„Lincoln im Bardo“ stand schon seit letztem Jahr auf meiner Leseliste, damals noch auf Englisch. Dann gewann George Saunders auch noch den Man Booker Prize und trotzdem kam ich einfach nicht dazu dieses Buch zu lesen.
Vor kurzem erschien es nun auf Deutsch und nun wurde es aber wirklich Zeit, mir diese Geschichte vorzunehmen.
Während in den USA der Bürgerkrieg tobt stirbt Abraham Lincolns elfjähriger Sohn Willie an Typhus. In der Nacht nach Willies Beerdigung besucht Lincoln – soviel ist wohl historisch gesichert – die Gruft, um seinen Sohn ein letztes Mal in den Armen zu halten…
Wer jetzt einen historischen Roman erwartet irrt sich allerdings gewaltig, denn „Lincoln im Bardo“ ist wahnsinnig modern und auf eine Art und Weise geschrieben, die ich so noch nie gelesen habe.
Denn diese Geschichte hat nicht einen Erzähler, sondern mehr als 150 davon!
Den historischen Kontext erfährt der Leser aus Briefen, Tagebüchern und anderen (fiktiven) Zeitzeugenberichten, die wie eine Kollage aneinander gesetzt werden, sich nicht selten widersprechen und so ein mehr oder weniger stimmiges Bild der Ereignisse zeichnen.
Und dann sind da natürlich noch die Stimmen der Toten, die in einem Zustand, den die tibetische Mythologie Bardo nennt, gefangen sind.
Der Bardo ist eine Zwischenwelt, in der die Seelen bleiben, bis sie einen Punkt oder eine Erkenntnis erreichen, die es ihnen möglich macht weiter zu gehen.
Das Problem der meisten Geister ist wohl, daß sie nicht wahrhaben wollen, wirklich tot zu sein. Andere warten auf ihre Liebsten oder der Gedanke an Rache treibt sie um.
Drei dieser Seelen erzählen den größten Teil der Geschichte und werden dem Leser bald zu Vertrauten: Reverend Thomas, der Angst davor hat in die Hölle zu kommen, Hans Vollmann, der die Ehe mit seiner jungen Frau nie vollziehen konnte, weil ihn ein herabstürzender Balken erschlagen hat und Roger Bevins, der sich seine Homosexualität endlich eingestanden hat, doch von dem Mann den er liebte verschmäht wurde und sich daraufhin die Pulsadern aufgeschnitten hat.
Diese drei nehmen sich des kleinen Willie Lincolns an und versuchen ihn zu überzeugen, den Bardo schnellstmöglich zu verlassen, doch Willie ist stur und will auf seinen Vater warten…
Der Erzählstil ist, wie Anfangs erwähnt, wirklich einzigartig.
Manche der Stimmen sprechen nur einen Satz, bevor eine andere Seele den Faden aufnimmt.
An dieser Stelle wird es wohl am Einfachsten sein, ein Foto des Schriftbildes einzufügen, denn sowas sieht man wirklich nicht oft:
Trotzdem lässt sich die Geschichte nach einer kurzen Eingewöhnungsphase wirklich wunderbar flüssig lesen. Die Stimmen, die immer wieder auftreten ergänzen sich so, daß man nicht ständig schauen muss wer denn nun wirklich was sagt und man die Quellenangaben unter den Zeitzeugenberichten oft nur noch überfliegt.
Die Geschichte entwickelt trotz des ungewöhnlichen Erzählstils, der einzigartigen Protagonisten und diverser Wortneuschöpfungen einen Sog wie ich ihn selten erlebt habe.
Im Literarischen Quartett war die Begeisterung für dieses Buch sogar so groß, daß man Saunders sofort den ausgesetzten Literaturnobelpreis verliehen hätte.
„Lincoln im Bardo“ ist ein absolut aussergewöhnliches, grandioses Buch, das den Leser nach einer kurzen Eingewöhnungsphase nicht mehr loslässt!
Ganz starker Roman! Ohne Übertreibung: Eines der besten Bücher, die ich je gelesen habe. Das ist nichts weniger als Weltliteratur.
https://booksterhro.wordpress.com/2018/06/08/george-saunders-lincoln-im-bardo/
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Absolut!
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OK! Sofort überzeugt! Schau ich unbedingt noch rein.
Liebe Grüße
Nina
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😊😉
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Ich bin auch richtig begeistert von dem Konzept und dem Aufbau des Romans. Ich höre das Buch momentan auf Englisch als Hörbuch – hier wurde jedem „Erzähler“ eine eigene Stimme verliehen. Man braucht ein Weilchen, aber nach einer kurzen Eingewöhnung ist das Hörbuch wie auch das Buch selbst einfach richtig großartig.
Liebe Grüße,
Katja
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Kommt direkt auf meine „Will ich noch lesen“-Liste !! Danke fürs Neugierigmachen 😊
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