Review: Dunkelgrün fast schwarz

Es gab in diesem Frühjahr wohl kaum einen Blog, der „Dunkelgrün fast schwarz“ nicht in den Himmel gelobt hat. Doch die schiere Masse an euphorischen Rezensionen hat letztendlich dafür gesorgt, daß ich diesem Buch sehr viel Zeit geben musste…
Kennt ihr das auch, wenn ihr bemerkt, daß der Hype so stark ist, daß man absolut unerreichbare Erwartungshaltungen an eine Geschichte bekommt?
Deshalb bin ich also sehr spät dran, mit meiner Besprechung zu Mareike Fallwickls Romandebüt. Aber besser spät als nie!

Mitte der 80er Jahre zieht Marie mit ihren kleinen Kindern Moritz und Sophie in ein Bergdorf nahe der österreichischen Stadt Hallein. Der dreijährige Moritz lernt dort den gleichaltrigen Raffael – genannt Raf – kennen und sofort entwickelt sich eine extrem enge Freundschaft zwischen den beiden.
Doch Marie bemerkt schnell, daß es nicht gesund ist, was Moritz und Raf da verbindet. Ständig testet Raf seine Grenzen, geht darüber hinaus und spielt kleine Machtspielchen, doch es gelingt ihr nicht, Moritz von Raf fernzuhalten…

Auch als Teenager sind Raf und Moritz immer noch unzertrennlich, doch dann kommt Johanna in ihre Klasse. Moritz verliebt sich sofort in das traurige Mädchen, deren Eltern vor kurzem gestorben sind und tatsächlich werden die beiden ein Paar.
Aber damit gerät auch seine Freundschaft zu Raf aus dem Gleichgewicht und so kommen Ereignisse ins rollen, die Moritzs weiteres Leben beeinflussen werden.

Erst sechzehn Jahre später treffen die drei wieder aufeinander und müssen sich ihrer Vergangenheit stellen…

Die Geschichte spielt auf verschiedenen Zeitebenen und wird abwechselnd aus der Sicht von Marie, Moritz und Johanna erzählt. Dabei geht es immer um Raffael, der ein Dreh- und Angelpunkt im Leben der anderen ist.
Raf war ein mir zutiefst unsympathischer Charakter, ein regelrechter Psychopath, der aber von frühster Kindheit an über soviel Charisma verfügt, um sogar die Erwachsenen immer wieder zu manipulieren.
Streckenweise fiel es mir schwer weiterzulesen, so unwohl fühlte ich mich in längeren Szenen mit ihm.

Für mich zeichnet sich ein wirklich guter Autor besonders dadurch aus, daß er Figuren schafft, die einem so unter die Haut gehen, daß man ihr Verhalten fast schon persönlich nimmt.
Immer wieder hätte ich Lust gehabt, in das Buch hineinzugreifen um mir die Protagonisten zu packen und solange zu schütteln, bis sie endlich aus diesem Spiel, das Raf mit ihnen spielt, ausbrechen würden.

Ihr merkt schon, ich kann die Begeisterung, die dieses Buch ausgelöst hat absolut nachvollziehen.
Charaktere wie aus Fleisch und Blut, ein temporeicher Erzählstil, der den Leser mit jedem Kapitel tiefer in seinen Bann zieht und eine Geschichte, die einen sofort mitreißt.

Ein großartiges Buch!

