Review: Unter der Haut

Vor kurzen begannen plötzlich einige Kolleginnen tagein, tagaus von „Unter der Haut“ zu schwärmen. Immer wieder hörte ich Vergleiche mit Patrick Süskinds „Parfum“.
Eine sichere Methode, mich von einem Buch abzuschrecken ist es ja, es in den Himmel zu loben, aber als ich dann doch mal hineinblätterte, verliebte ich mich sofort in die grandios gut gelungene Covergestaltung.

Also her damit und reingelesen…

1969 kommt der junge Jonathan Rosen nach New York um dort zu studieren.
Doch besonders motiviert ist er nicht, lieber möchte er die Stadt erkunden, Abenteuer erleben und hübsche Mädchen kennenlernen.
Eines Tages trifft er den weltgewandten Bibliophilen Josef Eisenstein, der Jonathan unter seine Fittiche nimmt.
Dank Eisenstein lernt er völlig neue Seiten von New York kennen. Von der Hinterhofkneipe, in der zwielichtige Geschäfte abgewickelt werden, zu den glamourösen Parties der Schönen und Reichen.
Sie philosophieren über das Leben und die Literatur und Eisenstein verhilft Jonathan sogar zu seinen ersten erotischen Abenteuern mit bildhübschen jungen Frauen.

Bis hierher muss ich ganz ehrlich sagen, daß ich die Euphorie meiner Kolleginnen nicht so recht nachvollziehen konnte. Klar, das Buch ist wirklich gut geschrieben, aber zu diesem Zeitpunkt – nach ziemlich genau 100 Seiten – hatte es mich noch nicht richtig in seinen Bann schlagen können.
Junge Männer, die sich selbst für den Mittelpunkt der Welt halten, kann man mögen, muss man aber nicht.

Doch auf Seite 101 passierte etwas außergewöhnliches…
Hier beginnt ein anderer Teil der Geschichte und schon nach wenigen Sätzen war ich plötzlich überzeugt, ein wirklich verdammt gutes Buch in Händen zu halten.

Denn nun erfahren wir die Geschichte von Josef Eisenstein, der 1919 in Deutschland geboren wird. Bald wird er von seinen jüdischen Eltern in die Obhut einer arischen Tante gegeben. – Ein Umstand, der ihm vermutlich das Leben rettet, trotzdem scheint Eisenstein von klein auf das Unglück auf die Menschen in seiner Umgebung zu ziehen.
Er wird immer isolierter und sonderlicher, bis er seine Liebe zu Büchern entdeckt. Doch es nicht der Inhalt, der Eisenstein fasziniert. Von einigen wenigen Exemplaren scheint eine starke Wirkung auszugehen, der er sich nicht entziehen kann.

Doch da diese ganz besonderen Bücher so selten sind, beschließt Eisenstein, die Buchbindekunst zu erlernen, um selbst das perfekte Buch zu erschaffen. Und dafür ist ihm schon bald jedes Mittel recht…

Ziemlich schnell wurde mir klar, warum meine Kolleginnen sich an „Das Parfum“ erinnert gefühlt haben. Mir selbst ging es da nicht anders…
Nicht nur das Thema erinnert stark an Patrick Süskinds berühmtesten Roman, auch den Stil fand ich sehr ähnlich.
Überhaupt hatte ich immer wieder das Gefühl, daß Gunnar Kaiser stark von literarischen Vorbildern inspiriert wurde, und auch deren Schreibstil ein Stück weit übernommen hat.

Gestört hat mich das allerdings nicht.
Es gab Momente in der Geschichte, da gab es solche Parallelen zum „Parfum“, daß es mir manchmal ein bißchen zu offensichtlich war, trotzdem ist „Unter der Haut“ deutlich mehr, als eine bekannte Geschichte in neuem Gewand.

Für mich ist „Unter der Haut“ jedenfalls eines der besten Bücher des Jahres.

An dieser Stelle auch nochmal ein großes Lob an den Berlin Verlag, der ein wirklich außergewöhnlich schönes Cover zu diesem Titel geliefert hat.

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Autor: Lesen... in vollen Zügen

Seit 20 Jahren arbeite ich als Buchhändlerin in München und seit 2017 gibt es nun "Lesen... in vollen Zügen". Hier möchte ich euch vorstellen, welche Bücher mich gerade bewegen. Meine Beträge verfasse ich im Plauderton, eben so, wie ich auch mit meinen Kunden im Laden ins Gespäch komme. Der Schwerpunkt liegt dabei auf aktueller deutsch- und englischsprachiger Literatur. Aber ich bin auch ein großer Fan von schönen Illustrationen und stelle deshalb regelmäßig Graphic Novels und spannende illustrierte Sachbücher vor. Zu meinen Lieblingsautoren gehören Haruki Murakami, Banana Yoshimoto und Amélie Nothomb. Außerdem mache ich mir immer wieder Gedanken zum Thema Leseverhalten in der Rubrik Mein Leben als Leser und plaudere aus dem Nähkästchen in Bekenntnisse einer Buchhändlerin. Wem jetzt aber die Züge bei "Lesen... in vollen Zügen" zu kurz kommen, der kann gerne bei In vollen Zügen nach… vorbei schauen. Hier berichte ich von meinen Zugreisen, den Büchern, die mich dabei begleiten, den Städten die ich besuche und natürlich auch von schönen Buchhandlungen, die es dort zu entdecken gibt.

8 Kommentare zu „Review: Unter der Haut“

    1. Jetzt dachte ich gerade: „Ha, so wie ich die Leute hier für Bücher begeistere sollte man mir Geld dafür geben!“ Und dann ist mir eingefallen, daß ich ja Buchhändlerin bin und tatsächlich Geld fürs Bücher empfehlen bekomme. 😂 (Auch wenn der Blog natürlich Fleißarbeit ist. 😉) #besterjobderwelt

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