Review: Fische

Schon seit mehreren Monaten habe ich die englische Ausgabe von „Fische“„The Pisces“ – von Melissa Broder umschlichen, nun ist das Buch auf Deutsch erschienen und meine Neugier hat doch noch gesiegt.
Das Cover finde ich sagenhaft gut gelungen, die Prämisse war allerdings auf den ersten Blick etwas verrückt… Eine Frau beginnt eine erotische Beziehung zu einem Meermann?!?

Magischem Realismus und schrägen Plots bin ich ja nie abgeneigt, allerdings funktioniert das eben auch nicht immer.
Zeit, mir ein eigenes Bild von dieser Geschichte zu machen!

Lucys Leben hat einen toten Punkt erreicht: bald wird sie vierzig, ihre Beziehung entwickelt sich seit Jahren schon keinen Millimeter weiter, genausowenig wie ihre Doktorarbeit, an deren These sie selbst nicht mehr glaubt.
Doch plötzlich gerät Lucys Leben aus den Fugen, denn ihr Freund verlässt sie für eine andere Frau und ihre Doktorväter setzen ein letztes Ultimatum, die Doktorarbeit endlich zu beenden.

Darauf folgt der totale Zusammenbruch, der in einem Polizeieinsatz und mit einer einstweiligen Verfügung endet.
Da schaltet sich Lucys Schwester Annika ein und schlägt ihr vor, den Sommer in ihrem kalifornischem Strandhaus zu verbringen. So hätte Lucy etwas Abstand, könnte die polizeilich verordneten Therapiestunden absitzen und sich nebenbei um Annikas Hund kümmern, solange diese auf Reisen ist.
Gesagt, getan. Doch einsam und nur mit einer reichlich neurotischen Therapiegruppe an ihrer Seite, stolpert Lucy von einer katastrophalen Situation in die nächste…
Bei Tinder findet sie Männer für erotische Abenteuer, die sie jedoch immer frustrierter zurücklassen.

Eines Nachts lernt Lucy an den Felsen am Strand den jungen, gutaussehenden Theo kennen. Nach und nach schließen sie Freundschaft, doch Theo hat ein Geheimnis: er ist ein Meermann und scheint fast einer griechischen Sage entsprungen zu sein.
Lucy ist absolut fasziniert und verliebt sich in Theo, doch damit bringt sie unausweichliche Ereignisse ins Rollen…

„Fische“ hat mich wirklich überrascht.
Die letzten Tage konnte ich es gar nicht aus der Hand legen, und daß, obwohl es stellenweise schon hart an die Schmerzgrenze geht.
Besonders die Sexszenen geizen nicht mit expliziten Worten und Vergleichen, bei denen man manchmal nicht weiß, ob man lachen oder sich ekeln soll.

Dabei stehen diese brutal ungeschönten Szenen in krassem Kontrast zu Lucys philosophischen Gedanken über Liebe und Einsamkeit und dem fast schon slapstickartigen Humor, der bei den reichlich verrückten Gruppensitzungen durchschlägt.

Ich habe zum Teil schallend gelacht, nur um mich ein paar Seiten später furchtbar fremdschämen zu müssen.

„Fische“ ist ein Buch, das aus der Reihe tanzt und sich nicht wirklich einordnen lässt.
Ich fühlte mich glänzend unterhalten und trotzdem fragte mich, ob und wem ich es in der Buchhandlung überhaupt empfehlen kann.
Für viele Leser wird es vermutlich ein „Love it or hate it“-Buch werden.
Wer sich gerne auf ungewöhnliche Geschichten einlässt, die auch mal über die Grenzen des guten Geschmacks hinausgehen, sollte auf jeden Fall mal einen Blick hineinwerfen!

