung seiner Meinung Stunden brauchen.
        Eine kleine Anekdote zur AfD: bei den letzten Wahlen wurde mein Mann auf der Straße von so einem AfD-Keiler angehalten und über das wofür sie stehen aufgeklärt. Mein Mann dachte mit einem „I only speak English“ dem zu entgehen, der Typ konnte aber Englisch und begleitete ihn ein paar hundert Meter um ihm das „Ausländer raus“ Konzept zu erklären und ihn zu bitten für sie zu stimmen. Wir lachen darüber heute noch und sagen immer er soll sich als deren Spitzenkandidat aufstellen lassen – als Syrer. 😂

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  5. Da hast du wieder einen wundervollen Beitrag geschrieben! Du als Buchhändlerin hast da noch mal einen ganz anderen Blick darauf und ich finde es auch richtig und wichtig, Bücher zu verkaufen, die in unterschiedliche Richtungen gehen. Ich teile z.B. Sarrazins Ansichten nicht, und ich habe auch noch kein Buch von ihm gelesen, aber mich würde schon auch interessieren, was er zu sagen hat (deswegen werde ich eines Tages auch da mal reinlesen, wenn ich die Gelegenheit bekomme. Kaufen möchte ich das Buch deswegen nicht.) Man kann immer „gegen“ etwas sein, aber man sollte meiner Meinung nach auch die Offenheit besitzen, sich die Gegenseite anzuhören. Von daher finde ich es auch völlig in Ordnung, wenn in Buchhandlungen gegensätzliche Bücher nebeneinander liegen. Das echte Leben sollte schließlich keine Filterblase sein.

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    1. Ja, als Buchhändlerin bekommt man ja wirklich Bücher aus allen Richtungen in die Hand und da ist dann eben auch oft was dabei, wo wir sagen: „Oje… Wer ist denn heute wieder der Sündenbock?“
      Dann verkauft man das natürlich nicht gerne, aber eben nicht nur wegen dem Geld.
      Mein Freund ist ja Medienpädagoge der sagt auch immer, wir sollen schön alles da haben und nicht jedem Käufer polemischer Titel unterstellen, daß er ein Nazi ist. Er muss ja für seine Arbeit auch in alle Richtungen informiert sein. 😉

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  6. Großartiger Beitrag! Ich finde es im Übrigen sehr unüberlegt und dreist von solchen Kunden, dich als Buchhändlerin dafür zu kritisieren (ja, sogar zu beleidigen), dass du eine breite Palette an Meinungen in den Regalen stehen hast. Die Mischung macht’s, und natürlich das, was man aus dem Gelesenen macht.

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    1. Dankeschön! 😊
      Ich versuche sowas auch nicht persönlich zu nehmen und ich verstehe auch den Frust, wenn plötzlich solche Titel am Ort, an dem man der Welt entfliehen will, herumliegen.
      Aber ich stehe auch dazu, daß man schwierige Themen nicht einfach totschweigen darf.

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  7. „Ich hasse jedes Wort von dem, was Sie sagen; aber werde bis zu meinem Ende dafür kämpfen, dass Sie es auch weiterhin sagen dürfen.“ – Evelyn Beatrice Hall

    Ich stimme dir voll und ganz zu. Außerdem: Wenn wir rechte Literatur „verbieten“ bzw. nicht ins Sortiment aufnehmen würden, würden wir uns dann nicht auf die gleiche Stufe begeben, wie damals eine bestimmte Gruppierung von Menschen, die erst freudig Bücher von gewissen Autoren mit einer gewissen Gesinnung verboten und dann verbrannt hat?

    Wir sollten Bücher nicht boykottieren – so wie du bereits sagtest -, sondern eine Möglichkeit zur Weiterbildung bieten. Eben durch deinen Vorschlag rechts neben links zu legen. Und ich gebe Schluchtenscheißerin auch vollkommen recht: Man muss die Argumente der Gegenseite kennen, um eben gut kontern zu können.

    Das sind eben die Vor- und Nachteile einer Demokratie. Wir sind nicht alle einer Meinung – weil jeder seine eigene haben darf. Das führt teilweise zum „Krieg“ oder eben zu einer sehr schönen und breiten Vielfältigkeit, von der wir Tag um Tag profitieren.

    Deswegen: Super geschrieben und ein sehr wichtiger Beitrag! Ich wünschte, genauso würden es mehr sehen! ❤

    Ganz liebe Grüße!
    Anne.

