Vor anderthalb Jahren hat sich Benedict Wells mit „Vom Ende der Einsamkeit“ in mein Herz geschrieben. Nun ist gerade sein neustes Buch „Die Wahrheit über das Lügen“ erschienen, in dem er zehn Kurzgeschichten vorlegt.
Ich fragte mich: Schafft es Wells damit genauso zu überzeugen, wie mit seinen Romanen?
Also nichts wie her mit dem Buch und reingelesen!
Zunächst einmal wartete eine kleine Überraschung auf mich, denn in seinen Geschichten wirkt Wells viel freier und experimentierfreudiger.
So macht er auch den ein oder anderen Ausflug in die Welt des magischen Realismus, was er tatsächlich außerordentlich gut kann und mich umso mehr gefreut hat.
Da steigt ein Mann auf einen Berg, während unterdessen sein ganzes Leben – im wahrsten Sinne des Wortes – an ihm vorbei zieht.
Oder eine erfolglose Schriftstellerin wird von der Muse geküsst und muss sich zwischen dem Schreiben und der Liebe entscheiden…
Auch die längste und titelgebende Geschichte „Das Franchise oder: Die Wahrheit über das Lügen“ lässt sich auf ein spannendes Gedankenspiel ein, das vermutlich jeder schon hatte, der „Zurück in die Zukunft“ gesehen hat. Was würde ich tun, wenn ich mit meinem jetzigen Wissen in die Vergangenheit reisen könnte?
Dazwischen gibt es jedoch auch immer wieder kurze Skizzen, beispielsweise über die Einsamkeit einer alten Frau, oder eine Fliege im Limonadenglas wird sinnbildlich für das Scheitern einer Ehe.
Dabei wird schnell klar, warum Benedict Wells ein großartiger Schriftsteller ist, denn er schafft es, die verschiedensten Charaktere wirklich glaubhaft zum Leben zu erwecken.
Meiner Meinung nach krankte die moderne deutsche Literatur ja daran, daß besonders die männlichen Autoren, lange Zeit nur in der Lage waren, über sich selbst zu schreiben.
Ein Buch nach dem anderen, in dem ein mittelerfolgreicher, mittelalter Protagonist sein mittelmäßiges Leben bemitleidet haben will… das will doch nun wirklich niemand mehr lesen!
Benedict Wells ist einer der Autoren, die die Farbe in die deutsche Literatur bringen, die sie dringend nötig hatte. In diesem Sinne: bitte mehr davon!
Mehr von Benedict Wells findet ihr hier:
Hi. Ja, Kurzgeschichten überraschen bei vielen Autoren. Vielleicht, weil man schneller etwas *rüberbringen* muss? Oder eben auch mal ein Experiment wagen kann?
Werde schauen, ob ich das Buch in der Bücherei finden kann… aber so langsam wird mein Stapel echt zu hoch 😉
und die Zeit gerade immer weniger (zumindest für s Lesen)
Aber wir bleiben dran
Liebe Grüsse
Nina
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Ja, mein Stapel erschlägt. Ich auch beinahe, aber seit dieser Woche ist der Kleine im Kindergarten und nächste Woche ist der Große wieder in der Schule, da hoffe ich, daß ich den Novitäten einigermaßen Herr werde. 😉
Schau auf jeden Fall mal rein, wenn es in der Bücherei ist!
Es liest sich wirklich sehr schnell und gut. 😉
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Ich finde den Autor auch ganz besonders! Bis auf sein Debüt habe ich alle seine Bücher gelesen und war sehr begeistert. Das Debüt werde ich weiterhin auslassen, da ich denke, dass es nicht das richtige für mich ist. Und ich glaube, diese Kurzgeschichtensammlung würde mich auch nicht ganz überzeugen können. Ich mag keine Kurzgeschichten, deshalb lasse ich lieber die Finger davon. Aber es freut mich, dass dir das Büchlein so gefallen hat. Für mich heißt es weiterhin warten, auf einen neuen großen Roman von Wells. 😀
GlG, monerl
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Ich tu mir mit Kurzgeschichten auch immer ein bißchen schwer, aber diese hier fand ich durch die Bank weg gut.
Klar, ein paar haben mich mehr beeindruckt als andere, aber ich fand keine davon schlecht.
Mein Problem ist immer, daß ich genervt bin, wenn ich mich gerade an die Figuren einer Geschichte gewöhnt habe und schwupps, schon ist sie wieder zu Ende.
Benedict Wells schafft es aber irgendwie, daß man sofort in der Geschichte drin ist.
Bei vielen davon war ich verwundert, daß sie nur 30 Seiten oder so hatten, während ich gefühlsmäßig einen dünnen Roman gelesen hatte.
Das ist für mich großartige Erzählkunst. 😊
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