Autor: Lesen... in vollen Zügen

Seit 20 Jahren arbeite ich als Buchhändlerin in München und seit 2017 gibt es nun "Lesen... in vollen Zügen". Hier möchte ich euch vorstellen, welche Bücher mich gerade bewegen. Meine Beträge verfasse ich im Plauderton, eben so, wie ich auch mit meinen Kunden im Laden ins Gespäch komme. Der Schwerpunkt liegt dabei auf aktueller deutsch- und englischsprachiger Literatur. Aber ich bin auch ein großer Fan von schönen Illustrationen und stelle deshalb regelmäßig Graphic Novels und spannende illustrierte Sachbücher vor. Zu meinen Lieblingsautoren gehören Haruki Murakami, Banana Yoshimoto und Amélie Nothomb. Außerdem mache ich mir immer wieder Gedanken zum Thema Leseverhalten in der Rubrik Mein Leben als Leser und plaudere aus dem Nähkästchen in Bekenntnisse einer Buchhändlerin. Wem jetzt aber die Züge bei "Lesen... in vollen Zügen" zu kurz kommen, der kann gerne bei In vollen Zügen nach… vorbei schauen. Hier berichte ich von meinen Zugreisen, den Büchern, die mich dabei begleiten, den Städten die ich besuche und natürlich auch von schönen Buchhandlungen, die es dort zu entdecken gibt.

15 Kommentare zu „Review: Fische“

    1. Ich hab ja schon ein bißchen Angst vor Rezensionen, die in etwa so anfangen: „Dieses Buch hat mir Andrea von Lesen… in vollen Zügen empfohlen, was für eine kranke und gestörte Frau muss das sein…“ 😅
      Ich kann wirklich ganz schwer beschreiben, warum dieses Buch so fesselnd ist und ich hab mittlerweile wirklich viele Besprechungen und Kritiken gelesen… Allen geht es da ähnlich.
      Jemand auf Instagram meinte:“ Das kann man eigentlich niemandem antun und trotzdem ist es eine Leseempfehlung.“
      Das triffts ganz gut. 😉
      Liebe Grüße zurück!

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      1. Haha 😀
        Genau SO werde ich es übrigens formulieren!
        Quatsch. Ich glaube genau in diesem skurrilen, abstoßenden liegt die Faszination. Und es ist auf jeden Fall mal etwas ganz anderes, abseits vom Mainstream 🙂

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      2. Mal sehen, ob ich mir das geben kann… schlimmer als Murakami-Sexszenen können die Fremdschammomente allerdings doch nicht sein…?

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      3. Mal schauen… wenn es mir über den Weg läuft… irgendwie erinnert es mich an diese Simpsons-Folge:

        “ Louie: Hey I thought you said Troy McClure was dead.
        Fat Tony: No, what I said is that he sleeps with the fishes! You see… „

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  1. Huch, das klingt ja mal wirklich strange. Das Cover finde ich auch ganz wunderbar und ansprechend. So viel Leidenschaft.
    Auch die Beschreibung klingt interessant. Bei den Sexszenen bekomme ich jetzt schon ein mulmiges Gefühl. Ich habe eine ausgeprägte Fantasie und male mir gerne Details selbst aus.
    Liebe Grüße
    Sabrina

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    1. Ja, die Sexszenen sind wirklich schonungslos, überlassen nichts der Fantasie und sind nicht einmal erotisch. Eigentlich hält Melissa Broder der Tinder Gesellschaft da einen ziemlich schonungslosen Spiegel vor.
      Aber man leidet auch sehr mit der Protagonistin mit, weil klar gemacht wird, daß sie das alles nur mit sich machen lässt, um ihre Einsamkeit und ihr mangelndes Selbstwertgefühl zu kompensieren und dabei natürlich schamlos ausgenutzt wird.
      Es ist ein wirklich ungewöhnliches Buch… Ich hab es kaum aus der Hand legen können, aber ich kenne vielleicht eine einzige Person in meinem ganzen Bekanntenkreis, der ich es problemlos empfehlen könnte.

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  2. Hallo Andrea,
    Das Buch klingt irgendwie skurril aber doch interessant. Ich weiß nicht, ob es was für mich ist, aber du hast mich auf jeden Fall neugierig gemacht.
    Liebe Grüße
    A. Disia

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