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    1. Ganz vielen lieben Dank!
      Das Zitat ist grandios. Ich hatte es irgendwann schon mal gehört, aber nicht wirklich abgespeichert.
      Manchmal tut es schon ein bißchen weh, diese Titel anzubieten, einfach weil es halt sooo polemisch ist.
      Aber mit gut recherchierten Sachen erreicht man ja leider immer weniger. Da muss immer die Keule rausgeholt werden um etwas „verkäufliches“ zu produzieren.
      Ich hoffe ja, daß dieser Trend irgendwann mal wieder auch nachlässt, aber dann verlagern sich solche Gedanken vielleicht auch nur noch mehr ins Internet…
      Ganz liebe Grüße zurück,
      Andrea

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  8. Toller Beitrag, denn auch ich habe mich letztens bei dem Gedanken ertabt: „Also, wenn ich einen Buchladen hätte, würde das hier nicht liegen!“ Bla bla bla, also danke, für’s Picken meiner Filterblase.
    Ein Dialog ist immer besser. Verbote, Kritikien oder Schweigen hat noch die geholfen. Und wenn man mal in den Dialog tritt merkt man, dass man eigentlich ähnliche Ängste oder Interessen hat (so ist ja die Mehrheit der Deutschen für mehr Investitionen in Sachen Bildung) – nur andere Lösungen dafür sucht.

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    1. Ja gell… Man muss sich da auch selber immer wieder an der eigenen Nase packen.
      Manchmal, wenn der Frust zu groß wird, dann ist die Vorstellung, ein kleines Freudenfeuer mit den polemischen Titeln zu machen, irgendwie schön. Aber da schlägt dann natürlich sofort das Geschichtsbewusstsein zu.
      Ich hoffe einfach, daß irgendwann mal wieder ein Umdenken einsetzt und wieder mehr Wert auf Fakten gelegt wird statt auf Panikmache.

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  9. Hier via Geschichten und Meer. Chapeau für diesen Artikel, ich bin so frei und verteile das mal. (Mein Herr Vater lebt in einer Filterblase, die sich sehr von meiner unterscheidet, daher bekam ich gelegentlich seltsame, um Beifall heischende Videos, bis er geblickt hat, dass ich keinen Bock habe, über „Ausländer sind faul“-Witze zu lachen.)

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    1. Oh, danke fürs Verlinken!
      Ja. Ich kenn solche Witze auch. Der Vater einer Freundin hat die immer erzählt und wenn ich nicht darauf reagiert habe, sondern ihn einfach nur stumm und fragend angeschaut habe, dann hat er das als Herausforderung gesehen, noch „witzigere“ Witze dieser Art rauszukramen. Seufz… 🙄

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      1. Oha. Das Pech hatte ich noch nicht, aber als mein „Ihre sexistische Anspielung war jetzt nicht witzig“-Gesicht schon von Kunden ein patziges „Man wird ja wohl noch Witze machen dürfen“ zurückbekommen.

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  10. Ich komme etwas spät zur Debatte, aber was soll’s.
    Das Filterblasenargument teile ich, und oft scheint mir, es wird von Seiten erklärter Gegner des derzeitigen Rechtsdrucks alles getan, um diese Blasen eher noch zu schließen. Meiner Erfahrung stammt nicht aus dem Buchhandel, aber: Seit längerem predige ich in meinem linksliberalen, eher universitär geprägten Freundeskreis, dass im Moment die wahrscheinlichste wirksamste Maßnahme gegen eine Machtbeteiligung von Rechtsradikalen sein dürfte, auf die konservativen Freunde und Bekannten einzuwirken, dass diese immer wieder an ihre führenden Politiker herantragen: Eine CDU, die mit der AfD koaliert, verliert uns als Wähler und als Lokalpolitiker.
    Denn so sicher sich die Linke und das (links)liberale Bildungsbürgertum in ihrer Ablehnung der AFD sein mögen: Ob Rechtsradikale an die Macht kommen entscheidet sich darin, in wie weit Konservative bereits sind beim Pokern um die Macht schmutzige Kompromisse einzugehen.

    Das war weit ausgeholt, um zu sagen: Die meisten in meinem linksliberalen, eher universitär geprägten Freundeskreis schauen mich dann an wie einen Außerirdischen: „Aber wir haben doch gar keine konservativen Freunde und Bekannte“.
    In den größeren Städten gilt das noch einmal verschärft.

    Die andere Sache: Auch dieser Beitrag zeigt wieder unbeabsichtig, wie in den vergangenen Jahren, ohne dass man einzelnen Schuld zuweisen kann, der Diskursrahmen verschoben wurde. Wenn du schreibst „Ich habe die Möglichkeit, Rechts neben Links zu legen, Gauland neben einen AfD-Aussteigerbericht, Ulfkotte neben Albright…“, dann liegen hier eigentlich Rechte und nicht ganz so Rechte, sowie Rechte und relativ mittige Protagonisten nebeneinander. Denn selbst Albright ist eine Politikerin aus der Mitte der damals sehr mittigen Demokraten (wobei sich hier natürlich auch die Problematik des Mittebegriffes wieder zeigt, der nicht mehr ist als ein besser oder schlechter aus dem gesamten Spektrum destillierter Punkt, der sich jederzeit mit dem Spektrum verschiebt. Allbright wäre heute dann vll links, aber links etwas anderes als in den 90ern…).
    Und AfD-Aussteiger, so viel Gutes sie gegen die AfD auch oft in Anschlag bringen, bleiben in den meisten Fällen irgendwo zwischen dem rechten Flügel der FDP, und den aussortierten Lucke- und Petry-Fraktionen. Aussteiger, die man in irgendeiner Weise als links bezeichnen könnte, kenne ich weder aus den Medien, noch persönlich.

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    1. Ja, die Titel, die ich für die Beispiele gewählt habe sind eher inhaltlich gegensätzlich, als daß es wirklich Links gegen Rechts wäre.
      Vermutlich wird da viel aneinander vorbei geschrieben.

      Mein Freundeskreis ist wie deiner linksliberal und universitär geprägt.
      Allerdings wurde da viel im Bereich Medienwissenschaften studiert und teilweise auch doziert. Deshalb wird mir bei polarisierenden Themen zu denen man auf den ersten Blick glaubt, sofort eine Meinung zu haben, oft genug der Kopf zurecht gerückt, weil dann natürlich erstmal analysiert wird, wie darüber berichtet wird um meine Meinung zu beeinflussen und man sich alle Positionen anhören und überdenken muss.

      Manchmal raucht einem fast der Kopf, so anstrengend kann es sein, sich in die verschiedenen Positionen hineinzuversetzen.
      Aber lohnend. 😉

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  11. Liebe Andrea,
    danke für deine klugen, engagierten Artikel. Hat ein Blog in dieser Qualität und mit, wie ich an der Zahl deiner Kommentator/innen sehe, einer doch nicht unbeträchtlichen Reichweite nicht auch schon etwas Politisches an sich? „Politisch“ im Sinne von: das Wort ergreifen und seine Haltung klar benennen. Das bewegt mich selbst nämlich auch dazu, zu schreiben. Danke auch für dein regelmäßiges Mitlesen bei mir. Ich werde deinem Blog jetzt auch folgen! 🙂
    Herzlichen Gruß, Sunnybee

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    1. Vielen Dank! 🤗
      Ich scheue ja immer sehr davor zurück, meine politische Meinung im Internet kundzutun, weil man sich da gerne auch mal zur Zielscheibe macht.
      Hier auf den Blogs empfinde ich es aber als sehr einen sehr entspannten Rahmen.
      Danke fürs folgen. In der Regel bleibe ich bei ganz unpolitischen Büchern und Berichten aus Buchhandlungen. 😉

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  12. Ich finde deine Strategie super, denn ich finde auch, dass es wichtig ist, außerhalb seines politische Spektrums sich Meinungen anzuhören. Sonst wird das Verständnis füreinander nur immer weniger – und das hilft wirklich niemandem.

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  13. Vielen Dank „Lesen in vollen Zügen“ für den Denkanstoß, wie umzugehen ist mit Filterblasen und auseinanderdriftenden Meinungen.
    Ich habe lange nachgedacht und denke, dass es für mich wohl auf zwei wesentliche Einwände hinausläuft.
    Zum einen: Wir dürfen das Gespräch mit denjenigen, die eine ganz andere – demokratiefeindliche, ausländerfeindliche – Meinung vertreten, natürlich nicht abbrechen – auch, um keinen wertvollen Handlungsspielraum zu verschenken. Aber inzwischen ist die Lage so, dass es nicht mehr nur ums Gespräch und ums Aufeinander-Zugehen gehen kann. Es muss auch darum gehen, sich gegen diejenigen, die diese Staatsform so sehr verachten und unablässig dagegen mobil machen, zu wehren. Aus meiner Sicht ist ein Schritt in diese Richtung, deutlich zu machen, dass es Grenzen gibt – dass Demokratie eben nicht bedeutet, alles gleichermaßen gelten zu lassen und zu diskutieren. Denn es gibt auch in unserer freien Gesellschaft Dinge, die nicht verhandelbar sind. Werden sie verhandelbar, ist das ein Alarmzeichen. Und für mich sind Sarrazins Unsinnigkeiten ein Schritt in diesem bedrohlichen „Verhandelbar-Machen“.
    Zum anderen: Miteinander reden ist unendlich wichtig. Aber: Wieso heißt das bei uns denn nun ständig, oder vorrangig, dass man mit AfDlern reden und sie verstehen muss, oder generell mit denjenigen auf der „rechten“ Seite? Wer redet mit denjenigen, die unter der Gewalt und dem Hass dieser Leute leiden, die sich vielleicht bedroht fühlen und verängstigt? Wie ist das denn so als Muslim, wenn man im netten Buchladen um die Ecke dann doch wieder Sarrazin liegen sieht? Will man in diesen Laden gehen? Fühlt man sich da wohl? Wieso stellen wir diese Fragen so selten?
    Kurz gesagt: Wenn ich einen Buchladen hätte, in meiner Auslage würde man Sarrazin etc. ganz bestimmt nicht finden.
    Herzliche Grüße,
    die Bücherflocke

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