PS: Beim Lesen musste ich immer wieder an Der Dieb in der Nacht von Katharina Hartwell denken. Die Figuren sind mir ähnlich unter die Haut gegangen und auch hier geht es um Familie, Freundschaft, Verrat und die Schatten der Vergangenheit. Wenn ihr also zu all denen gehört, die „Dunkelgrün fast schwarz“ geliebt haben, wäre das mein Buchhändler-Tipp für euch. 😉

Autor: Lesen... in vollen Zügen

Seit 20 Jahren arbeite ich als Buchhändlerin in München und seit 2017 gibt es nun "Lesen... in vollen Zügen". Hier möchte ich euch vorstellen, welche Bücher mich gerade bewegen. Meine Beträge verfasse ich im Plauderton, eben so, wie ich auch mit meinen Kunden im Laden ins Gespäch komme. Der Schwerpunkt liegt dabei auf aktueller deutsch- und englischsprachiger Literatur. Aber ich bin auch ein großer Fan von schönen Illustrationen und stelle deshalb regelmäßig Graphic Novels und spannende illustrierte Sachbücher vor. Zu meinen Lieblingsautoren gehören Haruki Murakami, Banana Yoshimoto und Amélie Nothomb. Außerdem mache ich mir immer wieder Gedanken zum Thema Leseverhalten in der Rubrik Mein Leben als Leser und plaudere aus dem Nähkästchen in Bekenntnisse einer Buchhändlerin. Wem jetzt aber die Züge bei "Lesen... in vollen Zügen" zu kurz kommen, der kann gerne bei In vollen Zügen nach… vorbei schauen. Hier berichte ich von meinen Zugreisen, den Büchern, die mich dabei begleiten, den Städten die ich besuche und natürlich auch von schönen Buchhandlungen, die es dort zu entdecken gibt.

31 Kommentare zu „Review: Dunkelgrün fast schwarz“

  1. Darf ich ganz ehrlich sein? Ich habe von diesem Buch bisher nichts gehört, aber es klingt definitiv sehr interessant. Daher habe ich es mal abgespeichert und werde es demnächst sicherlich auch lesen. Völlig ohne große Erwartungen, denn bisher ist deine Rezi die einzige, die ich dazu gelesen habe. 😀

    Gefällt 2 Personen

  2. Hallo 🙂
    Was für eine schöne Rezension! Gerade in diesem Punkt, kann ich dir nur voll und ganz zustimmen: „Für mich zeichnet sich ein wirklich guter Autor besonders dadurch aus, daß er Figuren schafft, die einem so unter die Haut gehen, daß man ihr Verhalten fast schon persönlich nimmt.“ Es klingt nach einem unglaublich authentischen Roman, der dich wirklich mitgenommen hat. Das Buch wanders sofort auf meine Wunschliste 🙂
    Alles Liebe,
    Sarah

    Gefällt 3 Personen

    1. Grüß dich!
      Ich habe mich natürlich auch sehr angesprochen gefühlt, weil ich sehr nah an Figuren wie Marie dran bin. Die Mutter, die versucht ihre Kinder zu beschützen und alles perfekt zu machen und sich dabei immer wieder selbst im Weg steht… Kenn ich. 😉
      Wenn man dann jemanden auf diese Figur, die einem so nahe ist, loslässt, den man im wirklichen Leben bitte niemals begegnen möchte, kann man nicht anders, als das irgendwie persönlich zu nehmen.
      Ich bin gespannt, wie dir das Buch gefällt.
      Liebe Grüße zurück!
      Andrea

      Gefällt 1 Person

  3. Spannend!
    Ich las, du bist Buchhändlerin. In der Tat ist es so, dass Buchhandlungen neben Museen und Parks die Anlaufstellen in einer fremden aber auch eigenen Stadt sind. Ich freue mich über das wiedererkennen durch den buchhändler, da uns ja ein band verbindet.
    Lieben Gruß
    Gerhard

    Gefällt 1 Person

    1. Oh, das hast du schön gesagt.
      Sobald ich in einer neuen Stadt bin muss ich auch die Buchhandlungen dort besuchen. Deshalb auch meine Rubrik „In vollen Zügen nach…“ 😉
      Ich freue mich auch immer, wenn mich Kunden wiedererkennen. Allerdings werde ich sonderbarerweise oft mit meiner koreanischen Kollegin verwechselt. 😅 Das freut uns dann als „eineiige Zwillinge im Geiste“ auch sehr.
      Liebe Grüße zurück!

      Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar