„Die Geschichte der Liebe“ habe ich ja nach anfänglichen Startschwierigkeiten sehr geliebt, „Das große Haus“ fand ich dann nur noch so lala, trotzdem war ich gespannt auf das neue Buch von Nicole Krauss.
An dieser Stelle muss ich sagen: Ich interessiere mich nicht groß für Autoren. Das mag sich vielleicht furchtbar anhören, aber ich will mich nicht immer fragen, was von der Geschichte autobiografisch sein könnte und was nicht. Das lenkt mich zu sehr ab.
Bei diesem Buch kam dann aber alles anders…
Ich unterhielt mich mit einer Kollegin über unsere aktuelle Lektüre und erwähnte, daß ich mir „Forest Dark“ mitgenommen hätte.
Daraufhin meine Kollegin: „Ach ja, die hat sich ja von Jonathan Safran Foer scheiden lassen.“
Ich wusste gar nicht, daß die beiden überhaupt verheiratet waren, habe tatsächlich noch kein Buch von ihm gelesen, obwohl „Everything is Illuminated“ und „Extremely Loud and Incredibly Close“ seit Jahren auf meinem SUB liegen, und wusste zu dem Zeitpunkt auch nichts von seinen offenbar ehebeendenden Emails an Natalie Portman.
Meine Kollegin hatte außerdem „Here I Am“ gelesen und erzählte, daß sich Foer darin mit der Scheidung von Nicole Krauss auseinandersetzt und so kam die Frage auf, ob „Forest Dark“ wohl ihre Sicht der Dinge wäre.
Also wirklich! Bei soviel Hintergrundwissen, wie soll man da noch unvoreingenommen an das Buch herangehen?
In „Forest Dark“ geht es um zwei Menschen, deren Geschichten abwechselnd erzählt werden, die aber – anders als in „Die Geschichte der Liebe“ – nie wirklich zusammen finden.
Zum einen ist da Jules Epstein, der ein Vermögen als erfolgreicher Anwalt gemacht hat und nun im Alter beginnt, sein Geld und seine Besitztümer zu verschenken. So beschließt er, seinen Eltern ein Denkmal in Israel zu setzen und reist durch das Land um nach einem geeigneten Projekt zu suchen, das die Namen seiner Eltern unsterblich machen soll.
Zum anderen ist da Nicole Krauss (ja, in diesem Buch ist sie tatsächlich ihre eigene Hauptperson). Nicole beschreibt ihre Ehe, die nur noch von der Liebe zu den gemeinsamen Kindern zusammengehalten wird und von der Schreibblockade unter der sie leidet. Um sich eine Auszeit von all dem zu nehmen reist sie nach Tel Aviv und trifft dort einen geheimnisvollen Mann, der ihr ein unglaubliches Angebot macht: Er erzählt ihr, daß Franz Kafka nicht jung verstarb, sondern seinen Tod fingierte, nach Israel auswanderte und dort ein langes, wenn auch einsames Leben führte. Ausserdem berichtet er von unbekannten und unvollendeten Kafka-Manuskripten, die sie – Nicole Krauss – für ihn fertigstellen soll…
Nicole Krauss‘ Streibstil ist sehr dicht und wirklich poetisch. In einem einzelnen Satz steckt oft soviel Bedeutung, daß ihre Bücher sicherlich keine Mal-nebenher-Lektüre sind.
Ich denke nicht, daß sich mir das Buch schon beim ersten Lesen vollständig erschlossen hat, aber es ist definitiv ein Buch, über das ich noch länger nachdenken werde.
Ich hätte mir gewünscht, daß ich vorher nichts über das Beziehungsdrama im Hause Krauss/Foer gewusst hätte, weil ich so natürlich mehr auf die Beschreibung ihrer Ehe geachtet habe, die übrigens sehr sanft und zurückgenommen war.
Das Grundthema dieses Buches ist es, sich selbst zu verlieren. Irgendwie ist es da schon ironisch, daß das letzte Buch ihres Exmannes „Hier bin ich“ heißt.
Wie geht es euch eigentlich damit?
Wollt ihr lieber viel über die Autoren wissen um autobiografische Teile besser zu verstehen oder wollt ihr das Buch ganz unabhängig davon lesen?
(Deutscher Titel: Waldes Dunkel)
Dass die beiden verheiratet waren, habe ich erst gemerkt, als ich „Tiere essen“ gelesen habe, da kannte ich allerdings auch noch kein einziges Buch von Nicole Krauss.
Einer meiner ersten Literaturwissenschafts-Dozenten war ein großer Fan des Poststrukturalismus und hat ewig den „Tod des Autors“ gepredigt. Das ganze Konzept finde ich wirklich ganz spannend, wenn es mir auch ein, zwei Schritte zu weit geht. Auf jeden Fall wurde mir in diesem Semester so sehr eingebläut, mich niemals, niemals für die Biographie eines Autors zu interessieren, dass ich seitdem fast schon vor Autorenfotos zurückschrecke 🙂
Im Ernst – für die Biographien von AutorInnen interessiere ich mich nur höchst selten. Ich will damit gar nicht ihre Leistung schmälern oder die Person hinter den Werken zurückstellen. Ich glaube nur, dass es mir meinen Zugang zum Text nicht unbedingt erleichtert, wenn ich dauernd nach Parallelen suche, die es womöglich gar nicht gibt.
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Das ist ja interessant, daß das als literaturwissenschaftliches Konzept gelehrt wird.
In dem schönen Buch „The Thirteenth Tale“ von Diane Setterfield heißt es: „The writers life needs time to rot away before it can be used to nourish a work of fiction. It must be allowed to decay.“
Und in einer Tolkien Biografie habe ich auch mal einen ganz ähnlichen Satz gelesen.
Vermutlich geht es nicht nur manchen Lesern sondern auch einigen Autoren so, daß ich sich gerne von ihrem Buch trennen.
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Ich lese mir meistens, nachdem ich das Buch beendet habe, die Biographie des Autors durch. Nicht, um unbedingt autobiographische Züge zu erkennen, sondern ganz einfach, weil es mich interessiert, welche Person hinter dem werk steckt. Also wer in der Lage ist, das, was ich an dem Buch mochte, so gut zu schildern und zu schreiben…
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So kann man es natürlich auch machen. Ich hab meistens zuviel Angst, daß etwas was ich im Buch gut fand in Wirklichkeit nur Seelenstriptease war. 😉
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Ich finde es spannend, das Leben von Autor_innen mit ihren Geschichten zu vergleichen, und ich glaube auch nicht, dass sich beides vollkommen trennen lässt. Andererseits bin ich mir natürlich der Gefahr bewusst, als Leserin den Autor oder die Autorin mit seinen/ihren Charakteren zu verwechseln.
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Ich lese gerne Kurzbiografien von Autoren, eben um etwas über den Menschen hinter den Büchern herauszufinden. Ich bin allerdings noch nie auf die Idee gekommen, überall in den Büchern den Autor zu suchen. Ich nehme die Geschichte als Geschichte, ob sie oder Teile von ihr biografisch sind, interessiert mich ehrlich gesagt nicht.
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Ja. Mir fällt es da einfach leichter, wenn ich im Vorfeld so wenig wie möglich über den Autor weiß. Weil ich mich sonst schon immer ein wenig frage, inwieweit das dann Einfluss genommen hat. Dabei sollte es ja wirklich egal sein…
Tolkien hat mal sinngemäß gesagt, daß man das Leben ein bißchen verrotten lassen muss um im Humus, der daraus entsteht eine Geschichte pflanzen zu können. Das fand ich ein sehr schönes Bild…
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Ich denke mal, das macht jeder, wie es am besten passt. Schon interessant, wie unterschiedlich es gehandhabt wird.
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